Frank SchwabeSPD - Bericht - Menschenrechtspolitik der Bundesregierung
Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Herr Kollege Brand, ich will ausdrücklich zurückweisen, dass die SPD-Fraktion – Sie haben ja maßgebliche Akteure genannt – eine Fraktion von Putin-Verstehern sei. Wir ringen um den richtigen Weg. Ich glaube, wir sollten diese Gemeinsamkeit, die in einem großen Teil dieses Hauses vorhanden ist, nicht aufs Spiel setzen. Wir ringen um den richtigen Weg. Wir ringen auch in der Frage von Waffenlieferungen um den richtigen Weg. Wir sind uns einig, dass wir humanitäre Hilfe brauchen. Wir sind uns einig, dass wir im Bereich der Strafverfolgung alles tun wollen, um diejenigen, die in Russland Kriegsverbrechen alltäglich und stündlich begehen, zur Rechenschaft zu ziehen. Und ich will deutlich machen: Diese Breite der Übereinkunft des Hauses sollten wir hier wahren. Mit Ihren – finde ich – doch niveaulosen Angriffen stellen Sie das infrage, und das finde ich falsch.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Im Übrigen haben wir eine Debatte zum Menschenrechtsansatz der deutschen Bundesregierung und der Bundespolitik. Ich will ausdrücklich sagen: Die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben einen umfassenden Menschenrechtsansatz, einen Ansatz, der nach außen guckt – ja, selbstverständlich –, aber auch einen Ansatz, der sich nach innen richtet und der sich innenpolitisch mit Menschenrechtsfragen beschäftigt. Es ist nämlich immer ziemlich einfach, nach draußen zu gucken und zu sagen, was andere falsch machen. Wir müssen auch nach innen gucken und darüber nachdenken, was wir verbessern können. In den Bereichen des Antisemitismus, der Islamophobie, des Antiziganismus, der Queerfeindlichkeit und vielem anderen mehr haben wir viel miteinander zu diskutieren. Wenn wir diese Arbeit im Inland gut machen, dann gibt uns das umso mehr Möglichkeiten, auch nach außen entsprechende Kritik zu üben. Deswegen will ich begrüßen, dass es in dem Bericht umfassende Hinweise gibt zum Thema Kindesmissbrauch, zum Thema „Umgang mit Menschen mit Behinderungen“, zu Rassismus und vielem anderen mehr. Ich will betonen, dass die deutsche Bundesregierung, diese deutsche Bundesregierung viele neue Formate geschaffen hat, um sich Menschenrechtsthemen im Inland zu widmen, zum Beispiel mit dem erst kürzlich erschienenen Antisemitismusbericht.
Ich will vor allen Dingen aber auch die Institutionen würdigen, die wir hatten und die wir gestärkt haben. Hier nenne ich das Deutsche Institut für Menschenrechte, es ist die deutsche Menschenrechtsinstitution. Es war dieses Haus, das es am Ende geschafft hat, diese Institution, die vor einigen Jahren unter Rot-Grün geschaffen wurde, neu aufzustellen und mit neuer Stärke zu versehen. Wir haben neue institutionelle und personelle Kapazitäten geschaffen, damit wir vor allem die Menschenrechtslage im Inland monitoren können, damit wir aber auch nach außen handlungsfähig sind. Dieses Institut erfährt eine große internationale Anerkennung, und diese haben wir mit dem letzten Bundeshaushalt gestärkt.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wenn ich darüber rede, dass man nach innen gucken muss, dann sind wir auch gleich bei den Problemen nach außen. Wir haben eine Institution in Europa, die zu wenig bekannt ist. Es ist nicht die Europäische Union – die ist auch wichtig –, es ist der Europarat. Der Europarat hat eine Schwächephase – das muss man so sagen –, aber nicht, weil die Institution so falsch wäre, sondern deshalb, weil es ganz viele Staaten gibt, die nicht nach innen gucken wollen, die verhindern wollen, dass es Kritik daran gibt, wie sie mit Menschenrechten im eigenen Land umgehen. Zu diesen Fragen findet in Kürze ein Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs des Europarates in Island statt. Bundeskanzler Scholz wird daran teilnehmen. Und nächste Woche wird die Bundesaußenministerin in Straßburg sein und alles tun, damit der Europarat entsprechend gestärkt wird.
