Luiza Licina-BodeSPD - Tierhaltungskennzeichnung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Die Landwirtschaft steht vor einem Neuanfang. Eine neue Ära beginnt mit diesem Gesetzentwurf.
(Lachen des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU])
– In Ihre Richtung gesagt: Wir machen es jetzt einfach. Wir wollen mit dem Reden aufhören.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland soll mit diesem Gesetzentwurf auf den Weg gebracht werden. Der Gesetzentwurf schafft eine staatliche Nutztierhaltungskennzeichnung für Frischfleisch. Gekennzeichnet werden fünf verschiedene Haltungsformen, beginnend mit Schweinefleisch: Stallhaltung, Stallhaltung+, Haltung im Frischluftstall, die Auslaufhaltung bzw. die Freilandhaltung und die Biohaltung. Mit der staatlichen Haltungskennzeichnung wollen wir beim Einkauf für Verbraucher/-innen transparente und gezielte Kaufentscheidungen ermöglichen und zugleich den Tierschutz stärken.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn wir ein Überleben der Tierhaltung in Deutschland langfristig sichern wollen, brauchen wir die gesellschaftliche Akzeptanz. Die können wir nur erreichen, wenn die Nutztierhaltung für die Tiere genug Platz, Licht, Auslauf, Beschäftigung und Hygiene im Stall vorhält. Die Bilder aus den Betrieben, wo Tiere vernachlässigt oder misshandelt werden, die in den letzten Wochen und Monaten immer wieder durch die Medien gingen, zeigen ganz deutlich, dass wir endlich handeln müssen. Wir brauchen mehr und effizientere Kontrollen in den Betrieben. Und wir müssen auch Straftaten zulasten von Tieren konkret und konsequent verfolgen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Von 2023 bis 2026 haben wir für den Umbau der Tierhaltung insgesamt 1 Milliarde Euro vorgesehen. Davon werden 2023 über ein neues Bundesprogramm für den Anfang 150 Millionen Euro für Stallumbauten und den tiergerechten Umbau zur Verfügung gestellt. Der Nutztierhaltung geben wir damit Planungssicherheit bei den Kosten für den Umbau und auch bei den laufenden Mehrkosten in den Ställen, was hoffentlich für mehr Tierwohl sorgen wird.
Zur Finanzierung werden derzeit unterschiedliche Modelle diskutiert. Ich möchte heute bei Ihnen noch mal für das bürokratiearme Modell der Steuererhöhung werben; denn regelmäßige Steuereinnahmen lassen uns den Umbau in der Landwirtschaft langfristig und sicher finanzieren. In vielen Gesprächen, die ich mit Landwirtinnen und Landwirten geführt habe, wurde meines Erachtens deutlich, dass das eine berechtigte Forderung ist, bevor wir neue Bürokratiemonster schaffen. Parallel können wir überlegen – das ist auch schon oft Thema gewesen –, die Steuersätze auf Obst und Gemüse herunterzusetzen und diese wichtige Maßnahme auch gesundheitspolitisch zu flankieren.
Als Tierschutzbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion ist mir aber besonders wichtig, dass die Kennzeichnung am Ende das hält, was sie verspricht. Eine Kritik, die angebracht wurde, war, dass wir überlegen müssen, nicht nur die Mastphase staatlich zu kennzeichnen, sondern in dem Zusammenhang auch den kompletten Lebenszyklus in den Blick zu nehmen und vom Gesetzentwurf erfassen zu lassen. Die Geburt, die Aufzucht der Ferkel, die Mast, den Transport und die Schlachtung müssen wir einbeziehen. Wir müssen den Sauenhaltern und der Ferkelzucht hier in Deutschland eine Perspektive geben, dass sie von dem Förderprogramm profitieren und für die Tiere mehr Tierschutz ermöglichen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Bei der Kennzeichnung selber besteht für meinen Geschmack auch ein wenig Handlungsbedarf. Auslauf- und Freilandhaltung sollten für mich nicht auf einer Ebene nebeneinanderstehen. Die entsprechenden Änderungen in der Nutztierhaltungsverordnung müssen wir unbedingt konkretisieren. Wir müssen definieren, wie ein Auslauf beschaffen sein soll, damit wir am Ende überhaupt feststellen können, ob Auslauf- und Freilandhaltung vergleichbar sind und nebeneinanderstehen können. Denn wer aktuell Tiere in einem geschlossenen Stall hält und lediglich eine Wand entfernt, davor eine kleine Betonplatte zementiert und einen sogenannten Auslauf anbietet, der würde mit dieser kleinen Maßnahme von der Stallhaltung in die Freiland- und Auslaufhaltung gelangen. Das suggeriert am Ende vielleicht etwas, was wir den Verbrauchern nicht suggerieren sollten: ein sogenanntes Tierwohl, das auf dieser Ebene eigentlich gar nicht gegeben ist. Die Freilandhaltung ist eben nach Tierhaltungsgesichtspunkten eine Premiumhaltung. Deshalb muss diese meines Erachtens für sich stehen. Oder wir müssen überlegen, ob diese nicht neben der Biohaltung stehen sollte.
Mehr Tierwohl bedeutet auch – das ist ein Punkt, den ich gerne noch ansprechen möchte –, zu überlegen, bei allen Haltungsstufen zwingend Liegebereiche mit eingestreutem Stroh vorzuschreiben. Tiere, die dauerhaft auf Betonplatten oder auf Spalten liegen, das muss endlich der Vergangenheit angehören, weil auch Tiere ein Recht darauf haben, mal weich liegen zu dürfen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Außerdem hat sich im Gespräch mit vielen Landwirtinnen und Landwirten herausgestellt, dass Stroh auch Beschäftigungsmaterial ist und das natürliche Verhalten von Schweinen in den Ställen fördert, wodurch sich auch das immer wieder auftretende Ringelschwanzbeißen maßgeblich reduziert, wenn wir diese Maßnahme für alle Haltungsstufen ergreifen.
Staatliches Geld für den Umbau gibt es nur einmal, liebe Kolleginnen und Kollegen. Deshalb werden wir in den nächsten Wochen darüber sprechen müssen, die Anforderungen so hoch wie möglich zu schrauben, damit wir am Ende da ankommen, wo wir ankommen wollen, und möglichst viel Tierwohl erreichen.
Für die Verbraucher/-innen ist die Erweiterung der Kennzeichnung auf die Außer-Haus-Verpflegung, Gastronomie und verarbeitete Produkte wichtig. Da werden wir in den kommenden Gesprächen auch noch mal nachjustieren. Es ist eben so, dass kein Gesetz so aus dem Parlament rausgeht, wie es reingekommen ist; das wissen wir alle. In diesem Sinne wünsche ich mir, dass dieses Gesetz entscheidend dazu beiträgt, Tierschutz, Transparenz für Verbraucher/-innen und am Ende auch Planungssicherheit für unsere Landwirtschaft zu gewährleisten. Wir werden das Realität werden lassen. Das Fundament ist durch den Gesetzentwurf des BMEL gelegt. Ich freue mich auf die Beratungen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Für die AfD-Fraktion hat das Wort Peter Felser.
(Beifall bei der AfD – Stephan Protschka [AfD]: Guter Mann! Jetzt kommt Vernünftiges!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7549479 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 76 |
Tagesordnungspunkt | Tierhaltungskennzeichnung |