19.01.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 79 / Tagesordnungspunkt 18

Parsa MarviSPD - Steuervorteile für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diesem Antrag, den wir als SPD-Fraktion selbstverständlich ablehnen, kann man sich nur von zwei Richtungen nähern: erstens von unserer klaren Grundhaltung zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk – diese Haltungsfrage ist ganz entscheidend; denn sie wird ja auch jenseits der AfD herausgefordert, und sie schwingt natürlich bei Ihrem Antrag unübersehbar mit – und zweitens von der steuersystematisch gut begründbaren Ablehnung Ihres Antrages.

Zum ersten Punkt. Unsere Haltung zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist klar. Wir sind unserer Verfassung verpflichtet. Artikel 5 Absatz 1 Grundgesetz verlangt, dass eine freie und umfassende Meinungsbildung möglich sein muss. Dazu leistet der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen unverzichtbaren Beitrag.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Einen sehr einseitigen Beitrag!)

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist nicht nur Information und Kultur, sondern er spielt in unserer Medienlandschaft eine ganz wichtige Rolle für die Demokratie und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Für die SPD!)

Natürlich braucht er ernsthafte Reformen, gerade weil er dringend für unsere Zukunft gebraucht wird.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Aber natürlich ist auch klar, dass es unter anderem Sie von der AfD sind – dazu hat Kollege Güntzler vorhin treffend ausgeführt –, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk marginalisieren wollen, ihn in die Ecke drängen und ihn seiner Finanzierungsgrundlagen berauben wollen. Hier werden Sie mit dem entschiedenen Widerspruch von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das wundert niemanden!)

und vielen anderen in den Landtagen und hier im Deutschen Bundestag rechnen müssen – zu Recht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir stehen zu einem starken Gemeinwesen und damit auch zu einem starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Linksfunk! – Kay Gottschalk [AfD]: Rotfunk!)

– So, Sie diskreditieren munter weiter; aber ich wollte jetzt erst einmal auf die Fachebene kommen.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das sagen ja nicht nur wir!)

Gerne sage ich Ihnen, warum wir Ihren Antrag aus steuersystematischen Gründen ablehnen. Natürlich kennen wir alle hier im Haus die Stellungnahmen des Bundesrechnungshofes aus den vergangenen Jahren, die Sie fleißig abgeschrieben haben

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Aber fehlerfrei!)

und die sich kritisch mit den Pauschalierungsregeln für die Besteuerung des ÖRR auseinandersetzen. Selbstverständlich ist der Rechnungshof dazu da, sich die Dinge kritisch anzuschauen.

Natürlich wissen wir, dass dieses Thema parlamentarisch beraten wurde – wir haben es gehört: umfassend im Rechnungsprüfungsausschuss; komisch, dass Sie dort wortlos waren und jetzt auf einmal tatenreich sind – und auch intensiv vom Bundesministerium der Finanzen geprüft wurde, mit einem Ergebnis, das auch wir befürworten. Wir sehen eine Änderung der Besteuerungsregeln nicht als angemessen an.

Um es auch für die Öffentlichkeit einmal klar zu sagen: Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten üben in ihrem Kernbereich „Produktion, Gestaltung und Ausstrahlung von Programminhalten“ eine hoheitliche Tätigkeit aus. Genau deswegen finanzieren sie sich aus öffentlichen Rundfunkbeiträgen, und genau deswegen unterliegen sie nicht der Besteuerung. Dieser Kernbereich an steuerfreier Betätigung – eben weil es hoheitliche Aufgaben sind – macht zum Beispiel bei der ARD 85 Prozent aus. Bei Ihrem Antrag geht es um den kleineren Tätigkeitsbereich, in dem die Rundfunkanstalten auch wirtschaftlich tätig sind, also Ausstrahlung von Werbung, Verwertung von Programminhalten, Verkauf von Lizenzen für Produktionen. Da fallen selbstverständlich Körperschaftsteuer, Kapitalertragsteuer und auch Umsatzsteuer an.

Und genau hier fangen die Probleme in Bezug auf die Besteuerungsgrundlagen an, und zwar bei der sehr wichtigen Abgrenzung zwischen hoheitlichen Aufgaben und wirtschaftlicher Betätigung. So lässt sich zum Beispiel die Zuordnung von Gemeinkosten wie Studionutzung oder Personalaufwand oft nicht exakt aufschlüsseln. Genau deswegen, aus guten Gründen, hat der Gesetzgeber Pauschalierungsregeln erlassen. Wir sind uns sicher, dass eine Aufhebung dieser Pauschalierungsregeln für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht zu mehr Transparenz, nicht zu einer Vereinfachung führen würde, sondern vor diesem Hintergrund zu mehr Bürokratie, zu mehr steuerlicher Komplexität bei der Abgrenzung der Tätigkeitsfelder und am Ende zu gar keiner Verbesserung für die öffentliche Hand.

Daher werden wir Ihren Antrag ablehnen, bei dem es Ihnen – so erscheint es uns allen hier, glaube ich – nicht so sehr um die letzte Wahrheit beim Steuerrecht geht, sondern viel mehr um das übliche Spiel: Sie wollen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten pauschal in ein schlechtes Licht rücken,

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das machen die schon selber!)

pauschal diskreditieren. Für dieses Spiel stehen wir nicht zur Verfügung. Damit ist zu Ihrem Antrag alles gesagt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN und des Abg. Fritz Güntzler [CDU/CSU])

Vielen Dank, Herr Kollege Marvi. – Nächster Redner ist nunmehr der Kollege Jörn König, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7550057
Wahlperiode 20
Sitzung 79
Tagesordnungspunkt Steuervorteile für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta