20.01.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 80 / Tagesordnungspunkt 26

Stephan MayerCDU/CSU - Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Wir beraten heute in zweiter und dritter Lesung das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie. Ich möchte vorwegschicken: Wir als CDU/CSU-Fraktion werden uns enthalten; ich sage das ganz offen. Das hat auch gute Gründe. Ich kann dabei Bezug nehmen auf meine Rede in der ersten Lesung.

Wir erkennen natürlich die Notwendigkeit an, die Richtlinie der EU vom 27. November 2019 fristgerecht in deutsches Recht umzusetzen. Nur, dass wir – das ist der erste Kritikpunkt – nur elf Tage vor Ablauf der Umsetzungsfrist das Gesetz heute in zweiter und dritter Lesung beraten, hat ausschließlich die Ampelkoalition verschuldet.

(Zuruf der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– Es war Ihr Verschulden. – Vor allem haben Sie den unredlichen Versuch unternommen, über die Hintertür eine Änderung des Lobbyregistergesetzes mit hineinzuoperieren,

(Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: So ist das!)

die sachlich mit dem Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie ganz und gar nichts zu tun hat. Gerade eine Koalition, die die Themen „Respekt“, „Anstand“ und „Fairness“ immer wie eine Monstranz vor sich her trägt, sollte sich das schon mal vergegenwärtigen. Das, was Sie Ende November gemacht haben, war ein absolut unangemessener, ich würde sogar sagen: ein politisch unanständiger und unfairer Umgang mit dem Parlament und vor allem mit der Opposition.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Am 29. November 2022 nach 18 Uhr, also nach Dienstschluss vieler Abgeordnetenbüros, kam der umfangreiche Änderungsantrag der Koalition zum Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie für die am nächsten Morgen stattfindende Rechtsausschusssitzung. In diesem Änderungsantrag war ohne sachlichen Zusammenhang eine Änderung des Lobbyregistergesetzes mit vorgesehen,

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Ja!)

die hier überhaupt nicht erwartbar war und die, wie gesagt, in keinem sachlichen Zusammenhang mit dem vorliegenden Gesetz steht.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Völlig intransparent!)

Das ist unanständig. So was tut man einfach nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU – Stephan Brandner [AfD]: Das haben Sie doch auch oft gemacht!)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, um was ging es da? Da ging es um eine aus Ihrer Sicht wünschenswerte Verschiebung des Inkrafttretens des Lobbyregistergesetzes für NGOs, für Nichtregierungsorganisationen, vom 1. Januar 2023 auf den 1. Januar 2024. Auch sachlich ist diese Änderung nicht gerechtfertigt. Sie haben sie jetzt herausoperiert, weil Sie beim Schummeln, beim Tricksen erwischt wurden.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Genau!)

Jetzt wollen wir uns mal ganz konkret mit dem Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie auseinandersetzen.

(Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt geht es los!)

Auch hier möchte ich Ihnen klar entgegenhalten: Das Gesetz ist gut gemeint, aber leider nicht so gut gemacht, wie es hätte gemacht sein können, insbesondere wenn Sie unserem Änderungsantrag gefolgt wären.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich muss Ihnen, Herr Dr. Lieb, schon sagen: Ich fand das sehr schade. Wir haben in der ersten Lesung ja zum Ausdruck gebracht, dass wir gesprächsbereit und auch offen für konstruktive Verhandlungen sind. Sie sind in keiner Weise auf uns zu gekommen. Sie haben unseren Änderungsantrag ignoriert. Sie sind auf keinen einzigen Punkt unseres Änderungsantrags eingegangen; Sie haben nichts davon auch nur berücksichtigt. Das ist aus meiner Sicht auch kein fairer Umgang mit der Opposition.

