19.01.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 79 / Zusatzpunkt 4

Joe WeingartenSPD - Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Wehrbeauftragte! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die russische Regierung will die ukrainische Nation systematisch vernichten,

(Petr Bystron [AfD]: So ein Unsinn!)

das Land und seine Kultur brechen und auslöschen. Immer wieder sehen wir schreckliche Bilder russischer Angriffe auf ukrainische Städte. Sie verpflichten uns zu dem klaren Bekenntnis: Wir werden weiterhin alles tun, damit die Ukraine nicht untergeht, damit das ukrainische Volk in Frieden und Freiheit so leben kann, wie es will.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das gemeinsame Bekenntnis der westlichen Führungsländer in der NATO, im Verbund mit unseren Verbündeten geschlossen und besonnen vorzugehen, ist dafür entscheidend. Mit IRIS‑T, dem Gepard und Flugabwehrraketen haben wir die Ukraine befähigt, strategisch wichtige Infrastrukturen und ihre Städte vor dem russischen Raketenterror zu schützen. Deutsche Panzerabwehrwaffen und die Panzerhaubitze 2000 haben russische Militärverbände entscheidend gestoppt und geschwächt. Diese Waffenlieferungen helfen, dass Putins Rechnung des schnellen militärischen Erfolges nicht aufgeht.

Aber die bisherigen Lieferungen reichen nicht aus. Das zeigen die Bilder aus Dnipro, Soledar und Bachmut. Deshalb ist die Entscheidung des Bundeskanzlers richtig, gemeinsam mit den USA und anderen westlichen Nationen weitere Waffen zu liefern. Das gilt für die Lieferung von Patriot-Flugabwehrsystemen wie auch für die Lieferung von Mardern oder möglicherweise auch von Leopard‑1- und Leopard‑2-Kampfpanzern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die mögliche Lieferung von Leopard-Panzern machen wir uns als sozialdemokratische Bundestagsfraktion nicht leicht, und das ist richtig. Dieses bislang äußerste Mittel der Waffenhilfe kann aber notwendig werden, weil Russland nicht bereit ist, von seiner aggressiven Linie abzugehen.

(Beifall der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])

Im Gegenteil: Die russischen Mobilisierungen und Angriffe gegen zivile Ziele nehmen zu.

Bei unserer Unterstützung der Ukraine gibt es keine roten Linien. Dennoch müssen Waffenlieferungen überlegt sein. Wir wollen diese Diskussion verantwortlich führen. Jeder, der jetzt Forderungen nach weiteren Lieferungen stellt, muss klarmachen, wohin das politisch und militärisch führen soll.

Die militärische Lage ist hochkompliziert. Es droht ein Stellungskrieg, an dessen Ende eine komplette Zerstörung großer Teile der Ukraine stehen kann. Schon heute erinnern die Bilder der Kämpfe in ihrer blutigen Sinnlosigkeit an die Grabenschlachten des Ersten Weltkriegs. Zehntausende Menschen sterben auf beiden Seiten.

Die demokratische Mehrheit in unserem Haus wünscht der Ukraine einen Sieg über den Aggressor Russland, nicht nur einen politischen und moralischen Sieg – den hat der ukrainische Freiheitskampf schon erreicht –, sondern auch einen militärischen Sieg.

Aber ob in einem zu befürchtenden Abnutzungskrieg solch ein militärischer Sieg über Russland schnell zu erreichen ist, ist heute offen. Die militärischen Ressourcen Russlands sind nicht unendlich, aber sie sind sehr groß. Es ist klar, dass Putin sie auch auf Kosten des Lebens seiner Soldaten erbarmungslos einsetzen wird.

Insofern ist es in unserem Interesse wie auch dem der Ukraine, dass jenseits von notwendigen Waffenlieferungen auch nach diplomatischen Lösungen für diesen Krieg gesucht wird.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist eine Schwäche unserer politischen Diskussion über diesen Krieg, dass eine diplomatische Lösung dieses Konfliktes oft nicht ernst genommen und zuweilen diskreditiert wird. Dabei geht es gerade nicht darum, die Ukraine in einen Diktatfrieden zu zwingen; auch um den zu verhindern, liefern wir weiterhin Waffen. Aber auch eine weiter forcierte Unterstützung wird nicht ausreichen, um diesen Konflikt schnell militärisch zu beenden. Dazu ist die Herausforderung zu groß.

Unsere Waffenlieferungen dienen dazu, der Ukraine eine militärische Stärke zu geben, die Russland zwingt, sich so schnell wie möglich auf ernsthafte Verhandlungen einzulassen und sich von ukrainischem Territorium zurückzuziehen. Das muss unser oberstes Ziel sein.

Dazu wird sich unser neuer Verteidigungsminister Boris Pistorius morgen mit unseren Verbündeten im rheinland-pfälzischen Ramstein abstimmen. Denn dass NATO und EU weiter im engen Schulterschluss stehen, ist die Voraussetzung für die langfristige Unterstützung und damit auch den Erfolg der Ukrainer in ihrem Freiheitskampf gegen die russische Invasion.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die sozialdemokratische Verteidigungspolitik steht dazu, dass unser Land unter der Führung von Bundeskanzler Olaf Scholz die Ukraine militärisch in dem Maße unterstützt, das notwendig ist. Das kommt nach Jahrzehnten der deutschen Zurückhaltung in militärischen Fragen einer sicherheitspolitischen Revolution gleich. Wir gehen diesen Weg weiter – in Verantwortung für die Freiheit der Ukraine, die Sicherheit Europas und mit dem letztlichen Ziel eines friedlichen Zusammenlebens auf unserem Kontinent, auch wenn dieses Ziel heute sehr weit entfernt scheint.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Jetzt hat Robert Farle das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7549938
Wahlperiode 20
Sitzung 79
Tagesordnungspunkt Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine
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