Martin PlumCDU/CSU - Verwaltungsgerichtsverfahren im Infrastrukturbereich
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir starten den Turbo – so haben Sie, Herr Minister Buschmann, den Gesetzentwurf angepriesen, über den wir heute beraten. Schaut man sich den Entwurf und die Stellungnahmen aus der Praxis dazu näher an, muss man feststellen: Dieser Gesetzentwurf ist für Verwaltungsgerichtsverfahren kein Turbo, sondern eine richtig lahme Ente.
(Beifall bei der CDU/CSU – Jan Korte [DIE LINKE]: Daran haben Sie aber lange gefeilt!)
Das liegt schon an den Motorteilen, die Sie einbauen wollen, um mehr PS in Verwaltungsgerichtsverfahren zu bringen. Diese Teile entpuppen sich beim genauen Hinsehen nicht als Zündkerzen, sondern als bloße Nebelkerzen. Das gilt allem voran für die Änderungen beim vorläufigen Rechtsschutz. Sie bringen – erstens – nichts Neues. Mängel können die Gerichte schon heute außer Acht lassen, wenn sie für das Ergebnis irrelevant sind. Die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung können sie schon heute beschränken. Und natürlich, selbstverständlich berücksichtigen die Gerichte schon heute bei ihrer Abwägung das öffentliche Interesse an Infrastrukturvorhaben. Zweitens schaffen die Änderungen beim vorläufigen Rechtsschutz durch unbestimmte Rechtsbegriffe wie „offensichtlich“ und „in absehbarer Zeit“ vollkommen unnötig neue Rechtsunsicherheit.
Und zu allem Überfluss bauen Sie dann auch noch zwei neue Bremsklötze in den Verwaltungsgerichtsprozess ein: den früheren Erörterungstermin und die mit Präklusion bewehrte zehnwöchige Klageerwiderungsfrist. Beides geht vollkommen an der gerichtlichen Praxis vorbei. Vielleicht hätten Sie statt der Stellungnahmen, die Sie eben aufgezählt haben, Herr Buschmann, einmal den Brief lesen sollen, den Ihnen das Bundesverwaltungsgericht im letzten Herbst geschrieben hat. Dann hätten Sie nämlich sehen können, dass, erstens, die Gerichte schon heute einen früheren Erörterungstermin anberaumen können, wenn sie es für sinnvoll halten, zweitens, dass ein solcher Termin in den seltensten Fällen sinnvoll ist, weil das Vergleichspotenzial in Verfahren über Infrastrukturvorhaben verschwindend gering ist. Drittens hätten Sie sehen können, dass ein solcher Termin für das Gerichtspersonal nur vollkommen unnötige Mehrarbeit schafft. Viertens hätten Sie auch erkennen können, dass das, was uns der Kollege Benner hier erzählt hat, dass die Behörden eine Bremse im Verfahren sind, gerade nicht zutrifft, sondern dass gerade die sich in der Regel an ihre Fristen halten. Tauschen Sie sich dazu mal mit Richtern an OVGs und am Bundesverwaltungsgericht aus.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Fünftens hätten Sie sehen können, dass diese Klageerwiderungsfrist dazu führen wird, dass die Gerichte noch dickere Akten bekommen werden, die Arbeitslast sich noch mal erhöht, und in Einzelfällen die Präklusion sogar dazu führen wird, dass unbegründete Klagen erfolgreich sein würden. Das alles führt in Summe nicht dazu, dass Verwaltungsgerichtsverfahren kürzer werden, sondern es führt dazu, dass sie länger dauern werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Und schließlich doktern Sie auch an den völlig falschen Stellen des Motors herum, um ihn flotter zu machen. Die Beschleunigungsmöglichkeiten sind bei Verwaltungsgerichtsverfahren über Infrastrukturvorhaben schon heute weitgehend ausgeschöpft. Beim Bundesverwaltungsgericht dauern sie in der ersten Instanz weniger als ein Jahr, nämlich elf Monate und vier Tage im Schnitt der letzten zehn Jahre. Wer hier noch schneller werden möchte, muss vor allem in Personal und in digitale Ausstattung investieren. Und an diesem Punkt werden Sie seit Monaten Ihrer Verantwortung und Ihren eigenen Versprechen aus Ihrem Koalitionsvertrag nicht gerecht. Ich zitiere: „Wir verstetigen mit den Ländern den Pakt für den Rechtsstaat und erweitern ihn um einen Digitalpakt Justiz.“
Wenn es Ihnen wirklich darum ginge, Infrastrukturvorhaben zu beschleunigen, dann würden Sie doch nicht ernsthaft im ersten Schritt bei den Verwaltungsgerichten anfangen, sondern bei den Planungsbehörden. Die behördlichen Verfahren dauern vier- bis fünfmal so lang wie die anschließenden Gerichtsverfahren. Hier liegen die wahren Gründe für überlange Planungs- und Genehmigungsverfahren. Und der Bahnkorridor Rotterdam–Genua, Herr Kollege Lieb, scheitert doch nicht an den Verwaltungsgerichten, er scheitert in den behördlichen Verfahren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Auch hier geht es um mehr Personal, um eine bessere digitale Ausstattung der Planungsbehörden. Und es geht auch darum, viel zu kleinteilige und völlig überbordende gesetzliche Regelungen, insbesondere aus dem Europa- und Völkerrecht, zu entschlacken, und diese Regelungen lähmen den Ausbau von Infrastruktur in unserem Land.
Ich wünsche Ihnen, lieber Herr Minister Buschmann, viel Erfolg dabei, diese Regelungen zu entschlacken. Ich wünsche Ihnen vor allem viel Durchsetzungskraft gegenüber Ihrem grünen Koalitionspartner; denn wir haben es heute schon wieder gesehen: Während Sie sagen, LNG-Terminals sind der Prototyp, sagt uns der Kollege Benner Minuten später: Das geht nicht überall. – Also schon wieder Blockade. Und dass ausgerechnet die Kollegen Benner und Gastel hier über marode Brücken und Schlaglöcher in Straßen fabulieren, setzt dem Ganzen noch die Krone auf. Denn an wem scheitert das vor Ort? An Bündnis 90/Die Grünen.
(Susanne Menge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sanierung scheitert an den Grünen? Was ist das denn?)
Und wer stellt sich auch hier dagegen, dass wir hier mehr Tempo gewinnen? Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Susanne Menge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Meine Güte! Unverschämt!)
Fazit: Ihr Gesetzentwurf ist besser im Papierkorb als in der parlamentarischen Beratung aufgehoben. Melden Sie diese lahme Ente ab, und bringen Sie sie schnellstmöglich auf den Schrottplatz; denn damit starten Sie bei der Beschleunigung von Infrastrukturvorhaben keinen Turbo, damit kommen Sie noch nicht einmal vom Fleck.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Robin Mesarosch.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7549916 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 79 |
Tagesordnungspunkt | Verwaltungsgerichtsverfahren im Infrastrukturbereich |