Dass dieses Gesetz jetzt in Kraft treten muss, ist klar. In elf Tagen läuft die Umsetzungsfrist ab. Es geht um die Vorschriften über grenzüberschreitende Umwandlungen, sprich: Spaltungen, Verschmelzungen und Formenwechsel von Unternehmen. Das ist vom Grundsatz her zu begrüßen. Es ist auch zu begrüßen – das sage ich ganz offen –, dass die Zuständigkeit für die Missbrauchskontrolle in Zukunft bei Registergerichten liegen wird. Also: Wenn der Verdacht auf ein missbräuchliches, ein kriminelles oder ein betrügerisches Verhalten vorliegt, müssen in Zukunft die Registergerichte vor der Zustimmung zur Verschmelzung eine Prüfung vornehmen. Vom Grundsatz her ist das richtig.

Ich sage nur ganz offen: In der Praxis wird es meistens um Steuerdelikte gehen. Es wird um Betrug bei Sozialversicherungsbeiträgen gehen. Ich frage mich nur, wie die armen Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger an den Registergerichten in der Lage sein sollen, diese häufig komplexen steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Thematiken zu klären.

Es wäre deutlich sinnvoller gewesen, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung einzuführen, die im Vorfeld von den Steuerbehörden oder von den Sozialversicherungsträgern entsprechend vorzulegen ist. Das ist ein klarer Kritikpunkt. Vom Grundsatz her ist es aber richtig, dass diese Missbrauchskontrollen stattfinden.

Es ist auch richtig, dass in Zukunft, wenn das Spruchgericht zu dem Ergebnis kommt, dass eine nicht angemessene Kompensation von bestimmten Anteilseignern vorliegt, auch ein Ausgleich durch bare Zuzahlung möglich sein wird.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich habe es erwähnt: Wir haben im Vorfeld der Befassung im Rechtsausschuss einen sehr umfangreichen Änderungsantrag eingebracht. Ich möchte auf einige der Punkte durchaus noch eingehen, weil sie es aus meiner Sicht wert sind, beleuchtet zu werden.

Zum Ersten stellt sich die entscheidende Frage: Wie geht man in Vergleichsverhandlungen vor dem Spruchgericht mit dem Fall um, dass sich die Antragsgegner mit der Mehrheit der Antragsteller einig sind, was den Vergleich anbelangt? Wir sind der Meinung: Wenn die Mehrheit der Antragsteller, die mindestens 90 Prozent des gehaltenen Stammkapitals umfasst, sich mit den Antragsgegnern über eine bestimmte Kompensation einig sind, dann sollte das Spruchgericht an den vorgeschlagenen Vergleich auch verpflichtend gebunden sein.

Nach der jetzt vorliegenden Fassung ist das nur eine Sollbestimmung. Aus unserer Sicht gibt es gute Gründe dafür, dass dieses Ergebnis gelten muss, wenn sich die Antragsteller, die mindestens 90 Prozent des Stammkapitals halten, mit den Antragsgegnern einig sind.

(Beifall bei der CDU/CSU – Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Ein zweiter wichtiger Punkt. Wie geht man mit den Rechten und den Anwartschaften und Rentenansprüchen der Arbeitnehmer um, vor allem bei grenzüberschreitenden Umwandlungen? Der jetzige Gesetzentwurf sieht vor, dass der in Deutschland verbliebene Rechtsträger maximal zehn Jahre für die Anwartschaften haftet. Der Rechtsträger im EU-Ausland, der häufig sogar den überwiegenden Teil des Vermögens übernimmt, haftet überhaupt nicht.

Ich denke, es ist gerade im Hinblick auf die Sicherung der Altersversorgungsansprüche der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein eklatanter, ein kapitaler Fehler, wenn hier keinerlei Haftungsregelungen für den Rechtsträger im EU-Ausland eingeführt werden und der deutsche Rechtsträger für diese Altersversorgungsansprüche maximal nur zehn Jahre haftet.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Was ich auch ganz deutlich kritisieren möchte, ist die Terminologie. Man kann ja sehr EU-Recht-freundlich oder sogar EU-Recht-hörig sein

(Heiterkeit des Abg. Fabian Jacobi [AfD])

und sagen: Wenn in einer EU-Richtlinie ein neuer Begriff kreiert, eine neue Terminologie erfunden wird – in diesem Fall das sogenannte Nettoaktivvermögen –, dann übernehmen wir pflichtschuldigst diesen neuen Begriff ins deutsche Recht.

