25.01.2023 | Deutscher Bundestag / 20. EP / Session 81 / Tagesordnungspunkt 4

Knut AbrahamCDU/CSU - Belarus

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Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen eigentlich viel zu selten von Belarus – gut, dass wir das heute tun –, dabei liegt das Land mitten in Europa. Dort entspringt die Memel, ein Fluss von großer Bedeutung in der europäischen Geschichte. Die Belarussen sind Europäer wie wir, wie die Iren, die Dänen oder die Serben.

Nie ist mir das deutlicher geworden als im Sommer der Hoffnung des Jahres 2020 in Belarus, als Tausende junger Belarussen vor den Botschaften ihres Landes standen, um an den Wahlen teilzunehmen, von denen sie bereits befürchten mussten, dass sie massiv gefälscht werden würden. Ich habe damals mit diesen jungen Leuten gesprochen. Das war in Warschau, wo viele Tausend Belarussen studieren und von einem Leben in einem freien Land als Teil des freien Europa träumen; so, wie sie es in ihrem Alltag in Polen sehen.

Doch Belarus wird seit den grotesken Wahlfälschungen weiter von einem komplett illegitimen Machthaber regiert. Gestützt auf das Moskauer Regime, unterdrückt er die Freiheitsbewegung, drangsaliert die nationalen Minderheiten, vor allem die polnische, und kerkert Tausende ein. Die wenigen Entlassenen berichten von barbarischen Haftbedingungen. Grauenvoll ist auch, wie das Regime des Lukaschenka Migranten missbraucht.

An all dem wird sich leider kurzfristig nicht viel ändern. Moskau wird Lukaschenka weiter stützen; denn Belarus spielt für Russland eine enorm wichtige Rolle als Aufmarschgebiet im Kampf gegen die Ukraine. Von dort aus wird die Ukraine bedroht und beschossen. Aber auch für den Transit von Russland in dessen Territorium um die Stadt Königsberg, die auf Polnisch Królewiec, auf Litauisch Karaliaučius heißt und den traurigen russischen Namen Kaliningrad trägt.

Was können wir tun? Das Wichtigste, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist, Belarus Aufmerksamkeit zu geben. Polen tut das in vorbildlicher Weise. Überhaupt hat Polen eine regional äußerst aktive Politik. Das ist gut so, da Deutschland in Mittel-/Osteuropa durch die Politik der Bundesregierung in eine selbst geschaffene Riesenlücke gefallen ist. Wir hier im Bundestag schaffen heute mit dieser Debatte – übrigens auf unsere Initiative – Aufmerksamkeit für Belarus.

Dazu habe ich fünf Botschaften. Zunächst eine Botschaft an das belarussische Volk: Liebe Belarussen, liebe europäische Landsleute, gebt die Hoffnung nicht auf!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Jedes Regime hat mal ein Ende. Dann ist es eure Entscheidung, wie ihr euer Land gestaltet.

Eine Botschaft an die belarussische Opposition: Seid einig, nur dann seid ihr stark, im Land und im Exil! Es ist ganz klar: Swetlana Tichanowskaja hat die Wahlen gewonnen. Daher hat sie, und nur sie, eine einzigartige Legitimität von der Bevölkerung erhalten. Sie ist die zentrale Leitfigur.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Carina Konrad [FDP])

Dann habe ich eine Botschaft an diejenigen im Apparat, die Verantwortung für ihr Land und dessen Bürger empfinden und die wissen, dass ihr Staatspräsident ohne Legitimität regiert: Beteiligen Sie sich nicht an den Repressionen! Werden Sie nicht mitschuldig! Helfen Sie, so gut Sie können, den Bedrängten.

Und ich habe eine Botschaft an die Folterknechte: Seien Sie gewiss, man kennt Ihre Namen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ja!)

Ihre Verbrechen und die Ihrer Vorgesetzten werden dokumentiert, und Sie werden angeklagt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Hier steht jetzt „Pause“; denn jetzt komme ich zur Bundesregierung. Die Bundesregierung kann viel mehr tun, sogar sehr viel mehr. Denn es fehlt oberhalb des Engagements der deutschen Botschaft in Minsk und der Bemühungen der Diplomaten auf Arbeitsebene die zentrale politische Ansprechperson. Bis zum Antritt dieser Bundesregierung gab es einen Koordinator mit der wichtigen, wenn auch etwas sperrigen Bezeichnung „Koordinator für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland, Zentralasien und den Ländern der Östlichen Partnerschaft“. Unser viel zu früh verstorbener Kollege Andreas Schockenhoff etwa hat diese Position in unvergessener Weise großartig ausgeführt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Seit Antritt dieser Bundesregierung, der Ampel, ist diese Position nicht besetzt. Das ist schlecht. Deswegen habe ich schriftlich nachgefragt – mit mehr als frustrierendem Ergebnis; denn auf meine Frage antwortete mir Staatssekretär Michaelis vom Auswärtigen Amt am 23. Dezember mit einem kommentarlosen Verweis auf die Antwort auf eine Frage des Kollegen Hahn von den Linken vom 29. Juli. Ich habe mir natürlich die Mühe gemacht, nachzusehen, was das für eine wichtige, aussagekräftige Antwort gewesen sein könnte. Am 5. August schrieb das Auswärtige Amt, dass eine Benennung beabsichtigt sei. Man habe aber über den Zeitpunkt und eventuelle Anpassungen der Aufgabenbeschreibung noch nicht entschieden. Das war am 5. August. Heute haben wir den 25. Januar. Passiert ist nichts, und das ist peinlich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist auch ein Versäumnis gegenüber der belarussischen und der russischen Opposition in der gesamten Region. Die Menschen schauen nämlich mit unglaublicher Hoffnung auf Berlin. Deswegen ist es so wichtig, dass wir agieren. Ich schlage daher vor, dass anstelle des bisherigen KO-RUS, wie das in der Beamtensprache heißt, ein KO-OST berufen wird, ein Koordinator für die östlichen Beziehungen. Hauptaufgabe: Kontakt zur demokratischen Opposition in Belarus und Russland, dazu: Koordinierung der zivilgesellschaftlichen Begleitung des Weges der Ukraine, von Moldau und Georgien in die Europäische Union und die Koordinierung des zivilgesellschaftlichen Kontakts nach Aserbaidschan und Armenien und Zentralasien, kurz: KO-OST.

Wenn Sie aus Ihren Reihen im letzten halben Jahr offensichtlich niemand Geeigneten gefunden haben, fragen Sie uns; wir haben gute Leute. Aber vor allem ernennen Sie bitte einen Koordinator für diese wichtige Aufgabe! Noch einmal: Die Hauptaufgabe ist die Koordinierung unserer Unterstützung für die Opposition in Belarus und Russland.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist gut, dass wir heute über Belarus sprechen. Ich freue mich sehr auf den weiteren Verlauf der Debatte. Ich werde genau zuhören, wer sich wie zu diesem blutrünstigen Regime äußert. Je mehr Aufmerksamkeit Belarus erfährt, desto besser. Und bitte unterstützen Sie unseren guten Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Abraham. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Nils Schmidt SPD-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

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Electoral Period 20
Session 81
Agenda Item Belarus
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