Martina Stamm-FibichSPD - Beschaffungsgipfel Arzneimittelversorgungssicherheit
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Selbst in meinem zehnten Jahr als Abgeordnete in diesem Haus gibt es immer noch Sachen, die mich ungläubig zurücklassen.
(Tino Sorge [CDU/CSU]: Sie sind wenigstens gläubig! Das ist schon mal gut!)
Dieser Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, gehört ohne jede Frage dazu.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Es ist gut und richtig, dass wir über das Thema Arzneimittelliefersicherheit hier in diesem Haus diskutieren, aber bitte nicht so. Was Sie hier vorgelegt haben, ist ein Eins-a-Beispiel für blinden Aktionismus ohne Substanz. Ich werde Ihnen auch darlegen, warum das so ist. Aber immer der Reihe nach; beginnen wir von vorne.
Immerhin geht die Beschreibung des Problems in die richtige Richtung. Ja, der hohe Preisdruck und die daraus folgende Konzentration der Produktion außerhalb der EU haben zu einer Abhängigkeit geführt, die uns jetzt sehr wehtut. Und ja, wir müssen diese Abhängigkeit schnellstmöglich verringern, wenn wir in Zukunft eine stabile Arzneimittelversorgung möchten.
Die große Frage lautet deshalb: Wie können wir dieses strukturelle Problem lösen? Wie können wir Lieferketten sicherer machen und den Pharmastandort Deutschland wieder stärken? Wenn Ihr Antrag Substanz hätte, dann würde er zu dieser Frage Lösungsvorschläge präsentieren.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Tino Sorge [CDU/CSU]: Die habe ich Ihnen doch gerade gesagt! Sie haben nicht zugehört! – Stephan Pilsinger [CDU/CSU]: Sie verstehen es nicht!)
Tut er aber leider nicht. Stattdessen gibt es wieder mal eine Runde Selbstlob. Das ist eigentlich nicht der Rede wert, aber ich gehe deshalb darauf ein, weil im betreffenden Abschnitt die Einführung eines Beirats zur Versorgungslage beim BfArM in der letzten Legislatur erwähnt wird. Zu diesem Beirat an anderer Stelle gleich mehr.
Die zentrale Forderung des Antrags ist dann die Gründung eines sogenannten Beschaffungsgipfels. Ich übersetze das jetzt mal für alle Zuhörerinnen und Zuhörer, die nicht ganz tief in der Materie stecken: Anstatt das Problem an der Wurzel bekämpfen zu wollen, möchte die Union einen weiteren Gesprächskreis zur Arzneimittelversorgung gründen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zusätzlich soll es eine konzertierte Beschaffungsaktion geben. Nun gut. Dass die Union eine gewisse Affinität zu konzertierten Beschaffungsaktionen hat, ist ja kein Geheimnis.
(Beifall der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)
Ich glaube, wir alle können uns noch sehr gut an so manchen Beschaffungskünstler aus der letzten Wahlperiode erinnern.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Natürlich fragt sich der aufmerksame Beobachter jetzt sofort: Wozu brauchen wir ein weiteres Gremium zur Arzneimittelversorgung? Es gibt doch bereits den im Antrag erwähnten Beirat beim BfArM, in dem sich alle wichtigen Akteure um Fragen der Arzneimittelliefersicherheit kümmern. Gleiches gilt übrigens für Punkt 2 und 3 der aufgezählten Aufgaben des Beschaffungsgipfels.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen der Union, was glauben Sie eigentlich, was der in Ihrem Antrag so löblich erwähnte Beirat beim BfArM in seinen Sitzungen so treibt? Ich lese Ihnen mal einen Ausschnitt aus der Tagesordnung vor. Vielleicht verstehen Sie dann, warum wir keinen weiteren Gipfel brauchen. Auszug aus der Tagesordnung der letzten Sondersitzung des Beirats vom 10. Januar 2023:
(Tino Sorge [CDU/CSU]: Bitte auch die Anlagen vorlesen!)
3. … Versorgungslage in der Pädiatrie mit Antibiotika und Fiebersäften
4. Abstimmung möglicher Maßnahmen zur Verbesserung der bedarfsgerechten Versorgung in der Pädiatrie
Das ist doch genau das, was Sie in Ihrem Antrag fordern.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Tino Sorge [CDU/CSU]: Das hat bloß keinen Erfolg gezeigt! Warum fahren denn die Eltern dann ins Ausland und wollen dort Arzneimittel besorgen?)
Da sitzen all die von Ihnen geforderten Akteure und erörtern, wie die Versorgung mit Arzneimitteln in Deutschland kurzfristig sichergestellt werden kann. Die haben das sogar schon getan, bevor Sie Ihren Antrag hier eingebracht haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und stellen Sie sich mal vor: Die machen da ihre Arbeit ganz ohne großes Brimborium, ganz ohne Taskforce und Pressetermine für bayerische Gesundheitsminister im Wahlkampfmodus.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Jetzt hat aber Kritik an anderen noch keinem die eigene Leistung erspart, und deshalb will ich zum Schluss noch kurz erklären, wie wir die Liefersicherheit bei Arzneimitteln grundlegend verbessern wollen.
Erstens muss langfristig der Preisdruck im generischen Markt verringert werden. Weil wir für mehr Geld aber auch gerne eine Gegenleistung sehen würden, sollte die Erhöhung an Bedingungen geknüpft sein. Wenn es das Vergaberecht zulässt, sollten beispielsweise künftig Produktionsstandort, Arbeits- und Umweltstandards und diversifizierte Lieferketten bei Rabattvertragsausschreibungen unbedingt eine Rolle spielen.
Zweitens müssen wir uns für eine aktive Standortpolitik entscheiden. Das beinhaltet eine zielgerichtete Forschungs- und Industriepolitik.
(Beifall der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP])
Die Rückholung von Produktionsstätten und eine stärkere Forschungsförderung werden uns Geld kosten. Aber in unsicheren Zeiten müssen wir auch aus geopolitischen Gründen diese Investitionen tätigen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Tino Sorge [CDU/CSU]: Ui! Ganz neue Erkenntnisse aus der SPD!)
Drittens müssen wir beim Management von Lieferengpässen besser werden. Dazu brauchen wir striktere Meldepflichten – etwas, wogegen sich Jens Spahn übrigens immer gewehrt hat. Und wir brauchen einen besseren Überblick über die Arzneimittel im Markt, damit wir besser verteilen können, was da ist. Nur so, liebe Kolleginnen und Kollegen, lässt sich durch die Arbeit das Problem an der Wurzel lösen, und wir werden Lieferengpässe künftig reduzieren. Daran werden wir arbeiten.
(Tino Sorge [CDU/CSU]: Nicht nur ankündigen!)
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Jörg Schneider.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7550148 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 80 |
Tagesordnungspunkt | Beschaffungsgipfel Arzneimittelversorgungssicherheit |