Nicole WestigFDP - Aktuelle Stunde - Krise in den Kinderkliniken
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Laut RKI leidet fast jeder Zehnte hierzulande aktuell an einer Atemwegserkrankung, beinahe 9 Millionen Menschen. Besonders betroffen sind Schulkinder zwischen 5 und 14 Jahren. Säuglinge und Kleinkinder leiden unter dem RS-Virus, viele mit schweren Verläufen. Das führt zu alarmierenden Nachrichten aus unseren Kinderkliniken. Viele haben keine freien Betten mehr, zu oft müssen schwerkranke Kinder in weit entfernte Kliniken gebracht werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eine Entwicklung, die uns alle entsetzt. Gleichwohl kommt sie nicht überraschend. Dass Kinder sich nach Maskenpflicht und Lockdowns nun vermehrt infizieren und Atemwegserkrankungen regelrecht nachholen, war zu erwarten. Dass völlig unabhängig davon die Kinderkliniken und Kinderstationen in unserem Land große Schwierigkeiten haben, war seit Langem bekannt. Trotzdem hat es über viele Jahre hinweg keine gesetzgeberische Initiative gegeben, um hier entgegenzuwirken.
(Marianne Schieder [SPD]: Ja, genau!)
Die Ampelregierung war sich schnell einig, an dieser Situation etwas zu ändern. In der Pädiatrie kurzfristig für eine auskömmliche Finanzierung zu sorgen, haben wir in unserem Koalitionsvertrag festgehalten.
(Beifall bei der FDP – Ates Gürpinar [DIE LINKE]: Aber nicht umgesetzt!)
Mit dem gerade verabschiedeten Krankenhauspflegeentlastungsgesetz sind wir den ersten Schritt in diese Richtung gegangen und unterstützen die Kinderkliniken mit jeweils 300 Millionen Euro in den nächsten zwei Jahren.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Klar kommt dieser Schritt für diesen Winter zu spät. Doch er ist getan, und die Kinderkliniken wissen das sehr zu schätzen. Durch die extrem heterogene Patientengruppe haben Kinderkliniken enorme Vorhaltekosten. Sie müssen gleichermaßen vorbereitet sein auf das 300 Gramm leichte Frühgeborene wie auf den übergewichtigen Teenager. Diese Kosten lassen sich durch die Fallpauschalen nicht abdecken, und deshalb entlasten wir hier.
Schon bald werden weitere Schritte folgen. Wir müssen dahin kommen, die Versorgungsstruktur aus Sicht der Familien zu denken. Auch deshalb werden wir die Richtung hin zu mehr Ambulantisierung einschlagen. Menschen werden zu Hause am besten gesund, und das gilt insbesondere für Kinder. „ Wir würden kein Kind länger als notwendig bei uns lassen; denn das macht kein Elternteil mit“, höre ich dazu aus der Kinderklinik Sankt Augustin in meinem Wahlkreis. Wenn die Kinder jedoch stationär bleiben müssen, dann sind heutzutage die Eltern bei ihnen. Darauf sind viele Kinderkliniken baulich aber nicht ausgerichtet: zu kleine Zimmer, verkommene Bausubstanz.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen eine Investitionsoffensive für unsere Kinderkliniken. Der Bund geht den ersten Schritt mit der dringend notwendigen finanziellen Unterstützung bei den Vorhaltekosten. Weitere müssen folgen; aber da sind auch die Länder gefragt.
(Dr. Andrew Ullmann [FDP]: Genau!)
Sie müssen nachholen, was sie in den vergangenen Jahren an Investitionen versäumt haben.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Doch selbst wenn wir künftig finanziell besser ausstatten und auch endlich mehr investieren, stehen wir weiterhin vor einem Problem; denn, meine Damen und Herren, Betten pflegen keine Patienten. Auch in unseren Kinderkliniken herrscht akuter Personalmangel. Fast 40 Prozent der Kinderintensivbetten können laut DIVI deshalb nicht betrieben werden. Deshalb müssen wir auch noch einmal auf die Pflegeausbildung schauen, ja, aber nicht das Rad zurückdrehen.
Aktuell gibt es nicht genug Ausbildungsplätze mit dem Vertiefungsschwerpunkt Pädiatrie. Hier sollten wir Anreize setzen, damit die Träger sich ihrer Verantwortung bewusst werden und mehr anbieten. Wir brauchen tragfähige Einarbeitungskonzepte für die erforderliche Spezialisierung nach der generalistischen Ausbildung. Hier müssen wir uns jetzt auf den Weg machen und für ein nahtloses Weiterbildungskonzept sorgen. Hierzu wünsche ich mir schnell entsprechende Bund-Länder-Gespräche.
Einige Kommunen gehen schon mit gutem Beispiel voran. Zum Beispiel kooperieren in der Stadt Dortmund die Pflegeschulen bei der Einsatzplanung trägerübergreifend, um allen Auszubildenden sinnvolle pädiatrische Einsätze zu ermöglichen, teilweise auch mit pädiatrischer Vertiefung. Ein Modellprojekt der Akademie der München Klinik gGmbH wird mit einem Konzept für kurze, aber intensive pädiatrische Einsätze der hohen Anzahl an benötigten Plätzen gerecht. Das kann sicher als Best-Practice-Beispiel dienen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sehen, wie komplex die Schwierigkeiten für unsere Kinderkliniken sind. Die bloße Forderung nach einer Abschaffung der Fallpauschalen wird dem in keiner Weise gerecht und macht keinen Sinn.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Unterstützung bei den Vorhaltekosten durch den Bund –
Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Kollegin.
– da bin ich gleich –, eine Investitionsoffensive durch die Länder und die Sicherung der Vertiefung im Bereich Krankenpflegeausbildung, das macht Sinn.
Meine Damen und Herren, im Namen von uns allen möchte ich allen, –
Sie müssen jetzt wirklich zum Schluss kommen.
– die aktuell und vor allem an den kommenden Weihnachtsfeiertagen unser System der Gesundheit am Laufen halten, ganz herzlich danken.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Und zum Abschluss dieser Debatte erhält Tina Rudolph für die SPD-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7549530 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 76 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Krise in den Kinderkliniken |