Uwe SchmidtSPD - Hafenstandort Deutschland
Moin, Frau Präsidentin! Moin, Kolleginnen und Kollegen! Oben sitzt eine Hanseatin, einer hat gerade vorgetragen: Kollege Ploß. Ich sage gleich was dazu, wie Planungsbeschleunigung und Verständigung geht.
Am 15. Dezember letzten Jahres hat die „Esperanza“ in Wilhelmshaven festgemacht; das wird Ihnen ja nicht ganz entgangen sein. Das Schiff dient dort als schwimmende LNG-Plattform. Nach nur zehn Monaten Planung und Bauzeit hat das erste deutsche Terminal für den Import von Flüssiggas seine Arbeit aufgenommen. Mein Dank geht an die Bundesregierung und an alle Beteiligten vor Ort in Niedersachsen, die den Bau in Rekordzeit ermöglicht haben.
Mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist das Thema Versorgungssicherheit in den Mittelpunkt gerückt – auch nichts Neues. Unsere Häfen haben in Zukunft eine größere Bedeutung bei der Energieversorgung; das haben Sie eben in Teilen angesprochen, Herr Ploß. Wir müssen uns aber auch bei den Energiequellen deutlich breiter aufstellen. Dazu gehört auch der Aufbau der nötigen Infrastrukturen, damit unsere Häfen ein Tor zum Weltmarkt für grüne Energieträger werden können.
Und wir dürfen bei der Energieversorgung nicht von einer Ressourcenabhängigkeit in eine Transportabhängigkeit steuern. Um uns in der Energie- und Grundstoffversorgung dauerhaft unabhängig zu machen und die Versorgungssicherheit für unseren Industriestandort zu gewährleisten, benötigen wir eine hochflexible Tankschiffflotte in staatlicher Hoheit. Diese soll nicht nur LNG, sondern perspektivisch auch Wasserstoffderivate transportieren können. Der Bau einer solchen Flotte würde übrigens auch unsere Werften und die Zulieferindustrie auslasten und damit die maritime Wirtschaft stärken und Arbeitsplätze in unserem Land sichern.
Zur Neuaufstellung unserer Handelspolitik gehört auch eine strategische Fokussierung auf die deutschen Seehäfen; das ist richtig, Herr Ploß. Wir stärken unsere Häfen als zentrale Warenumschlagplätze und Energiedrehscheiben. Der Bund steht zur gemeinsamen Verantwortung für die notwendigen Infrastrukturen. Das haben wir übrigens in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben; das gab es mit der Union vorher nicht.
Viele haben noch die Havarie der „Ever Given“ im Suezkanal vor Augen. Schiffe dieser Größe bergen ein erhebliches Risiko für Bevölkerung, Küste und Umwelt. Das Bundesverkehrsministerium – Herr Ferlemann kann davon ein Lied singen; der hat ja lange da gearbeitet – hat endlich erkannt, welche hohen Risiken von solchen übergroßen Schiffen ausgehen, wenn diese die Zufahrt zum Hamburger Hafen, zu den bremischen Häfen oder die Kadetrinne in der Ostsee blockieren.
Mit der staatlichen Vorhaltung von Präsenzschleppern soll hier vorgesorgt werden. Für den Einsatz von Schleppern auf Bundeswasserstraßen und auf seewärtigen Zufahrten in den Häfen sollen die deutsche Flagge und damit verbindliche Arbeits-, Sicherheits- und Sozialstandards vorgeschrieben werden.
(Beifall bei der SPD)
– Die Kollegen klatschen; da haben sie recht. – Einen entsprechenden Haushaltsbeschluss gibt es ja bereits. Bitte setzen Sie den Beschluss zügig im Bundesverkehrsministerium um! Der Staatssekretär a. D. kann auch ein Lied davon singen, dass das manches Mal ein bisschen lange dauert. Viele europäische Staaten machen das nämlich bereits so. Internationale Großreedereien, die aus marktstrategischen Gründen ihre eigenen Schlepper mitbringen, darf es bei uns so nicht geben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, noch immer werden 90 Prozent des internationalen Warenhandels über den Seeweg umgeschlagen. Ohne Frage: Unsere Häfen sichern Deutschlands Rolle als eine der führenden Exportnationen der Welt. Unsere Häfen müssen anfangen, stärker zusammenzuarbeiten. Darum begrüße ich die Entwicklung einer Nationalen Hafenstrategie.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und des Abg. Bernd Riexinger [DIE LINKE])
Die Potenziale der Digitalisierung, Automatisierung und Innovation müssen ausgeschöpft werden, um die maritime Ausbildung und Beschäftigung zukunftsfähig zu gestalten. Die Schifffahrt und die Seehäfen sind nur so gut wie die Menschen, die an Bord und an den Kajen arbeiten; das haben Sie eben gar nicht erwähnt, Herr Ploß. Wir müssen die Beschäftigten bei diesem Transformationsprozess mitnehmen und die Arbeitsplätze im gesamten maritimen Cluster damit dauerhaft sichern.
Der Plan zur Erarbeitung der Nationalen Hafenstrategie ist ambitioniert; aber spätestens im Herbst zur Nationalen Maritimen Konferenz in Bremen müssen erste Ergebnisse vorliegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich persönlich wünsche mir die stärkere Einbindung des Parlaments. Wir und Sie haben dazu auch die Expertise. Wir erwarten dann auch greifbare Resultate und nicht nur ein weiteres Papier zum Thema Hafen; davon haben wir genug. Ich bin sicher: Diese Koalition wird auch hier Antworten geben, die in die Zukunft gerichtet sind. Schauen, was geht, nicht immer nur aufzeigen, was nicht geht!
Liebe Union, ich hätte mir gewünscht, dass die Forderungen, die Sie jetzt in Ihrem Antrag aufgestellt haben, bereits in den letzten Jahren von Ihnen gekommen wären. Dann müssten Sie den Antrag heute gar nicht erst einbringen; das hätten Sie mit uns als SPD schon längst haben können. Dann wären wir jetzt ein gutes Stück weiter. Aber Ihre CSU-Minister hatten ja mit Salzwasser nicht ganz so viel am Hut.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Fakt ist: China redet nicht nur von der Neuen Seidenstraße, dort setzt man um, vor allen Dingen zulasten der europäischen Häfen insgesamt. Hier gilt es, nicht nur zuzusehen, sondern auch zu handeln. Ihr Antrag ist aus meiner Sicht bereits durch Regierungshandeln dieser Fortschrittskoalition erledigt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Zuruf des Abg. Thomas Bareiß [CDU/CSU])
Wir geben unsere maritime Infrastruktur, Kollege Bareiß, und die exzellenten nautischen Kenntnisse deutscher Seeleute nicht weiterhin preis, wie das unter der Union ständig fortgeführt worden ist. Ich sage nur: Schiffsbesetzungsverordnung; das war Ihr Kollege Dobrindt. Wir treten für die Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen auf europäischer Ebene ein und sichern so die Wettbewerbsfähigkeit unserer deutschen Seehäfen. Dafür werde ich mich weiter einsetzen.
Ich bedanke mich und freue mich auf die weitere Beratung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Nächster Redner ist René Bochmann für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7550177 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 80 |
Tagesordnungspunkt | Hafenstandort Deutschland |