16.12.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 77 / Zusatzpunkt 12

Stephan ThomaeFDP - Stärkung der Bundespolizei

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich den Antrag der Union so durchliest, dann fühlt man sich, jedenfalls an ein paar Stellen, als wäre man in eine Kammer des Schreckens grenzenloser Überwachungs- und Eingriffsbefugnisse hineingeraten;

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es! – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Dann bist du aber sehr schreckhaft! – Philipp Amthor [CDU/CSU]: Oijoijoi! Heute tief in die Witzkiste gegriffen!)

denn Sie machen keinen Hehl daraus, dass Sie alle auch nur irgendwie denkbaren Befugnisse einführen und weitergeben würden, wenn man Sie nur lassen würde. Dabei sind Ihrer Fantasie keine Grenzen gesetzt: von der Befugnis zum Einsatz moderner Technik über die Nutzung von Gesichtserkennung an Bahnhöfen und Flughäfen bis hin zur Wohnraumüberwachung

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: An Kriminalitätsschwerpunkten! Genau lesen!)

und schließlich – fast schon erwartungsgemäß, wie auf ein Stichwort im Theater – die Befugnis zur Telekommunikationsüberwachung sowie die Befugnis zur sogenannten Quellen-TKÜ und zur Onlinedurchsuchung. Da fehlt nichts aus dem Szenario.

Aber es ist vieles dabei, was man sich in Bezug auf die Ausweitung von bundespolizeilichen Befugnissen gerade nicht wünscht. Denn der freiheitliche Verfassungsstaat macht von Eingriffsbefugnissen und Überwachungsbefugnissen wirklich nur sehr zurückhaltenden und maßvollen Gebrauch. Zudem verkennen Sie in Ihrem Antrag den Stellenwert, die Möglichkeiten, die Chancen, die Optionen eines unabhängigen Polizeibeauftragten, den Sie in Ihrem Antrag als überflüssig erachten.

So macht Ihr Antrag eines deutlich: Es ist gut, dass die FDP in Regierungsverantwortung ist zusammen mit den Grünen und der SPD.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU])

Denn mit uns wird es einen solchen rücksichtslosen und übrigens auch weitestgehend unnötigen Generalangriff auf die Bürgerrechte und auf unsere IT-Sicherheit, wie Sie ihn hier vorhaben, gerade nicht geben.

(Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Mir ist schon klar, dass da Vorbehalte sind!)

Mit diesem Antrag wird die Union einer vernünftigen Reform des Bundespolizeigesetzes nicht einmal im Ansatz gerecht. Es ist interessant, wie selbstbewusst die Union hier die Stärkung der Bundespolizei fordert;

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Weil Sie sie geschwächt haben!)

denn die wesentlichen Elemente des Bundespolizeigesetzes stammen aus dem Jahr 1994.

(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Muss man sich mal vorstellen!)

Damals hieß die Truppe noch „Bundesgrenzschutz“. Eigentlich wollte die letzte Große Koalition das Gesetz modernisieren,

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Sie hat es modernisiert!)

ist damit aber im Jahr 2021 gescheitert, nur zwei Monate vor der Bundestagswahl.

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Die Große Koalition hat es beschlossen, Kollege Thomae!)

Das heißt, damit, dass Sie das jetzt zu Ihrem Thema machen, zeigen Sie, wo Sie zuletzt stecken geblieben sind.

Während Sie die Bundespolizei in ihrer veralteten Gesetzesgrundlage zurückgelassen haben, werden wir die Modernisierung des Bundespolizeigesetzes jetzt anpacken.

(Lachen des Abg. Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU])

Denn die Koalition hat die Überarbeitung des Bundespolizeigesetzes

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Völlig entkernter Entwurf!)

zu einem ihrer wichtigsten Vorhaben gemacht. Wir wollen für eine gute Personal- und Sachausstattung sorgen, den Zustand der Liegenschaften verbessern und den Abbau von Überstunden fördern.

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Datenschutz und Drohnen! Das ist das Einzige, was noch drin ist!)

Vor allem der Zustand vieler Liegenschaften, die die Bundespolizei gerade in Bahnhöfen nutzt, ist für die Polizeibeamtinnen und ‑beamten untragbar. Wir müssen dafür sorgen, dass die notwendige Ausstattung und angemessene Unterbringung gewährleistet werden.

Einen letzten Punkt will ich noch anfügen; denn wir als FDP-Fraktion halten es für einen wichtigen Punkt, die Kompetenzen der Bundespolizei in Bezug auf Rückführungen dort zu stärken, wo Bundespolizeibeamte in ihrem Zuständigkeitsbereich, vor allem an Bahnhöfen, den unrechtmäßigen Aufenthalt einer Person feststellen. Dann sollte sie auch für die Rückführung zuständig sein.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Da sind wir uns einig!)

Da sind Zuständigkeitsfragen zwischen Bund und Ländern zu klären. Aber es ist sinnvoll und auch notwendig, dass dort, wo ausreisepflichtige Ausländer angetroffen werden, die Bundespolizei für die Rückführung sorgen kann. Das ist noch ein Punkt, den wir angehen wollen. Ansonsten werden wir dieses Thema im nächsten Jahr beherzt angehen.

Vielen Dank und Ihnen allen frohe Weihnachten und einen guten Start ins neue Jahr.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Nächste Rednerin: für die CDU/CSU-Fraktion Dr. Silke Launert.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7549688
Wahlperiode 20
Sitzung 77
Tagesordnungspunkt Stärkung der Bundespolizei
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