20.01.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 80 / Tagesordnungspunkt 26

Carmen WeggeSPD - Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen!

(Fabian Jacobi [AfD]: Singular bitte: „der demokratischen Fraktion“!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Heute beschließen wir endlich das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie und nehmen damit ein Vorhaben – das haben wir heute schon gehört – von europäischer Reichweite in den Blick. Das Gesetz ist Teil eines größeren Richtlinienumsetzungspaketes; denn erst Ende letzten Jahres hat der Deutsche Bundestag in zweiter und dritter Lesung das Gesetz zur Umsetzung der Bestimmungen der Umwandlungsrichtlinie über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitenden Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen beschlossen, kurz: MgFSG. Heute beraten wir nun den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie, das sogenannte UmRUG, abschließend im Bundestag. Die Gesetze werden die wirtschaftliche Vernetzung innerhalb der EU fördern und in der Praxis für Rechtssicherheit sorgen.

Die Begrifflichkeiten dieser Gesetze – das haben wir ja gerade gehört, und das gebe ich auch gerne zu – sind im ersten Moment etwas sperrig. Aber in diesem Gesetz treffen auf engstem Raum fundamentale Gesellschafts- und Rechtsprinzipien aufeinander und werden miteinander verflochten. Es geht um zwei Grundpfeiler unserer Wirtschaftsordnung:

Erstens, die Niederlassungsfreiheit: Dabei handelt es sich um eine der Grundfreiheiten innerhalb der Europäischen Union.

Zweitens, die Unternehmensmitbestimmung: Dabei geht es um den Einfluss der Betriebsangehörigen auf wirtschaftliche bzw. unternehmerische Entscheidungen, was dem nationalen Recht entspringt. Beide Grundpfeiler sind für viele in Deutschland selbstverständlich, wobei die betriebliche Mitbestimmung nichtsdestotrotz immer wieder erkämpft und geschützt werden muss.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

– Da klatscht nicht nur die SPD, sondern – das finde ich gut – die ganze Fortschrittskoalition.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das muss man schon einmal festhalten, wenn das der Fall ist!)

Mit der Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie schaffen wir nun eine bessere und kohärentere Rechtssystematik für Unternehmen, die ihre Gesellschaftsform im europäischen Raum wechseln wollen. Das ist angesichts des stark verflochtenen Wirtschaftsraums der Europäischen Union folgerichtig und entspricht dem Sinn und Zweck des Prinzips der Niederlassungsfreiheit.

Zum anderen ist das Wirtschaftssystem aber nicht frei von historisch erkämpften Rechten, insbesondere den Minderheitsrechten. Der derzeitige Entwurf behandelt die Rechte dreier schutzbedürftiger Gruppen: die Rechte der Gläubigerinnen und Gläubiger, die der Minderheitsgesellschafterinnen und Minderheitsgesellschafter und die der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Während die ersten beiden Gruppen – und das auch zu Recht – im Kabinettsentwurf bereits mit weitreichenden Schutzvorschriften bedacht wurden, haben wir es im parlamentarischen Verfahren erreicht, dass die Regelungen für den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im jetzigen Entwurf deutlich verbessert wurden.

Auch hier sieht man: Die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen immer wieder erkämpft werden – in den Betrieben, auf der Straße, aber auch im Parlament.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Für uns ist klar: Nicht nur wir als SPD, sondern auch die Fortschrittskoalition steht felsenfest hinter dem Schutz der Mitbestimmungsrechte. Das deutsche Mitbestimmungsrecht ist ein Leuchtturm der Arbeitnehmer/-innenrechte und auch Inspiration für andere Länder. Dies hat nicht zuletzt der renommierte Ökonom Thomas Piketty in seinem vielbeachteten Buch „Eine kurze Geschichte der Gleichheit“ dargestellt. Wie er zutreffend feststellt, ist das deutsche Mitbestimmungsrecht – neben dem nordischen – ein Eckpfeiler der Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auf das wir stolz sein können. Es dient dazu, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer langfristig für ihre Arbeit im Unternehmen zu motivieren. Denn nur dort, wo man mitreden und mitentscheiden kann, kann man sich auch wohlfühlen und bleibt man auch.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Studien zeigen zudem, dass die Regelungen zur Mitbestimmung dazu führen, dass die Leistungsfähigkeit in den Unternehmen steigt – ein Effekt, der gerade in schweren Wirtschaftszeiten wie diesen nicht unterschätzt werden sollte.

Wir benötigen die Bindung aller Menschen an ein Unternehmen, um unsere Wirtschaft konkurrenzfähig zu halten. Deswegen war es uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auch so wichtig, die „missbräuchliche Umgehung“ durch Umwandlung in eine ausländische Unternehmensform zu verhindern. Das erreichen wir im Gesetz folgendermaßen: Die deutschen Registergerichte müssen eine solche gesellschaftsrechtliche Umwandlung genehmigen. Wird eine gesellschaftsrechtliche Umwandlung aber nur betrieben, um Mitbestimmungsrechten zu entfliehen, wird diese nicht genehmigt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir geben als Gesetzgeber Anhaltspunkte vor, bei denen die Gerichte genau hinschauen und prüfen. In diesem Prüfverfahren haben – das war uns besonders wichtig – auch die Gewerkschaften die Möglichkeit, angehört zu werden. So kann der Sachverhalt umfassend aufgeklärt und Missbrauch vorgebeugt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich sehe also insgesamt keinen Grund, diesem Gesetz die Zustimmung zu verweigern, zumindest inhaltlich nicht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wegge. – Nächster Redner ist der Kollege Fabian Jacobi, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7550194
Wahlperiode 20
Sitzung 80
Tagesordnungspunkt Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie
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