Ich sage ganz offen: Ich bin hier eher altbacken

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Konservativ!)

und eher traditionell.

(Stephan Brandner [AfD]: Waren Sie schon immer so EU-kritisch?)

Wenn sich deutsche Rechtsbegriffe bewährt haben, beispielsweise der Begriff des Reinvermögens als Differenz zwischen dem Aktivvermögen und den Schulden, dann sollte man diese bewährten deutschen Rechtsbegriffe auch weiter verwenden

(Fabian Jacobi [AfD]: Nein! Ganz gefährliche extremistische Tendenzen!)

und sich nicht im vorauseilenden Gehorsam irgendeiner neuen europäischen Rechtsterminologie anschließen. Aus meiner Sicht wird da nicht mehr Rechtssicherheit geschaffen, sondern deutlich mehr Rechtsunsicherheit kreiert.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie gesagt: Vom Grundsatz her ist dieses Gesetz notwendig; es ist in einem Land, das exportstark ist, das vor allem natürlich auch vom internationalen Handel und natürlich auch von internationalen Geschäftsbeziehungen abhängt, sehr wichtig; aber es gibt, wie erwähnt, durchaus auch Kritikpunkte.

Ich möchte, nachdem ich die terminologischen Verfehlungen benannt habe, auch eines noch ganz deutlich kritisch anmerken. Es geht dabei um die Frage, wie man mit folgender Fallkonstellation umgeht: Ein börsennotiertes Unternehmen soll verkauft werden. Es erfolgt die pressewirksame Ankündigung: Ein Unternehmen XY wechselt den Hauptanteilseigner. – Es erfolgt beispielsweise sogar ein sogenanntes Delisting von der Börse.

Es gibt eine sehr interessante Studie, die im Auftrag des Bundesfinanzministeriums durchgeführt und im September 2022 veröffentlicht wurde, die zu dem Ergebnis kommt, dass allein die Ankündigung, dass ein Unternehmen aus dem Börsenhandel genommen wird, massive Auswirkungen auf den Börsenkurs hat.

Deswegen haben wir in unseren Änderungsantrag einen sehr wichtigen Punkt aufgenommen: Das Spruchverfahrensgesetz soll dahin gehend geändert werden, dass allein schon die Ankündigung eines Delistings im Börsenhandel in den Anwendungsbereich des Spruchverfahrensgesetzes aufgenommen werden soll, dass also dann auch den Minderheitsgesellschaftern, den Minderheitsanteilsinhabern, die gleichen Rechte zustehen sollen wie bei anderen Tatbeständen, bei denen das Spruchverfahrensgesetz Wirkung hat. Auch hier ist die Koalition aus meiner Sicht deutlich zu kurz gesprungen.

Das Spruchverfahrensgesetz wird insgesamt geändert; das ist zu begrüßen. Es wird ein Anwaltszwang eingeführt. Es werden auch die Rechte der Mehrheitsgesellschafter dahin gehend verbessert, dass Klagen von Minderheitsgesellschaftern keine suspensive Vollzugswirkung mehr haben – das ist vom Grundsatz her zu begrüßen –, begleitet davon, dass, wenn eine unangemessene Kompensation festgestellt wird, auch eine bare Zuzahlung als Ergänzung mit erfolgen kann.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich habe zu Beginn angekündigt, wir hätten dem Gesetz gerne zugestimmt. Aus zwei entscheidenden Gründen können wir es nicht. Wir werden uns enthalten, einerseits weil materiell-rechtlich viel zu wenig auf unsere Änderungsvorschläge eingegangen wurde und andererseits weil, wie ich schon ausgeführt habe, die Rechte der Opposition wirklich in eklatanter Weise missachtet wurden.

In diesem Sinne: Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Mayer. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Carmen Wegge, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7550193
Wahlperiode 20
Sitzung 80
Tagesordnungspunkt Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie
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