15.12.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 76 / Tagesordnungspunkt 10

Susanne MittagSPD - Tierhaltungskennzeichnung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das muss jetzt aber mal sein: Heute ist ein guter Tag für die Tierhaltung, der erste praktische Schritt für den Umbau in der Nutztierhaltung. Da wird einiges deutlich werden, auch für Herrn Stegemann: die Transformation in die Zukunft.

Die Notwendigkeit wird ja wohl seit Jahren bis heute gesehen, debattiert von Verbänden, Landwirten, Vermarktern und Politik. Der Druck wird immer größer. Und: Nein, es funktioniert derzeit nicht gut. Deswegen ist es ja so wichtig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das Ganze, verhandelt und konzeptionell erarbeitet von Betroffenen und Fachleuten – nicht von der Politik –, wurde uns mit der Bitte übergeben, einen rechtssicheren Rahmen zu schaffen. Genau so ist es mal eingeteilt worden, und das hätten wir auch gerne in der letzten Legislatur umgesetzt. Aber ein unvollständiger Entwurf vom Ministerium – nur freiwillig, partiell –, das war von vornherein zum Scheitern verurteilt und konnte nicht funktionieren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Carina Konrad [FDP])

Das sieht jetzt anders aus. Die Tierhaltung wird sich verbessern, die Kennzeichnung ist verpflichtend – das geht nämlich –, die Standards sind nachvollziehbar und überprüfbar, nicht nur von Marktinteressen geleitet, sondern auf Tierwohl ausgerichtet und verlässlich für die Landwirtinnen und Landwirte.

Es ist ein guter Tag. Es ist das erste Gesetz von insgesamt neun Gesetzen und Verordnungen – vielleicht mal zur Klärung –, was vermutlich für einige ein wenig überraschend ist, besonders für die CDU. Das ist aber notwendig, um das ganze Thema zu fassen: von Geburt bis Schlachtung – für alle drei Nutztierarten –, für Verarbeitung, Verkauf, für Privat, Gastronomie und Kantine – das war vorher auch nicht so – und für die gesamten tierischen Erzeugnisse. Ergänzend dazu werden derzeit die Baurechtsanpassungen, der Bereich Immissionen und die Finanzierung verhandelt. Dazu gibt es noch Anpassungen im Tierschutzgesetz und den Ausbau der Tiergesundheitsdatenbank. All das gehört zu einem tragfähigen Konzept. Ebenso wie in der Herkunftskennzeichnung – das ist aber schon gesagt worden – gilt: Entweder die EU macht eine Vorlage, oder wir machen es selbst.

Jeder Landwirt, jede Landwirtin kann frei entscheiden, ob er oder sie teilnimmt. Aber das Labeln der Haltungsbedingungen, das ist verpflichtend. Das wird gerne mal in öffentlichen Debatten alles in einen Pott geworfen, aus was für Gründen auch immer. Das ist aber zu trennen.

Aber wir sind auch überzeugt, dass jede Landwirtin und jeder Landwirt sehr wohl selbst entscheiden kann, soll und will, wie die Tierhaltung der Zukunft für den eigenen Betrieb aussieht. Es ist nun absehbar, dass bei allen tierischen Erzeugnissen dies erkennbar ist und auch sehr einfach erkennbar ist.

Alle Vergleiche mit bisher vorhandenen Labeln hinken; denn diese sind privatwirtschaftlich orientiert, umfassen nur Teilbereiche, sind oft nicht nachvollziehbar und unzuverlässig, sei es für Landwirtinnen und für Landwirte, die heutzutage oft immer neuen und kurzfristigen Anforderungen an ihre Erzeugnisse unterliegen und ihre Erzeugerkosten vom Handelspartner oftmals nicht oder nur teilweise erstattet bekommen, oder für Verbraucherinnen und Verbraucher, die bei der Labelflut mit Bildern und verwirrenden Begriffen oft einen Haltungsstandard vorgegaukelt bekommen, der einer Überprüfung nicht mal ansatzweise standhalten würde.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Jedoch gibt es bei aller Begeisterung, dass es endlich vorangeht, natürlich auch Nachbesserungsbedarf – das ist nach einer ersten Lesung immer so –, und den haben wir auch schon deutlich angemeldet. Da gibt es eine ganze Bandbreite, sei es bei den Details der Haltungsbedingungen oder beim Fehlen des Bereiches „Aufzucht und Ferkel“ in dem Gesetz – um nur einiges zu nennen.

Unseren Koalitionspartnern geht es ähnlich. Aber die Verhandlungen laufen schon und sind sehr konstruktiv. Nicht nur so ziemlich alle Verbände haben aufgelistet, was fehlt und was verbessert werden muss; auch die Länder haben nach der ersten Lesung im Bundesrat eine sehr lange Liste von Anmerkungen und Forderungen erstellt.

Die insgesamt sehr fundierten Verbesserungsvorschläge umfassen allerdings nicht nur die vorliegende Gesetzesvorlage, sondern das gesamte Konzept, das in diesem Gesetz ja noch gar nicht komplett erfasst ist. Ich erinnere: neun Gesetze und Verordnungen, Baurecht, Immissionen, dazu das Finanzierungskonzept mit der Festschreibung der Fördermöglichkeiten beim Umbau sowie der finanziellen Absicherung des Mehraufwandes bei den Erlösen. Bessere Haltung kostet nun mal mehr.

Das darf nicht nur wie bislang als Werbung vermarktet werden, sondern der Mehraufwand muss auch bei den Landwirtinnen und Landwirten endlich mal ankommen, statt als Marketingerlös bei den Verarbeitern oder Verkäufern zu bleiben, so wie es jetzt oftmals ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Max Straubinger [CDU/CSU]: Das ist beim ITW so!)

– Nein, ist es nicht.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Doch!)

Diese Systematik ist teilweise eine Abkehr von der vorherigen Vorgehensweise. Das ist ungewöhnlich, kann aber auch von Vorteil sein, wie zum Beispiel in dem Zusammenhang bei der geplanten Verordnung für Transport und Schlachtung, die für alle Kategorien gelten soll, was vereinfacht, aber trotzdem verbessert.

Dieser erste Teilabschnitt dient auch der europäischen Notifizierung, die schon auf dem Weg ist, und zwar auf einem guten Weg. Wichtig ist daher die Umsetzung eines Gesamtpaketes, das ermöglicht, dass alle Maßnahmen ineinandergreifen und zeitnah zu verwirklichen sind – „zeitnah“ ist wirklich ganz ernst gemeint.

(Zuruf von der SPD)

– Genau; kommt an.

Das heißt, Gesetze und Verordnungen zu beschließen, Finanzierung zu sichern und damit Verlässlichkeit zu dokumentieren: für Landwirte, die finanzieren müssen und bauen wollen, für Kommunen, die genehmigen wollen und müssen, für Verarbeiter, Zulieferer, Verkauf, Gastronomie und Kantinen, die kennzeichnen müssen, und für viele andere Bereiche, auf die Umstellungen und Anpassungen noch zukommen.

Alle sind darauf angewiesen, dass die Rahmenbedingungen im nächsten Jahr absehbar sind, um sich darauf vorzubereiten und einzustellen. Es besteht eine sehr ausgeprägte Erwartungshaltung, viel Skepsis nach so vielen Enttäuschungen und eine enorme Bereitschaft, sich auf die Zukunft einzulassen. Das hier ist der erste Schritt, und ich freue mich auf die weiteren.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7549468
Wahlperiode 20
Sitzung 76
Tagesordnungspunkt Tierhaltungskennzeichnung
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