15.12.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 76 / Zusatzpunkt 8

Tina RudolphSPD - Aktuelle Stunde - Krise in den Kinderkliniken

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Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon spannend, für welche Bandbreite an Themen man so eine Aktuelle Stunde nutzen kann, angefangen bei mal wieder unverhohlener, unsachgemäßer und unwissenschaftlicher Kritik an Coronaimpfungen und ‑schutzmaßnahmen bis hin zu, sorry, einem letzten Aufgebot, weil einem die Felle wegschwimmen, da sich eine langjährige politische Forderung gerade vor Ihren Augen durch Regierungshandeln erledigt.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Widerspruch bei der LINKEN – Dr. Christos Pantazis [SPD]: Den Nagel auf den Kopf getroffen!)

Zum ersten Punkt. Liebe Fraktion rechts außen, fühlen Sie sich bitte nicht zu sehr angesprochen. Ich sage das nicht für Sie, sondern eher für diejenigen, die uns zuschauen und vielleicht auch verunsichert sind durch das, was gerade in einigen Medien berichtet wird, nämlich dass wir aktuell eine besonders starke Grippe- und RSV-Welle haben, die mit den Coronaimpfungen zusammenhängen könnte, oder dass die Maskenpflicht dazu führt, dass Grippe- und RSV-Infektionen jetzt nachgeholt würden.

Es ist aber so, dass die genannten Erkrankungen immer wieder in Wellen auftreten; bei der Grippe ist die Saison 2016/17 zu nennen, aber auch die Saison 2017/18. Und was das RS-Virus angeht, sind die Kinderkliniken – das ist leider immer so; der Kollege Wagner hat es ja auch ausgeführt – jedes Jahr in einer angespannten Situation. Also, hier einen Zusammenhang mit Coronaimpfungen oder Masken herzustellen, ist einfach viel zu kurz gegriffen und sachlich falsch.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Was sein kann, ist, dass es in diesem Jahr eine Menge RSV-Fälle gibt, auch deshalb, weil es letztes Jahr eine Maskenpflicht gab. Aber hierzu ist zu sagen, dass das für Kinder insgesamt gut ist, weil das RS-Virus gerade im ersten Lebensjahr einen verheerenden Schaden anrichten und den schlimmsten Krankheitsverlauf verursachen kann. Daher ist es gut, selbst wenn es sich um nachgeholte Krankheitsfälle handelt, dass die Infektionen nicht eher entstanden sind. Also hören Sie bitte auf, zu verbreiten, dass man das Immunsystem einfach nur mit irgendwas konfrontieren muss, und dann wird das Ganze schon.

(Dr. Christina Baum [AfD]: Das sind Zitate von Ärzten gewesen!)

Es war mir ein Bedürfnis, das zu sagen,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

weil ich glaube, dass wir uns hier um Wissenschaftlichkeit und Richtigstellung bei solchen Fragen bemühen müssen.

Jetzt zum eigentlichen Thema, dazu, dass die DRGs abgeschafft werden sollen, dass wir das Primat der Fallpauschalen im Gesundheitswesen natürlich überwinden müssen. Aber der Aufhänger, liebe Linksfraktion, ist ja die aktuelle Situation. Ich glaube, niemanden lässt die aktuelle Situation in den Kinderkliniken kalt. Wer die Berichte darüber im Fernsehen sieht oder mit ärztlichen oder pflegerischen Kolleginnen und Kollegen redet, den lässt das nicht kalt. Es ist nicht so, dass wir eine solche Situation zum ersten Mal haben, sondern es ist seit Jahren leider so, dass in Kinderkliniken meist im Herbst eine sehr, sehr prekäre Situation herrscht. Wir wissen – das haben wir gesehen –, dass das System der Fallpauschalen dazu geführt hat, dass auch und gerade auf den Kinderkliniken in den letzten Jahren ein enormer Kostendruck lag, der unter anderem dazu geführt hat, dass viele geschlossen wurden, es also immer weniger Kinderkliniken gibt. Das heißt, hier ist dringend Handeln erforderlich.

Es ist allerdings nicht redlich, zu behaupten, dass, wenn wir uns heute darauf einigen würden oder wenn wir einem der Anträge auf Abschaffung des DRG-Systems zugestimmt hätten – in Klammern stelle ich die Frage: und was dann? –, sich die Situation dadurch schlagartig verbessert hätte oder verbessern würde.

(Thomas Lutze [DIE LINKE]: Das behauptet auch niemand! Kein Mensch sagt das!)

Die Situation wird sich aber unmittelbar dadurch verbessern – man darf jedoch nicht erwarten, dass das morgen passiert –, dass wir die Kinderkliniken finanziell entlasten, was wir schon ab Beginn des nächsten Jahres tun werden. Das ist für politische Prozesse sehr schnell.

(Ates Gürpinar [DIE LINKE]: Haben Sie jetzt alles umgesetzt, oder haben Sie es nicht umgesetzt?)

Natürlich wird auch kurzfristig etwas getan; es wird etwa versucht, Personal auf andere Stationen umzuschichten, was sein muss; wir wissen, dass wir damit viel abverlangen. Wir wissen, dass das gerade für das Personal schwierig ist, nachdem wir von einer Coronawelle in die nächste und jetzt eben auch noch in eine RSV-Welle gekommen sind.

Und trotzdem: Diese Regierung geht das Problem sowohl kurzfristig durch eine finanzielle Besserstellung der Kinderkliniken, aber auch langfristig durch die Überwindung des Primats der Fallpauschalen an.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Diese Regierung mit diesem Gesundheitsminister hat den Mut, einen validen Vorschlag dafür vorzubringen. Es ist das erste Mal seit Jahren, dass das passiert. Es wird nicht nur die Forderung geäußert, die Fallpauschalen abzuschaffen, sondern es wird auch ein wirklicher Gegenfinanzierungsvorschlag gemacht. Wir wissen, wo wir damit hinwollen, und wir gießen das Ganze in eine große Reform des Gesundheitswesens. Deswegen: Ich danke Ihnen, Herr Minister, dass Sie den Mut hatten, die Regierungskommission einzusetzen, die schon nach einem Jahr viele enorm gute Vorschläge vorgelegt hat, von denen die ersten bereits in die Umsetzung gehen. Ich danke Ihnen, Herr Minister, auch dafür, dass Sie den Mut haben, eine große Krankenhausreform anzustreben. Und ich danke Ihnen jetzt schon für die Beharrlichkeit, die das Ganze erfordern wird; denn das ist kein leichtes Unterfangen. Wir streben tiefgreifende Strukturreformen an: vom Primat der Fallpauschalen zu einer besseren Finanzierung der Vorhaltekosten, zu einer besseren Strukturfinanzierung. Wir wollen aber auch zu generellen Strukturumbrüchen kommen, indem wir Kliniken in Versorgungsstufen unterteilen.

All das wird Mut und Tatkraft erfordern. Aber wenn es einfach wäre, könnte es jeder. Wir müssen in dieser Legislatur damit anfangen. Wir müssen es schaffen, das Gesundheitssystem gut und zukunftsfähig aufzustellen. Herr Minister, dabei haben Sie unsere volle Unterstützung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns diese Reform angehen!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Andrew Ullmann [FDP]: Beste Koalition ever!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7549531
Wahlperiode 20
Sitzung 76
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Krise in den Kinderkliniken
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