Nezahat BaradariSPD - Beschaffungsgipfel Arzneimittelversorgungssicherheit
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wieder einmal versteht die CDU/CSU-Fraktion Oppositionsarbeit so, dass man Anträge zu Themenkomplexen einreicht, die von der Regierung längst bearbeitet werden. Wenn dann ein Gesetzentwurf vorgelegt wird, der auch ohne diesen Antrag zustande gekommen wäre, kann man sich ja dafür feiern, dass der Druck gewirkt hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, die Regierungsfraktionen und das Ministerium sind weder blind noch taub. Wir sind uns der Probleme bei der Arzneimittelversorgung bewusst. Ich selbst habe schon vor Monaten auf die drohenden Engpässe bei den Kinderarzneimitteln hingewiesen. Das Ministerium hat noch im alten Jahr ein entsprechendes Eckpunktepapier vorgelegt, das diverse Sofortmaßnahmen skizziert. Natürlich werden wir noch ein umfassenderes Konzept benötigen, welches auch die europäische Ebene mit einbezieht. Auch wenn Sie es so darstellen: Es ist mitnichten so, dass wir uns der Notwendigkeit nicht bewusst sind.
Klar ist aber auch: Die Möglichkeiten, mit Sofortmaßnahmen in den Markt einzugreifen, sind beschränkt. Wir haben leider keinen Zauberstab, mit dem wir Zäpfchen, Hustensäfte und Onkologika herbeiwünschen können. Es kann keine alleinige Lösung sein, einfach nur das System und die Hersteller mit mehr Geld zuzuschütten.
(Beifall der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir brauchen in vielerlei Hinsicht eine Art Systemwechsel. Daran arbeiten wir. Daran arbeitet das Ministerium. Dazu gehört aber mehr – und das dauert länger –, als einfach nur Allgemeinplätze wie „Wir müssen Produktion zurück nach Europa holen“ in einen Antrag zu schreiben.
Wo wir jetzt schon einmal die Gelegenheit haben, über die Probleme hier im Plenum zu diskutieren, möchte ich diese gerne nutzen, um noch einmal mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass wir bei der Medikamentenversorgung der Kinder und Jugendlichen in Deutschland erhebliche Missstände haben. Das beschränkt sich keineswegs allein auf Fragen der Verfügbarkeit und der Lieferketten. Das beginnt schon bei der Zulassung, die bis heute nicht in geregelten Bahnen verläuft.
Zulassungsstudien für Kinderarzneimittel werden kaum durchgeführt. Und was ist das Resultat? Ein weit verbreiteter Off-Label-Use. Zwar können Off-Label-Medikamente auf Antrag beim BfArM als verordnungs- und erstattungsfähig eingestuft werden, aber das, meine Damen und Herren, ist doch keine dauerhafte Lösung.
Um dieses Problem zu adressieren, haben wir unter anderem im letzten Haushalt Mittel für eine Koordinierungsstelle für Kinderstudien eingestellt. Solche kleinteiligen Maßnahmen sind aber natürlich nicht griffig genug für die Oppositionsarbeit. Im nächsten Schritt brauchen wir eigentlich sogar eine Art Orphan-Drug-Regelung für Kinderarzneimittel.
Ich will Ihren Antrag nicht verteufeln. Ja, wir brauchen dringend ein Frühwarnsystem für Arzneimittelengpässe, das Outsourcing von Grundstoffen muss dringend ein Ende haben, Lieferketten müssen diversifiziert werden; das wurde hier schon mehrfach gesagt. Wir brauchen mehr Transparenz hinsichtlich der Verfügbarkeit, auch wenn es selbstverständlich längst eine Datenbank gibt, in der Lieferengpässe aufgeführt werden; auch das wurde hier schon erwähnt. Zu all diesen Themen arbeitet das Ministerium, arbeiten die Fachpolitiker in den Fraktionen. Ich selbst bin regelmäßig mit den relevanten Verbänden der Kinder- und Jugendmedizin im Austausch, mit Apothekerinnen und Apothekern genauso wie mit der Selbstverwaltung und der Industrie. Ich erkenne einen großen Willen, die Lage zum Positiven zu wenden. Aber ein bald über 20 Jahre gewachsenes System der Arzneimittelbeschaffung, ‑verteilung und ‑vergütung lässt sich nicht in wenigen Monaten umkrempeln.
Die Regierungsfraktionen werden den Prozess parlamentarisch begleiten. Da brauchen wir keine schmissigen Forderungen der Opposition nach einem Gipfel. Nächste Woche steht ein Fachgespräch zu diesem Thema im Gesundheitsausschuss an. Das ist der richtige Rahmen für die Diskussion solch schwieriger komplexer Themen.
Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7550161 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 80 |
Tagesordnungspunkt | Beschaffungsgipfel Arzneimittelversorgungssicherheit |