Manuel HöferlinFDP - Aktuelle Stunde - Lützerath
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Jahren und Monaten – und auch in dieser Diskussion wieder – hat man den Eindruck gewonnen, dass etwas sehr Wichtiges in Bezug auf Demokratie und Rechtsstaat, in dem wir leben, in Vergessenheit geraten ist, nämlich: Die Regeln unseres Zusammenlebens und die Regeln, wie wir gemeinsam zu Entscheidungen kommen, sind, finde ich, die besten, die wir je hatten. Ich kenne jedenfalls kein besseres System, um gemeinsam zu Entscheidungen zu kommen, als das, was wir jetzt haben, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Günter Krings [CDU/CSU])
Dazu tragen unter anderem ganz wesentlich die Meinungsfreiheit und das Demonstrationsrecht bei, die auch in Deutschland zu Recht besonders geschützt sind. Jeder kann seine Meinung in diesem Land vertreten. Jeder kann für seine Anliegen demonstrieren, und es spielt keine Rolle, ob er eine Mehrheit vertritt, ob er eine Minderheit vertritt oder ob er eine Einzelmeinung vertritt. Auch die kann er äußern. Jeder kann für seine Überzeugungen auf die Straße gehen und sich Gehör verschaffen.
So kommen in unserem Land auch politische Entscheidungen zustande; denn auch dort werden Meinungen gehört, Standpunkte miteinbezogen, und all das mündet in einen Kompromiss, den am Ende die Mehrheit der Menschen mittragen kann und mit dem am Ende auch alle Betroffenen leben müssen, meine Damen und Herren. Das ist unser System. Das sind die Regeln, die wir uns gegeben haben.
Auch nach diesen Entscheidungen kann jeder noch seine Meinung vertreten. Auch nach diesem Kompromiss kann jeder auf die Straße gehen und demonstrieren und kann im Rahmen unserer Möglichkeiten sagen, womit er nicht einverstanden ist. Dieser Mechanismus hat uns zu einem der freiesten und fairsten Länder der Welt gemacht.
(Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es!)
Aber eben dieser Mechanismus, meine Damen und Herren, ist in letzter Zeit sehr stark unter Druck geraten. In den letzten Jahren – übrigens auch während der Pandemiezeit in erheblichem Maße – und auch aktuell bei den Demonstrationen in Lützerath steht nämlich eines nicht mehr im Mittelpunkt, der Konsens, sondern der eigene Standpunkt und die eigene Meinung werden absolut gesetzt. Die Kompromisse werden nicht mehr als Gewinn für die Gesellschaft, sondern als persönliche Niederlagen empfunden. Und dann passieren die Grenzüberschreitungen, mit denen wir jetzt in Lützerath, aber davor auch schon an anderen Stellen, immer wieder konfrontiert werden. Es wird versucht, den eigenen Standpunkt, weil er für absolut gehalten wird, mit allen Mitteln durchzusetzen. Ich fand es vorhin gut erklärt: Das Argument von der Notwehr gegen den Staat, das dort vorgebracht wird, bezieht sich darauf, sich gegen einen Unrechtsstaat zu wehren, in dem eben nicht die Meinungsfreiheit existiert, in dem nicht der Rechtsweg offensteht. Das ist bei uns aber genau nicht der Fall. Dann schlägt diese absolute Meinung um in Gewalt, und diese rote Linie, meine Damen und Herren, die dürfen wir auf keinen Fall zulassen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der AfD)
Der Rechtsstaat ist hier gefordert. Der Rechtsstaat ist dort gefordert, wo Steine und Molotowcocktails gegen Polizisten fliegen, wo diese roten Linien überschritten werden. Egal wie nobel oder einleuchtend für den Einzelnen sein Motiv sei: Dieser Grundkonsens unserer Gesellschaft, dass wir eine friedliche Konfliktlösung im Inneren in unserer Demokratie haben, darf nicht aufgegeben werden. Diejenigen, die dagegen verstoßen, die das aufkündigen, die dürfen nicht auf mildere Umstände hoffen, egal wie sehr sie sich im Recht sehen und welchen Zielen sie sich verpflichtet fühlen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Christina Baum [AfD])
Daher ist es auch ein Bärendienst, den diese Personen der Mehrheit der Demonstrierenden erweisen; denn die Mehrheit der Demonstrierenden geht ja friedlich auf die Straße und will friedlich ihre Meinung vertreten.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Es ist deshalb umso wichtiger, dass diejenigen, die dort friedlich ihre Meinung kundtun, die demonstrieren gehen, ganz genau hinschauen, mit wem sie dort Hand in Hand gehen. Und es ist die Verantwortung derjenigen, die unsere Systeme zur Meinungsäußerung und zum Demonstrationsrecht in Anspruch nehmen, zu schauen, dass sie sich dieser Überquerung der roten Linie entgegenstemmen und dass sie sich klar davon abgrenzen, dass man diese Regeln mit Füßen tritt und Gewalt gegen Polizisten und Polizistinnen anwendet.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Eigentlich müsste heute nicht über Gewalt in Lützerath, sondern über Klimaschutz gesprochen werden. Aber wir tun es genau wegen dieser Chaoten nicht.
Eines ist mir noch wichtig, zu sagen: Die Polizistinnen und Polizisten, die den Rechtsstaat und die Demokratie verteidigen, haben unseren Dank und unsere Rückendeckung im besonderen Maße verdient. Denn oft wird auch vergessen, dass eigentlich wir dort stehen, weil wir Menschen aus unserer Gesellschaft dorthin geschickt haben. Jeder Polizist bzw. jede Polizistin ist eine Mutter, ein Vater, eine Ehefrau, eine Schwester, die am Abend auch wieder nach Hause gehen möchte. Und diese brachiale Gewalt und der Hass, die unseren Vertretern der Demokratie und des Rechtsstaats entgegenschlagen, sind für mich unerträglich. Das ist absolut unverschämt den Menschen gegenüber. Vorhin ist es auch gesagt worden: Da stecken Menschen dahinter. Das sollte man am Ende nicht vergessen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Rainer Kraft für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7550219 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 80 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Lützerath |