Nezahat BaradariSPD - Aktuelle Stunde - Krise in den Kinderkliniken
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eins vorneweg: Als Berichterstatterin meiner Fraktion für Kinder- und Jugendgesundheit und auch als praktizierende Fachärztin für Kinder und Jugendliche möchte ich der Opposition dafür danken, dass sie der schwierigen Lage der Kinderkliniken in Deutschland mit dieser Aktuellen Stunde noch einmal die dringend notwendige Aufmerksamkeit verschafft.
Es ist aber natürlich nicht so, als wäre dies den Regierungsfraktionen nicht schon längst bekannt. Die aktuelle Welle an RSV-Infektionen und anderen grippalen Virusinfektionen wirft ein Schlaglicht auf einen Sektor, der schon lange unterfinanziert und unterbesetzt ist und der besonders unter den Fehlentwicklungen sowohl im ambulanten als auch im stationären pädiatrischen Bereich gelitten hat.
Bereits im Krankenhauspflegeentlastungsgesetz haben wir deshalb Maßnahmen ergriffen – das wurde schon oftmals hier erwähnt –, um den Kinderkliniken und Geburtsstationen kurzfristig Hilfen zur Verfügung zu stellen. Für die nächsten zwei Jahre werden wir insgesamt 840 Millionen Euro für deren Finanzierung zur Verfügung stellen, und wir führen die PPR 2.0 für Pädiatrie plus Intensiv ein.
Diese kurzfristigen Reformen haben wir bereits auf den Weg gebracht.
(Ates Gürpinar [DIE LINKE]: Drei Jahre sind nicht kurzfristig!)
Die langfristigen Pläne, die künftig Notlagen wie die aktuelle verhindern werden, sind längst in Arbeit.
Letzte Woche stellte die Regierungskommission ihre dritte Stellungnahme und Empfehlung für eine grundlegende und moderne Krankenhausreform vor. Die Vorschläge beinhalten eine bedarfsgerechte Krankenhausversorgung mit Vorhaltepauschalen in Höhe von 60 Prozent für die Pädiatrie – auch das wurde schon hier genannt –, die Herausnahme der Pflegebudgets und reformierte DRGs, also reformierte Fallpauschalen. Ich begrüße diese Vorschläge.
(Beifall bei der SPD)
Aber wer glaubt, allein durch eine sofortige Abschaffung der Fallpauschalen würden plötzlich paradiesische Zustände in die deutschen Krankenhäuser und Kinderkliniken einkehren, der irrt gewaltig.
(Zuruf von der LINKEN: Von „paradiesisch“ hat keiner gesprochen!)
Inzwischen sind wohl viele zu jung, um sich noch an die damals durchaus guten Gründe für die Einführung der Fallpauschalen zu erinnern. Die 80er- und 90er-Jahre waren mitnichten die goldenen Zeiten der stationären Versorgung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)
Mit den Reformplänen wollen wir die leider entstandenen Fehlanreize, die im aktuellen System der Fallpauschalen enthalten sind, abbauen und somit die Fehlentwicklungen der letzten 20 Jahre korrigieren.
(Zuruf der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])
Wir wollen aber nicht einfach die Uhr zurückdrehen und mit der Gießkanne Geld über Deutschland ausschütten.
(Lachen des Abg. Ates Gürpinar [DIE LINKE] – Heidi Reichinnek [DIE LINKE]: Sie schütten das Geld an die Großkonzerne aus! Das ist das Problem!)
Auch die Fachgesellschaften aus dem Bereich Kinder- und Jugendmedizin – und mit denen rede ich wirklich sehr oft – betonen immer wieder: Es muss nicht um Quantität, sondern um Qualität gehen; denn nichts Geringeres verdienen unsere Kinder.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
– Da darf man durchaus mal applaudieren.
Wir müssen den Fachkräftemangel angehen, auch wegen der demografischen Herausforderungen, die massiv auf uns zukommen. Es gibt beispielsweise in Berlin und Brandenburg schon jetzt 15 Prozent weniger Kinderkrankenpflegefachpersonal, als benötigt würde. Und dieser Trend wird sich durch den Renteneintritt der Babyboomergeneration weiter verstärken, wohlgemerkt bei einem gleichzeitigen Anstieg der Geburten in den vergangenen zehn Jahren.
Die Länder stehen hier genauso in der Pflicht. Sie müssen mehr Medizinstudienplätze anbieten, überhaupt Ausbildungsplätze für Kinderkrankenpflege zur Verfügung stellen und ihren Part bei der Krankenhausreform und den Investitionskosten übernehmen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Ates Gürpinar [DIE LINKE])
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Krankheitsbilder der Kinder sind komplexer geworden. Die Pädiatrie hat sowohl bei der großen Anzahl der Geflüchteten in den Jahren 2015 und danach und auch jetzt in der Ukrainekrise ihr Bestes getan, um viele Kinder gut zu versorgen, in den niedergelassenen Kinderarztpraxen und in den Kinderkliniken. Daher möchte ich an dieser Stelle meinen besonderen Dank an alle Beschäftigten in der Pädiatrie richten, insbesondere an Kinderkrankenpflegerinnen und ‑pfleger, an die Medizinischen Fachangestellten und an die Kinderärztinnen und ‑ärzte in unserem Land.
(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Abschließend kann man sagen: Gut, dass wir dieses wichtige Thema endlich ins Plenum tragen und darüber debattieren. Wir sind uns als Koalition der Probleme bewusst, aber wir lassen keine politischen Schnellschüsse los, sondern verfolgen akribisch unsere Ziele: die Stärkung der Pflege, die Ambulantisierung und eine Finanzierung, die sich an Bedarf und Qualität orientiert. Wir lassen kein Kind zurück.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Jetzt erhält das Wort der Kollege Erich Irlstorfer für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7549528 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 76 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Krise in den Kinderkliniken |