Markus ReichelCDU/CSU - Fachkräftestrategie der Bundesregierung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In jedem meiner Unternehmergespräche kommt die Frage von den Unternehmern: Was tut denn die Politik konkret dafür, dass unser Fachkräfteproblem gelöst wird?
(Zuruf von der AfD: Zu wenig!)
Wenn ich dann sage: „Schaut mal, die Bundesregierung hat eine Fachkräftestrategie“, dann sagen die mir: „Ja, das ist ein nettes Brainstorming, viel zu unkonkret. Das wird der Lage und dem Ernst der Lage in keiner Weise gerecht.“ Genau so ist das.
(Beifall bei der CDU/CSU – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sehr gut!)
Es ist doch so: Wenn wir die Frage, wie wir bei den Fachkräften weiterkommen, richtig beantworten wollen, dann müssen wir sie erst einmal richtig stellen. In einer sozialen Marktwirtschaft ist die eigentliche Frage: Ist unser Arbeitsmarkt als solcher attraktiv? Da geht es darum: Ist es für Arbeitskräfte in Deutschland attraktiv, zu arbeiten, oder ist es vielleicht anstelle dessen attraktiv, ihre Arbeitszeit in der Woche oder aufs Leben betrachtet zu verkürzen? Und ist es attraktiv für Fachkräfte, in Deutschland zu bleiben oder nach Deutschland zu kommen oder nach Deutschland zurückzukommen? Das ist die Frage, die wir diskutieren müssen. Lassen Sie uns das mal ganz konkret ein bisschen in der Praxis betrachten.
Ich habe mich mit einem Maschinenbauer in Dresden unterhalten. Er sagte zu mir: Wissen Sie, was mir neulich passiert ist? Ich habe einem meiner Spezialisten im Jahresgespräch angeboten, dass er mehr Geld bekommt. Das hat er sich verdient. Und der sagte zu mir: Wissen Sie was? Mehr Geld? Ich will lieber einen Tag frei in der Woche. Von dem Geld, was Sie mir mehr geben, bleibt doch netto überhaupt nichts übrig.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Ja!)
Das ist das Problem. Da ist die Frage: Was tun Sie konkret bei der Steuerprogression? Was tun Sie, um die erhöhten SV-Beiträge wieder unter 40 Prozent zu bringen?
(Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
In Ihrer Fachkräftestrategie treffen Sie ausschließlich folgende allgemeine Aussage: Änderungen bei den Erwerbsanreizen im Steuer-, Abgaben- und Transfersystem. Total allgemein, im Übrigen ausschließlich auf die Teilzeitfalle bei Frauen bezogen. Was tun Sie denn nun konkret, wenn es um die Anwendung der IVer-Steuerklasse beim Faktorverfahren geht? Nichts.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was haben Sie denn 16 Jahre gemacht? Nichts! 16 Jahre lang haben Sie nichts gemacht!)
Zweites Beispiel. Mein Zahnarzt in Dresden sagte zu mir: Wissen Sie was? Ich habe keine Lust mehr hier. Ich gehe in die Schweiz.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Tschüs!)
Er sagte das, weil es ihm hier zu bürokratisch und zu reguliert ist. Die Gruppe der fast 4 Millionen Selbstständigen – das haben wir in der Fragestunde gehört – kommt in Ihrer Fachkräftestrategie in keiner Weise vor. Sie wird nicht erwähnt, sie wird nicht wertgeschätzt. Ganz im Gegenteil, Sie laden jedes Jahr noch etwas dazu. Letztes Jahr das Paradebeispiel: die Umsetzung der Transparenzrichtlinie, Schriftformerfordernisse bei Arbeitsverträgen. Ist das die sogenannte Fortschrittskoalition im Jahr 2022?
(Beifall bei der CDU/CSU – Marc Biadacz [CDU/CSU]: Keine Digitalisierung!)
Dann reden wir noch über die Beschäftigung von Menschen mit Einschränkungen. Wir sind uns doch alle einig, dass das ein Riesenpotenzial ist. Das wurde auch öfter angesprochen. Viele behinderte Menschen sind gut ausgebildet, aber es kommt nicht dazu, dass sie in die Unternehmen kommen. Hier brauchen wir mehr Tempo beim Ausbau von Ansprechstellen. Das haben Sie aber nicht erwähnt – auch nichts Konkretes zu dieser Personengruppe in Ihrer Strategie. Und diese Unverbindlichkeit – das sage ich Ihnen ganz ehrlich – ist nicht nur fatal für unsere Wirtschaft; sie ist auch ein Schlag ins Gesicht dieser Personengruppe.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Malte Kaufmann [AfD])
Zusammenfassend möchte ich sagen: Man merkt dieser Strategie einfach an: Die Fachkräfte der CDU/CSU haben an ihr nicht mitgewirkt.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben 16 Jahre lang nichts gemacht! 16 Jahre!)
Und deswegen ist sie auch nicht wirklich brauchbar. Aber wenn Sie uns lieb darum bitten, dann können wir sie gerne gemeinsam komplett neu erarbeiten.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 16 Jahre Zeit! – Dr. Lukas Köhler [FDP]: Und das, was in den letzten 16 Jahren nicht passiert ist, da reinschreiben! Herzlichen Glückwunsch!)
Nächster Redner: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Kai Gehring.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7550130 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 80 |
Tagesordnungspunkt | Fachkräftestrategie der Bundesregierung |