Stephan ThomaeFDP - Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Heute bringen wir als Fortschrittkoalition zu einem guten Ende,
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)
was die unionsgeführte Vorgängerregierung in der letzten Wahlperiode nicht mehr geschafft hat. Denn eigentlich hätte die europäische Hinweisgeberrichtlinie bereits bis zum 17. Dezember 2021, also morgen vor einem Jahr, umgesetzt werden müssen. Heute beschließen wir als Deutscher Bundestag das Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen und schaffen dadurch endlich mehr Rechtssicherheit, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Denn Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber leisten einen wichtigen Beitrag zur Aufdeckung und Ahndung von Missständen und gesetzlichen Verstößen, sind aber bislang oft nur sehr unzureichend geschützt. Die allermeisten Unternehmen handeln natürlich ohnehin nach Recht und Gesetz, schaffen Arbeitsplätze, sorgen für Wohlstand im Land, und sie haben zudem selbst ein Interesse daran, dass Missstände im eigenen Unternehmen erkannt und angezeigt werden, um sie selbst schnellstmöglich zu beheben. Ein effektives Meldeverfahren und ein entsprechendes Compliance-Management sind daher keine Schikane, sondern eine echte Chance für Unternehmen, noch besser zu werden, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Viele Unternehmen haben das schon längst selbst erkannt und entsprechende Vorkehrungen getroffen, haben bereits Compliance-Abteilungen und Hinweisgebersysteme geschaffen. Mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf sorgen wir für den notwendigen Schutz hinweisgebender Personen, ohne dabei Unternehmen unnötig zu belasten.
Rechtssicherheit und Praxistauglichkeit – das waren die größten Herausforderungen bei der Umsetzung der europäischen Richtlinie. Der Bundesjustizminister und sein Haus haben aus der Richtlinie schon einen sehr, sehr guten Gesetzentwurf gemacht. Vielen Dank für die Vorarbeiten hierfür! In der Koalition haben wir den Entwurf noch einmal intensiv und sehr konzentriert beraten und noch an einigen Stellen ein paar weitere Verbesserungen vornehmen können. Dafür auch meinen Dank an meinen Berichterstatterkollegen Fiedler und Kollegen Dr. Steffen!
(Beifall der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Auf ein paar Punkte, die mir wichtig sind, möchte ich jetzt noch kurz eingehen:
Erstens. Wir ermöglichen Konzernmeldewege. Das ist extrem wichtig und in der Sache auch völlig richtig. Natürlich macht es Sinn, dass in einem Konzern, aber auch bei Organisationen wie dem Deutschen Roten Kreuz nicht jede kleinste Einheit mit gerade mal 50 Mitarbeitern eine eigene Meldestelle einrichten muss. Es ist doch die Konzernzentrale, die Leitung des Ganzen, die wissen muss, was bei ihren Tochterunternehmen vor sich geht, um hier Abhilfe zu schaffen.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Zweitens. Wir schaffen Anreize dafür, dass sich der Hinweisgeber zunächst an den internen Meldeweg halten soll.
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Der muss gut versteckt sein, der Anreiz!)
Denn eigentliches Ziel ist es doch nicht, dass jemand extern und öffentlich angeprangert wird, sondern dass intern bekannt wird: Wir haben bei uns im Unternehmen Missstände. Und die wollen wir selbst abstellen.
Drittens. Wir sehen nun vor, dass auch anonyme Meldungen bearbeitet werden müssen, und zwar nicht nachrangig zu nicht anonymen Meldungen. Denn es macht doch keinen Sinn, wenn ein Unternehmen zum Beispiel auf anonymem Wege von gravierenden Missständen Kenntnis erhält, das aber zurückstellen muss, weil andere, nicht anonym gemeldete Bagatellen zunächst einmal bearbeitet werden müssen.
Viertens. Gerade nach den Erkenntnissen über rechtsextreme Chatgruppen in Behörden und im Zusammenhang mit den Razzien in der Reichsbürgerszene ist es doch absolut richtig, dass Hinweisgeber auch geschützt werden müssen, wenn sie Verstöße gegen die Pflicht zur Verfassungstreue in Behörden melden. Extremisten, Reichsbürger, Faschisten, Neonazis haben in unseren Behörden einfach nichts verloren, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE])
Lassen Sie mich abschließend noch Stellung nehmen zu einigen Befürchtungen, die in der Öffentlichkeit geschürt worden sind:
Erstens. Das Hinweisgeberschutzgesetz fördert kein Denunziantentum. Es schürt auch keinen Generalverdacht gegen Unternehmen. Vielmehr schafft das Gesetz die rechtlichen Voraussetzungen dafür, dass zunächst Unternehmen selbst von Fehlentwicklungen und Missständen Kenntnis erhalten und selber die Möglichkeit haben, diese Missstände abzustellen.
Der Hinweisgeberschutz greift dann nicht, wenn Hinweisgeber bewusst Falschmeldungen nach außen geben. Die Unternehmen selber sagen uns doch: Wir gehen ja ohnehin allen Hinweisen nach, völlig egal, ob sie im Anwendungsbereich des Gesetzes liegen oder außerhalb; denn für uns Unternehmen ist einzig entscheidend, ob es sich um substantiierte Hinweise handelt.
Ein abschließendes Wort an die Union. Was ich mir gewünscht hätte, wäre gewesen, dass die Union dieses Vorhaben konstruktiver, positiver begleitet hätte.
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Noch positiver? Noch konstruktiver?)
Denn wir bringen hier zu Ende, was Sie in Ihrer Zeit nicht geschafft haben.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das lag an der SPD!)
Schade, dass wir auf Ihre Hilfe nicht vertrauen konnten!
Mein Dank geht an den Justizminister, an das Ministerium und an die Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen der Koalition für die wertvolle Mitarbeit. Ich bedanke mich und freue mich, dass wir heute dieses Gesetz verabschieden können.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Dr. Martin Plum.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7549666 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 77 |
Tagesordnungspunkt | Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen |