Albert StegemannCDU/CSU - Tierhaltungskennzeichnung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Damen und Herren! Liebe Kollegen! Renate Künast, auch von uns aus natürlich herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag; gar keine Frage.
Heute, vor allen Dingen in dieser Debatte, schaut wirklich die komplette Agrar- und Ernährungswirtschaft nach Berlin. Das sind nicht nur 17 900 Schweinehalter, nein, das sind insgesamt 4,4 Millionen Beschäftigte in der Agrar- und Ernährungswirtschaft mit einem Gesamtumsatz von 186 Milliarden Euro. Rund ein Viertel davon, etwa 46 Milliarden Euro, erwirtschaftet alleine die Fleischwirtschaft.
Einen wesentlichen Bestandteil der ländlichen Räume und der dortigen Wirtschaft beeinflusst am Ende die Agrarpolitik. Sie entscheidet, welche Grundlagen dort geschaffen werden. Herr Özdemir, Sie als Landwirtschaftsminister – er war gerade noch zur Abstimmung, aber er kommt schon wieder rein – sind eben auch Minister der ländlichen Räume; dafür haben Sie eine sehr große Verantwortung. Leider treten Sie als solcher überhaupt nicht in Erscheinung. Ich werde auch gleich begründen, warum ich das so einschätze.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wenn man sich mit dem Tierhaltungskennzeichen auseinandersetzt, muss man verstehen, dass es zwei wesentliche Ziele erfüllen muss, damit es überhaupt funktioniert:
Einmal, wie der Name sagt, geht es tatsächlich um die Kennzeichnung. Aber hier stellen wir fest – das ist ja gerade schon vom Minister selbst angesprochen worden –: Es ist löchrig wie ein Schweizer Käse. Es gilt tatsächlich nur für frisches Schweinefleisch, also nur für etwa 25 bis 30 Prozent des Marktes. Es werden kein Import, keine Kantinenware, keine Gastro, keine anderen Tierarten, keine Sauen, keine Prozesse berücksichtigt. Wir haben ja in der letzten Legislatur durchgesetzt, dass es keine betäubungslose Ferkelkastration gibt. Ferkel, die so kastriert wurden, können jetzt aber importiert werden. Das kann nicht wahr sein.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das passiert doch die ganze Zeit! – Carina Konrad [FDP]: Das war eure Politik! Das war ja eben der Quatsch!)
Also, das ist sehr lückenhaft. Von dieser Stelle aus kann ich Ihnen hier nur eine Schulnote „Fünf“ geben für das, was das Haltungskennzeichen im wahrsten Sinne des Wortes ausmacht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Beim Umbau der Tierhaltung brauchen wir aber – und das ist das viel gewichtigere Thema – ein Gesamtkonzept. Ich glaube, dass es eben kein Gesamtkonzept gibt. Wir haben in der letzten Legislatur gut vorgearbeitet.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 16 Jahre Vorarbeit!)
Die Borchert-Kommission, die Sie auch schon angesprochen haben, hat hervorragende Vorschläge gemacht. Im Grunde genommen ist es so, dass ein Haltungskennzeichen in die höhere Tierwohlstufe führen muss. Sie stellen jetzt öffentlich und medienwirksam diese Treppe ins politische Schaufenster, diese Treppe zur nächsten Ebene von „mehr Tierwohl“. Aber die zweite Etage, nämlich die Borchert-Kommission und die Umsetzung ihrer Vorschläge, hat die FDP bereits weggesprengt.
Jetzt komme ich auch zu den konkreten Zahlen. Sie haben angesprochen: Sie wollen das gerne umsetzen. 150 Millionen Euro haben Sie zur Verfügung gestellt. Lesen Sie sich doch mal durch, was heute in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ steht: Miriam Staudte, ihre Kollegin von den Grünen aus Niedersachsen, hat noch mal beziffert, dass der jährliche Bedarf für einen Umbau der Tierhaltung bei 4 bis 7 Milliarden Euro liegt. Also, da hat Ihre Kollegin ausnahmsweise recht. Orientieren Sie sich daran! Mit Ihren 150 Millionen Euro kommen wir wirklich noch nicht mal von zwölf bis Mittag. Das reicht bei Weitem nicht; das ist das Entscheidende. Deswegen ist Ihr Gesetzentwurf wirklich komplett untauglich: weil er das grundsätzliche Ziel, die Tierhaltung in Deutschland in irgendeiner Form weiterzuentwickeln, komplett verfehlt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Sie haben eine Patrone im Lauf gehabt. Diese Chance haben Sie vertan. Sie schießen in die Luft – Effekthascherei. Dabei kommt nichts rum. Das kann ich Ihnen wirklich leider nur sehr übel nehmen.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da bin ich ja froh, dass ich gleich dran bin!)
Ich bitte Sie herzlich, hier noch nachzuarbeiten.
Jetzt könnte man es sich einfach machen. Wir sind am Ende des Jahres, und Sie sagen, als Minister würden Sie gerne auch noch mal einen grünen Haken an das eine oder andere Gesetzespaket machen,
(Zoe Mayer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie ja nicht geschafft!)
nach dem Motto: Auch wenn es nicht viel bringt: Es ist unschädlich. Aber auch damit müssen wir mal aufräumen. Es ist nicht unschädlich. Es gibt nämlich Initiativen – privatwirtschaftliche Initiativen –, wie die Initiative Tierwohl, die einwandfrei funktionieren. Dort werden jedes Jahr 150 Millionen Euro gemeinsam mit dem Lebensmitteleinzelhandel, gemeinsam mit der Branche tierwohlgerecht investiert.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum haben Sie es denn nicht gemacht in den 16 Jahren? 16 mal 365 Tage! – Zuruf der Abg. Zoe Mayer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die Landwirte machen es. Es funktioniert. 90 Prozent des Mastgeflügels in Deutschland ist an die Initiative Tierwohl angeschlossen; 68 Prozent der Schweinefleischerzeugung werden ebenfalls durch die Initiative Tierwohl gefördert. Diesen Tieren geht es besser als denen in den meisten anderen europäischen Ställen.
(Zuruf der Abg. Zoe Mayer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Dieses gute, funktionierende System machen Sie durch das Verbot kaputt, dass die ITW ihr Label künftig neben dem staatlichen Tierwohl-Label abdrucken darf. Sie zerstören ein funktionierendes, gutes System, das auch in der Praxis bereits umgesetzt wurde.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Stimmt ja gar nicht!)
Das, was Sie nachschieben, funktioniert eben nicht.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gehen Sie doch mal in den Laden einkaufen, und suchen Sie mal Stufe 2!)
Deswegen machen Sie etwas kaputt.
Ich kann Ihnen nur sagen: Überdenken Sie, was Sie hier machen. Das ist kein konstruktiver Beitrag zu mehr Tierwohl. Es ist wirklich ein sehr, sehr schlechter Gesetzentwurf. Wir werden nicht aufhören, Ihnen zu empfehlen, dringend noch mal darüber nachzudenken und Ihre Aufgabe als Bundeslandwirtschaftsminister endlich wahrzunehmen.
Vielen Dank fürs Zuhören. Frohe Weihnachten!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7549467 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 76 |
Tagesordnungspunkt | Tierhaltungskennzeichnung |