Ich finde, eines müssen wir klarmachen: Das Herz europäischer Menschenrechtsinstitutionen ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.
(Knut Abraham [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Und es ist fundamental, dass die Mitgliedstaaten Gerichtsurteile des Menschenrechtsgerichtshofes akzeptieren; das gilt übrigens auch noch für das Land, das gerade angesprochen wurde. Wir haben Russland aus dem Europarat rausgeschmissen, und zwar aus guten Gründen, aber sie sind weiterhin verpflichtet, Gerichtsurteile umzusetzen und zum Beispiel Alexej Nawalny freizulassen. Das gilt genauso für die Türkei. Es gibt klare Gerichtsurteile, Osman Kavala und Selahattin Demirtas freizulassen. Ich finde, der Deutsche Bundestag muss unterstreichen, dass wir den Europarat stärken wollen und dass wir den Gerichtshof stärken wollen, und deutlich machen, dass die Urteile von der Türkei auch umgesetzt werden müssen. Die beiden müssen umgehend freigelassen werden.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir haben einen gemeinsamen Ansatz einer feministischen Außen- und Entwicklungspolitik – da haben wir uns in den letzten Wochen und Monaten bewegt –; das will ich ausdrücklich würdigen. Ich begrüße ausdrücklich, dass die schwierige Lage im Iran am Ende dazu geführt hat, dass wir in dieser Debatte auch mit der Union näher zusammengekommen sind und ein gemeinsames Verständnis von feministischer Außen- und Entwicklungspolitik entwickelt haben. Dabei geht es nicht nur um den Blick auf die Lebensverhältnisse von Frauen und die Sichtweise von Frauen – das ist auch ganz wichtig –, es geht auch darum, die internationale Politik mehr aus den Augen von wirklich marginalisierten Gruppen, ob es Indigene sind, ob es Menschen mit Handicaps sind, queere Menschen und viele andere, zu betrachten. Das ist eine neue Qualität der deutschen Außen- und Entwicklungspolitik, die wir hier eingebracht haben, und ich glaube, das stützt am Ende eine menschenrechtsbasierte Außen- und Entwicklungspolitik.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wir sind auch institutionell vorangegangen. Wir haben die Elisabeth-Selbert-Initiative ausgeweitet, damit wir Menschen in anderen Ländern, die bedrängt sind, entsprechend helfen können. Wir haben die Kapazitäten in den Botschaften verbessert, um Menschenrechtsfragen behandeln zu können, und wir sind weiter dabei, über die Aufnahme besonders vulnerabler Menschen zu sprechen. So schwierig die Debatte um Afghanistan war und weiterhin ist: Es war gut, dass wir dort einen weiteren Schritt gegangen sind. Wir werden nicht alle Menschen retten können; aber wir sollten versuchen, so viele Menschen aus Afghanistan zu retten, wie wir können, und am Ende eben auch in Deutschland aufzunehmen.
Insofern, glaube ich, haben wir viele Themen. Man könnte über vieles reden: über die schreckliche Lage im Iran, über die Lage in der Ukraine, über die Lage in Afghanistan. Ich will nicht selbstgefällig sein, aber ich glaube schon, dass ich sagen kann, dass die Menschenrechtsfrage bei dieser Ampelkoalition in guten Händen ist
(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Das ist Realitätsverweigerung!)
und wir gemeinsam dazu beitragen, Deutschland als Menschenrechtsnation international zu stärken.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Nächster Redner ist Jürgen Braun für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7550167 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 80 |
Tagesordnungspunkt | Bericht - Menschenrechtspolitik der Bundesregierung |