Georg KippelsCDU/CSU - Beschaffungsgipfel Arzneimittelversorgungssicherheit
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine verehrten Damen und Herren! Arzneimittel sind knapp. – Das ist eine Schlagzeile, die sich momentan in den Gazetten findet, aber auch in Küchen, Schlafzimmern oder Wohnzimmern Thema für Familien ist, die im Augenblick für ihre Kinder oder aber auch für erkrankte Erwachsene auf der Suche nach Medikamenten sind. Das ist ein ernstes Thema, und ganz überwiegend ist es den heutigen Rednern auch gelungen, die Ernsthaftigkeit dieser Thematik hier in ihren Redebeiträgen zum Ausdruck zu bringen.
Wie ernst dieses Thema letztendlich ist, konnten wir daran feststellen, dass sich selbst der Insider, der Präsident der Bundesärztekammer Dr. Reinhardt, zu der etwas übermotivierten Bemerkung hat hinreißen lassen, Medikamente, die sich in den Hausapotheken befinden, im Rahmen eines Flohmarkts auszutauschen. Das war nicht wirklich ernst gemeint. Es war überspitzt formuliert und vielleicht auch etwas zu reißerisch in der Begriffswahl, aber es zeigt, dass es selbst den Insidern im Moment schwerfällt, einen überzeugenden Lösungsansatz zu präsentieren. Vielleicht zeigt es auch eines der Symptome, mit denen wir uns beschäftigen müssen: dass viele Medikamente in privaten Haushalten vorgehalten werden und leider dann nicht allen über die Apotheken zur Verfügung stehen.
Wir haben es eben gehört: Auf der Liste des BfArM stehen 388 versorgungsrelevante Arzneimittel, die zurzeit nicht verfügbar sind. Wer diese Liste täglich verfolgt, stellt fest: Die Zahl der auf dieser Liste aufgeführten Arzneimittel steigt täglich an. Es gibt dann noch eine apothekeninterne Liste, auf der auch die OTCs vermerkt sind, die üblicherweise in entsprechenden Versorgungssituationen benötigt werden. Da liegt die Anzahl schon bei über 600. Das ist eine ernstzunehmende Problemstellung. Sie ist seit Längerem bekannt, und sie war auch Gegenstand der Arbeit der vorherigen Regierungen. Ich erinnere gerne an das Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz, das im März 2020 in Kraft trat, in dem dann bereits der eben mehrfach erwähnte Überwachungsauftrag an das BfArM erteilt wurde und auch der Beirat gegründet wurde.
Aber vielleicht an meine Vorredner aus der SPD: Der Beirat ist kein Gesetzgebungsorgan. Der Beirat ist Bestandteil einer Behörde, die im Hinblick auf die Abläufe sicherlich Kontroll- und Überwachungsaufgaben hat.
(Martina Stamm-Fibich [SPD]: Es ist ein Gipfel!)
– Ja, Frau Stamm-Fibich, das ist so. Es können auch Anordnungen getroffen werden; aber er kann nicht die strukturellen Fragestellungen lösen. Er kann allenfalls Anregungen dazu geben.
Was aber ist jetzt der Ansatz oder der Inhalt unseres Antrags? „ Gipfel“ ist natürlich eine Begrifflichkeit. Er wurde vielleicht schon zu häufig bemüht und hat daher nicht mehr dieselbe Schlagkräftigkeit. Aber erinnern wir uns doch hier in Deutschland und im Deutschen Bundestag einmal an den Pharmadialog. Dieser wurde 2014 ins Leben gerufen. Es handelt sich dabei um eine Austausch- und Arbeitsplattform zwischen drei Ministerien – BMG, BMBF, BMWi; nun wahrscheinlich BMWK –, die exakt die Aufgabenstellung hatte, sich mit der Versorgungssituation, mit der Innovationsebene und natürlich auch mit der Versorgungssicherheit in Deutschland zu beschäftigen. Er wurde 2014 ins Leben gerufen und 2018 noch mal auf die Tagesordnung gesetzt. Die dortigen Vermerke über das Ergebnis der Beratungen sind eigentlich eine exakte Beschreibung des jetzigen Aufgabenteils.
Was hier auch mehrfach angesprochen worden ist – und ich glaube, das macht es doch so wichtig –, ist, dass jetzt wirklich alle Beteiligten aus diesem Leistungsspektrum in ein Diskussionsformat, an einen Tisch oder in einen Raum geholt werden müssen. Jeder muss im Rahmen seiner Einwirkungsmöglichkeiten national und international Lösungsansätze liefern.
Wenn wir darüber reden, ob nun das Ministerium etwas getan hat oder nicht, sage ich: Die Diskussionen im vergangenen Jahr zum GKV-FinStG waren nicht unbedingt von viel Aufmerksamkeit und Fürsorge für die Pharmaindustrie geprägt. Das BMG hat die Einwände der CEOs, die in mehreren Sitzungen vorgetragen wurden, die hier in Berlin stattgefunden haben, als typisches Drohszenario der Pharmaindustrie abgetan: Na ja, die beschweren sich immer, wenn es in irgendeiner Form mal an ihre Einnahmesituation gehen könnte. – Nein, auch damals schon sind strukturelle Problemstellungen, die Resultat der gesetzgeberischen Entscheidungen für die Sparmaßnahmen sind, vorgetragen worden. Letztendlich ist die jetzige Diskussion eine Verlängerung der schon damals deutlich gewordenen Position.
(Zuruf der Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Was hätte der Minister kurzfristig tun können? Er hätte zum Beispiel auf den Gesundheitsminister des Landes Nordrhein-Westfalen hören und einen Versorgungsmangel nach § 79 Absatz 5 des Arzneimittelgesetzes verkünden können. Dies gibt den Großhändlern die Möglichkeit, aus dem benachbarten Ausland in ausländischen Sprachen entsprechend ausgezeichnete Medikamente einzuführen und hier über die Apotheken in den Handel zu bringen, ohne dass sie umdeklariert werden müssen. Das wäre möglich gewesen. Das wäre ein gesetzliches Signal gewesen. Es wäre auf jeden Fall ein dringend notwendiger Schritt gewesen.
Verehrter Herr Minister, holen Sie die Akteure an den Tisch. Hören Sie auch durchaus mal den anderen und auch dem Parlament zu. Regieren ist eben nicht nur eine Vorlesung, sondern gelegentlich auch Teamplay, und Schwarmintelligenz sollte man auch nicht unterschätzen. Deshalb stimmen Sie dem Antrag zu, und lassen Sie uns in eine tiefgehende und sehr wichtige Debatte eintreten.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen gar keine Reform, Sie wollen nur abstimmen!)
Das Wort erhält Dr. Herbert Wollmann für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7550158 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 80 |
Tagesordnungspunkt | Beschaffungsgipfel Arzneimittelversorgungssicherheit |