Christoph HoffmannFDP - Völkermord an den Êzîdinnen und Êzîden
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Vertreter und Mitglieder der jesidischen Gemeinschaft! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Jesiden haben in den Händen der IS-Terrormiliz unsäglichen Missbrauch und Menschenrechtsverletzungen erlitten. Der sogenannte „Islamische Staat“ wollte und will die organisierte Zerstörung des jesidischen Volkes, den Genozid.
Ein 55-jähriger vollbärtiger IS-Kämpfer, übel riechend, mit verschwitztem Hemd und Blut an den Stiefeln, greift sich eine junge Jesidin – sie ist 13 Jahre alt – an den Haaren für eine Zwangsheirat. Dieser Horror aus dem Sindschar-Gebirge im Nordirak kam vor sieben Jahren in meiner Gemeinde in Südbaden an. Eine Mutter hatte ihren Mann und drei Töchter an den IS verloren. Sie und 30 weitere Jesidinnen und Kinder sitzen 2015 am Gemeinderatstisch in Bad Bellingen. Alle sind in Schwarz gekleidet, leere Blicke gehen gegen den Boden. In ihren Köpfen die Trauer über die Verluste von Angehörigen, die Sorge um die Vermissten und der Schock über den Verlust der Heimat. An diesem Tage habe ich mir geschworen: Ich werde alles daransetzen, dass wir unser Paradies mit diesen Geschundenen teilen.
(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Damals habe ich als Bürgermeister rund 40 traumatisierte Jesiden bei uns aufnehmen können, und einige von ihnen sitzen heute, an diesem wichtigen Tage, hier auf der Tribüne. Herzlich willkommen, Familie Slo!
(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Andere konnten heute leider nicht mitkommen, und das ist eigentlich eine gute Nachricht; denn sie müssen arbeiten. Und der junge Hussein, der mit meinem Jungen zusammen im Fußballverein kickt, macht heute seine Führerscheinprüfung und ist deshalb nicht da.
Die Idee eines Sonderkontingents für traumatisierte Frauen und Kinder des baden-württembergischen Ministerpräsidenten war gut. Viele Kommunen in Baden-Württemberg haben diese humane Initiative dann getragen und umgesetzt. Ihnen sei von dieser Stelle aus gedankt.
(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD)
Damals ging es wie heute um Menschenrechte und Menschlichkeit, und das ist niemals eine Gelegenheit für Parteipolitik.
(Peter Heidt [FDP]: Sehr richtig!)
Die traumatisierten Menschen haben uns in unserer Gemeinde vor große Herausforderungen gestellt; aber wir fanden Helfer, und wir fanden Häuser, in denen wir die Menschen unterbringen konnten. Wir konnten kein Kurdisch, aber wir hatten Ayse und Samire, selbst Kurden, die vor der türkischen Repression geflohen und schon lange in Deutschland waren. Sie kannten die Integration, sie kannten die Sprache, und sie haben eine 24‑Stunden-Hotline eingerichtet für die Jesiden, die bei uns zu Gast waren. Ohne sie und die engagierten Bürger und Bürgerinnen wären wir nicht weit gekommen. Danke noch einmal ganz herzlich an Sie – Sie sind heute auch da –, dass Sie mitgeholfen haben. Sonst wäre vieles nicht möglich gewesen.
(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Gott sei Dank: Der IS wurde besiegt – dank der Peschmerga, aber auch dank der Amerikaner, dank der irakischen Truppen und auch dank deutscher Waffen; das muss man an dieser Stelle, glaube ich, auch mal sagen.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Einige der Verantwortlichen für den Genozid sind heute teilweise noch frei. Rund 1 500 Jesidinnen sind noch in den Händen ihrer Peiniger. Die Strafverfolgung muss mit unverminderter Härte weitergehen. Spuren gibt es nach Syrien, Spuren gibt es aber auch in die Türkei, und auch in Deutschland gibt es Verantwortliche. In den UN-Lagern im Nordirak sitzen noch viele Jesiden fest. Ihre Heimat ist zerstört. Es gibt keine Arbeit und keine Perspektive. Deshalb wird sich diese Bundesregierung darum kümmern, weiter Hilfe im Nordirak zu leisten.
Meine Damen und Herren, unsere heutigen Ehrengäste beweisen: Religionsfreiheit ist ein sehr, sehr hohes Gut,
(Beifall des Abg. Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU])
und Freiheit ist keine Floskel, sondern etwas zutiefst Menschliches. Wir verneigen uns vor den Opfern.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Annette Widmann-Mauz hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7549958 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 79 |
Tagesordnungspunkt | Völkermord an den Êzîdinnen und Êzîden |