16.12.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 77 / Zusatzpunkt 16

Sebastian FiedlerSPD - Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen

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Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Interessierte! Das ist eigentlich eine ganz gute Gelegenheit, ein paar Dinge noch mal zurechtzurücken und sozusagen das Gesamtbild noch einmal zu schärfen. Denn es ist ja so: Wir stehen deswegen erst heute hier, weil in der letzten Legislatur mit der Union leider nichts hingekriegt worden ist. Wir hätten eigentlich schon vor anderthalb Jahren ein Gesetz haben können, wenn das mit Ihnen gegangen wäre.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wer hatte da noch mal das Justizministerium?)

Dazu habe ich aber von Ihnen gar nichts gehört.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wer war denn da Justizminister?)

Bürokratie war das Hauptthema.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich finde, wir haben ein ganz gutes Gesetz hingekriegt. Das gibt mir jetzt die Gelegenheit, das noch einmal auch für alle Interessierten, die sich nicht mit allen Details beschäftigt haben, in den gesamten gesellschaftlichen Rahmen einzuordnen. Ich glaube, das ist nämlich wichtig. Denn man muss erklären: Wir haben uns in der Gesellschaft gewissen Normen und Werten verschrieben. Gesetze kommen demokratisch zustande. Normengerechtes Verhalten der Menschen trägt dazu bei, dass wir im gesellschaftlichen Frieden leben können, und das ist eigentlich etwas, was insgesamt zu selten diskutiert wird. Wir sprechen viel über gesellschaftlichen Zusammenhalt, und das eine hat mit dem anderen schon sehr viel zu tun.

Wir haben ganz viele Regulative in der Gesellschaft. Wir haben das im ganz Kleinen, in der Familie; da nennt man das „Erziehung“, wenn Verstöße gegen Normen passieren. Wir haben das in Organisationsformen: Wir kennen Schiedsgerichte bei Parteien oder bei Vereinen. Und wir kennen das auch hier im Raum: Die Frau Präsidentin kann Ordnungsmaßnahmen erlassen. Ich bin heute, ehrlich gesagt, ganz froh, dass ich nicht vor 50 Jahren geredet habe; denn, wie ich gehört habe, vor 50 Jahren hätte ich einen Ordnungsruf gekriegt, weil ich keine Krawatte trage.

(Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, die Präsidentin hätte Ihnen eine mitgebracht!)

Also ist es offenbar so: Normen und Werte ändern sich auch.

Warum ich das alles erzähle? Das ist deswegen wichtig, weil – und das müssen wir noch einmal herausschärfen – es eben bestimmte Normen und Werte gibt, wo der Unrechtsgehalt so hoch ist, dass wir sagen: Wir haben Ordnungswidrigkeiten, Straftatenbestände definiert, und wir haben das Gewaltmonopol des Staates, also die staatlichen Organisationen damit betraut, diese entsprechend zu ahnden. Aber der Punkt, über den wir heute sprechen, ist die Frage der Aufdeckung, also: Wie kommt es überhaupt zur Aufdeckung? Es ist eben wichtig, dass diese Aufdeckung aus der Gesellschaft heraus kommt, weil wir das gerade nicht dem Gewaltmonopol überlassen wollen. Dann wären wir in einem Überwachungsstaat, so wie in China. Und das wollen wir eben alle nicht.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wenn wir jetzt über Hinweisgeber sprechen – „Whistleblower“ ist der englische Begriff –, dann ist das etwas aus der Normalität der Gesellschaft, aus der Normalität des Alltages. Eine Zahl: Etwa 90 Prozent der Strafverfahren, die bei der Polizei bearbeitet werden, kommen nur deswegen zustande, weil es Anzeigen und Hinweise gibt, und nicht etwa, weil die Ermittlungsbehörden etwas aufgedeckt haben. Zu den größten Skandalen, über die wir hier zu diskutieren hatten, ein paar Stichworte: Panama Papers, Paradise Papers, LuxLeaks, Suisse Secrets – also die größten Steuerfälle; unser Genosse Norbert Walter-Borjans könnte ein Lied davon singen, was das bedeutet.

(Stephan Brandner [AfD]: Was ist mit der Warburg Bank? Dazu kann Herr Scholz sicher was sagen!)

Da gibt es mehr Erfolge zu verzeichnen, als die größten internationalen Strafverfolgungsermittlungen überhaupt zu Tage gefördert hatten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Deswegen ist das sehr wichtig, und wir sollten die Gelegenheit nutzen. Lieber Herr Dr. Plum, dazu haben Sie keine Silbe verloren, dass es eben diesen mutigen Menschen und der Courage dieser Menschen zu verdanken ist. Sie genießen unseren Respekt und unsere Anerkennung und unseren allerhöchsten Dank, und ihnen gebührt ein großer Applaus an der Stelle.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Wir haben über das Gesetz geredet!)

Sie haben nur über Bürokratie geredet, keine Silbe darüber verloren, welchen wertvollen Beitrag Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber leisten.

