Nina ScheerSPD - Aktuelle Stunde - Lützerath
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte, damit es nicht zu kurz kommt, voranstellen, dass die allermeisten Proteste in Lützerath friedlich waren. Das muss wirklich vorangestellt werden.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Es hilft aber nicht! – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Die hätten alle gar nicht in Lützerath sein dürfen! – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Es gab ein Betretungsverbot in Lützerath!)
Denn sonst könnte alleine der Titel der heutigen Aktuellen Stunde in die Irre führen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das soll aber überhaupt nichts verharmlosen. Klar ist, dass der Protest, der eben nicht friedlich war und wo Widerstand tatsächlich in Form von Gewalt gegen den Staat geleistet wurde, auch so benannt werden muss. Das ist natürlich absolut inakzeptabel und wird zu Recht zur Anklage und vor Gericht gebracht. Die Gerichte – und niemand anderes im Rechtsstaat als die Gerichte – haben dann zu entscheiden und zu bewerten,
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Parlament kann das auch bewerten! Das machen wir gerade!)
welches einzelne Verhalten wirklich strafwürdig und im Sinne des Rechtsstaats auch als Gewalttat zu verurteilen ist,
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wo wollen die Grünen denn das aufarbeiten?)
weil es sich eben nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes bzw. auf dem Boden des Rechtsstaats bzw. unserer rechtsstaatlichen Ordnung bewegt.
(Beifall bei der SPD)
Insofern ist auch ganz klar – ich möchte das jetzt schon zweifach vorgetragene Zitat auch noch mal bringen; denn es passt wirklich genau in diese Debatte –: Wer mit Steinen auf Polizisten wirft, der trifft den Rechtsstaat. – Das trifft es wirklich. Deswegen muss auch ganz klar festgestellt werden: Das Gewaltmonopol liegt beim Staat, und es muss beim Staat bleiben. Es kann niemand für sich reklamieren oder selbst in die Hand nehmen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU] und Lukas Benner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Insofern ist es auch wichtig, noch mal an die Demonstrierenden zu appellieren und zu erläutern, was das Demonstrationsrecht – es ist ja ein Grundrecht – uns Menschen ermöglicht. Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Rechtsgut, das auch weite Spielräume in diesem Land hat, und das soll auch so bleiben. Deswegen ist es wichtig, dass man die Grenzen aufzeigt.
Diese Grenzen sind ganz klar – das sollte sich jeder Demonstrierende vergegenwärtigen –: Es geht um Meinungskundgabe und nicht darum, mit Mitteln der physischen Präsenz Entscheidungen, die rechtlich legitimiert sind, umzukehren bzw. das selbst empfundene Recht mit physischer Gewalt durchzusetzen. Das ist keine Meinungsäußerung mehr, und genau da endet eben auch das Demonstrationsrecht, das in unserem Staat geschützt ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])
Insofern appelliere auch ich noch mal ganz explizit an alle Demonstrierenden, dass sie sich nicht von dieser Panik, man könne nur auf diesem Weg Klimaschutz betreiben, erfassen lassen. Nein, das ist der falsche Weg.
Der richtige Weg ist, politisch zu agieren, die politische Kraft in die Parteien zu tragen, die politische Kraft in die Parlamente zu geben, in die Vereine, die sich gemeinsam mit der Politik für etwas einsetzen und selber Teil der Politik in unserem Rechtsstaat sind.
Die Parteien sind in einer Parteiendemokratie unverzichtbar.
(Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf die AfD könnte man verzichten!)
Ich wiederhole: Es gibt weltweit keine funktionierende Demokratie, die keine Parteiendemokratie wäre. Insofern ist es in unserem Rechtsstaat elementar, dass wir all unsere politische Kraft eben in unseren Parteien – rechtsstaatlichen Parteien natürlich – verwurzeln und damit die Klimapolitik nach vorne bringen.
Natürlich müssen wir den Umstieg auf die erneuerbaren Energien beschleunigen. Ich möchte jetzt doch auch mal anerkennen bzw. auch für Anerkennung werben, dass der Beschluss, um den es hier geht, sehr wohl ein Fortschritt gegenüber dem ist, was man vorher hatte. Wenn man den Beschluss jetzt infrage stellt, muss man auch sehen, dass vor diesem eine längere Nutzung von Kohlekraftwerken vorgesehen war.
Zur Demokratie gehört eben, dass man um bestmögliche Ergebnisse ringt; das gilt auch für den Klimaschutz. Und wenn die Ergebnisse nicht zufriedenstellen, müssen sie auf demokratischem Wege und nicht auf dem Weg der Gewalt angepasst werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zum Schluss möchte ich auf die Sichtbarkeit von Energiepolitik und der Klimaschutzpolitik eingehen. Denn auch in der Demokratie kann sich nur das wirklich durchsetzen, was auch sichtbar ist. Insofern ist es unabdingbar, dass sich jede politische Kraft so sortiert, dass sie sichtbar, aber eben nicht über Gewalt sichtbar wird. Das ist genau der falsche Weg.
Vielmehr muss Sichtbarkeit über das gesprochene Wort, die Argumentation und durch das Ringen um die besten Argumente hergestellt werden. Gerade in Zeiten, in denen es so viel um Fake News geht und die Tatsachen und Meinungen durcheinandergehen, ist das umso wichtiger. In diesem Sinne mein Appell.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und des Abg. Wilfried Oellers [CDU/CSU])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 80 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Lützerath |