Und wir müssen deswegen ein Gesetz machen, weil es eben Schwächen gibt, weil es immer mal wieder passiert, dass hinweisgebenden Personen Repressalien drohen; Sie werden zu Unrecht entlassen aus dem Unternehmen. Deswegen geht es im Prinzip in diesem Gesetz um zweierlei Dinge: Auf der einen Seite schützen wir hinweisgebende Personen vor Repressalien, und auf der anderen Seite verpflichten wir Organisationen dazu, entsprechende Stellen einzurichten, die professionell mit diesen Hinweisen umgehen können. Das ist ein wichtiger Punkt. Im Übrigen muss ich dem Bundesjustizminister selbstverständlich recht geben: Die unternehmensinterne Aufdeckung solcher Themen, solcher Korruptionsverfahren oder ähnlicher Straftaten dient natürlich der Wirtschaft, und das schützt die Wirtschaft. Es verhindert größere Skandale, und das ist doch eigentlich, finde ich, außerordentlich klar.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Und, liebe Union, das hätten wir alles schon haben können.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wer war denn der Justizminister?)

Christine Lambrecht hatte einen sehr guten Vorschlag gemacht und hatte schon Kompromisse vorgelegt, aber Sie wollten nur eine Eins-zu-eins-Umsetzung der EU-Regeln.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Ja, genau!)

Das hätte dazu geführt, dass selbst Meldungen zu Straftaten, zu Dingen, die wir hier als besonders verwerflich erachten, nicht zum Schutz von hinweisgebenden Personen geführt hatten.

(Zuruf des Abg. Dr. Günter Krings [CDU/CSU])

Sie machen da nach meiner Einschätzung offenbar ein paar Denkfehler. Deswegen ist es gut, dass das Struckʼsche Gesetz dazu beigetragen hat, dass jetzt gerade auch anonyme Meldungen verpflichtend bearbeitet werden müssen. Wenn Sie sich mit Unternehmensvertretern unterhalten hätten, hätten Sie gewusst, dass sie sowieso dort bearbeitet werden. Es gibt zahlreiche andere rechtliche Hintergründe, warum das – –

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Mit was für Unternehmen sprechen Sie denn eigentlich?)

– Mit allen Unternehmen, also wirklich, auch mit Mittelständlern. Ich weiß nicht, wo Sie unterwegs gewesen sind; Sie haben vielleicht nur in die Argumente in der alten Legislatur geguckt, sich aber nicht mit Praktikern unterhalten. Das haben wir getan. Wir haben sehr viel Arbeit investiert.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir schützen – das hat der Kollege Thomae zu Recht gesagt – gerade in diesen Tagen natürlich auch – und das hätten Sie schon dreimal nicht gewollt – hinweisgebende Personen, die Hinweise auf verfassungsuntreue Beamte geben. Also, muss ich das tatsächlich ernsthaft noch erklären in diesen Tagen, warum das von Bedeutung ist, dass wir Staatsdiener in Uniform – –

(Stephan Brandner [AfD]: Schauen Sie einfach mal auf die Regierungsbank! Da sitzen sie alle!)

– Herr Brandner, dass Sie sich trauen, angesichts dieser Themen hier überhaupt den Mund aufzumachen! Da gehören schon wirklich Mut und Courage zu!

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN – Stephan Brandner [AfD]: Ich traue mich sehr viel!)

Sie sind doch hier der Brandstifter! „ Nomen est omen“, kann ich nur sagen. Ohne Ihre rechte Grundlage hätten wir diese ganzen Verschwörungsextremisten wahrscheinlich gar nicht so.

(Thomas Seitz [AfD]: Nur Hass und Hetze hier! – Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])

– Hass und Hetze – genau! – aus dieser Fraktion hören wir hier jeden Tag im Plenum.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE])

Also, halten Sie sich lieber ein bisschen zurück!

Es ist an der Stelle gut und richtig, dass wir hinweisgebende Personen schützen, die Hinweise auf Beamte geben, auf die Sie mit Ihren rechten Strategien abzielen. Es ist auch deswegen wichtig, weil wir das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden stärken müssen. Das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden ist außerordentlich gut, aber es sind Durchschnittswerte. Und man muss mal sagen: Wenn Sie sich in einen Stadtteil begeben, wo Menschen und Familien mit einer Einwanderungsgeschichte leben, dann können Sie feststellen: Das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden ist dort nicht gut. Deswegen ist das eine von vielen Maßnahmen und Mosaiksteinen, mit denen wir das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden stärken. Das ist im Interesse der Sicherheitsbehörden.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das haben wir gar nicht kritisiert!)

Lassen Sie sich das ausgerechnet von mir gesagt sein; das ist wichtig. Deswegen müssen wir auch diesen Teil schützen. Den hätten Sie in der Vergangenheit nie mitgetragen.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Unterstellung! Unterstellung!)

Das ist ein gutes Gesetz. Stimmen Sie dem zu, dann tun Sie etwas Gutes.

Glück auf! Schöne Feiertage!

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Fabian Jacobi.

(Beifall bei der AfD)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7549668
Wahlperiode 20
Sitzung 77
Tagesordnungspunkt Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen
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