Gero Clemens HockerFDP - Bäuerliche Familienbetriebe in Deutschland
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will das an dieser Stelle mal sehr deutlich sagen: Wie ausgerechnet die AfD glaubt, sich an eine bürgerliche Zielgruppe wie die der Landwirtinnen und Landwirte heranwanzen zu können, eine soziale Gruppe, die eigentlich zutiefst tolerant organisiert ist, die da draußen unternehmerisch unterwegs ist,
(Zurufe von der AfD)
die sich bürgerlichen Werten verpflichtet fühlt, das, meine Damen und Herren, ist an Plumpheit und an Peinlichkeit nicht zu überbieten.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Peter Felser [AfD]: Das ist plump, was Sie hier reden! – Zuruf des Abg. Stephan Protschka [AfD])
Ich will mal ganz ausdrücklich sagen, woran ich das festmache, verehrter Herr Kollege Protschka. Seit Bestehen Ihrer Partei haben Sie erst den Euro und einen gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsraum in Europa abgelehnt.
(Stephan Protschka [AfD]: Das machen wir immer noch!)
Später haben Sie Zuwanderung sozusagen als Quell allen Übels ausgemacht,
(Bernd Schattner [AfD]: Die wollen wir immer noch nicht!)
und mit Innovation und Fortschritt haben Sie es ja ehrlicherweise sowieso nicht wirklich. Dazu sage ich Ihnen ganz ehrlich: Nicht eine einzige der Vorstellungen, für die Sie und Ihre Partei stehen, würde die Landwirtschaft im Jahre 2023 auch nur einen Millimeter weiterbringen. Deswegen ist das, was Sie hier heute versuchen, so peinlich.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ihnen ist ganz offenbar überhaupt nicht bewusst, was es gerade für die Landwirtschaft heißen würde, wenn wir keinen gemeinsamen Währungsraum, keinen gemeinsamen Wirtschaftsraum in Europa hätten. Ein erheblicher Teil der Vorprodukte, der Landmaschinen, des Düngers stammt aus den europäischen Nachbarländern und wird in Deutschland verwendet.
(Zuruf des Abg. Stephan Protschka [AfD])
Ein erheblicher Teil der hochwertigsten Erzeugnisse, die in Deutschland landwirtschaftlich produziert werden, geht ins europäische Ausland. Ich stelle mir nur mal vor: Wenn für all diese Transaktionen noch das Wechselkursrisiko bestehen würde, hieße das, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass die Erzeugerpreise und die Verbraucherpreise steigen würden. Das zeigt sehr deutlich, wie segensreich es ist, einen gemeinsamen Währungs- und Wirtschaftsraum in Europa zu haben.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Zweiter Punkt, der zur DNA Ihrer Partei gehört: Zuwanderung verhindern. Protestieren Sie gerne! Ich würde mich freuen; aber Sie tun es nicht. – Sie hätten in den vergangenen Tagen bzw. heute oder morgen vielleicht mal zur Internationalen Grünen Woche gehen und mit Betriebsinhabern, mit Obstbauern, mit Menschen aus vielen anderen Bereichen sprechen sollen, die existenziell davon abhängig sind, dass Menschen als saisonale Arbeitskräfte nach Deutschland kommen. Und wenn Menschen saisonal kommen – nicht einmal, nicht zweimal, sondern häufig genug: zum 10., zum 15. Mal –, wenn Generationen später Kinder und Kindeskinder auch saisonal zum Arbeiten nach Deutschland kommen,
(Bernd Schattner [AfD]: Was hat das mit Zuwanderung zu tun? – Stephan Protschka [AfD]: Was hat das mit Zuwanderung zu tun?)
dann entwickelt sich bei vielen auch der Wunsch, sich in Deutschland zu integrieren und in Deutschland eine Existenz zu gründen. Meine Damen und Herren, diesen Menschen reichen wir gerne die Hand.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der AfD. Wir auch!)
Das zeigt, dass Ihre antiquierten Vorstellungen überhaupt keinen Bestand und keine Wertigkeit haben. Deswegen sind Sie keine Alternative für Landwirte, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dritter Punkt. Ihre Vorstellung von Landwirtschaft beinhaltet, dass sie am besten so erfolgen sollte wie vor 30, 40 Jahren: Der Bauer bewirtschaftet seine Scholle, am besten mit einem Ochsen vor dem Pflug, und er läuft hinterher.
(Stephan Protschka [AfD]: Das sind die Grünen! – Bernd Schattner [AfD]: Das sind die Ökosozialisten! – Gegenruf von der CDU/CSU: Ruhig, ihr Braunen, ruhig! – Carina Konrad [FDP]: Was ist denn da los?)
Und Kinder werden auf die Felder geschickt, um die Kartoffelkäfer einzusammeln. Das ist im Grunde Ihre Vorstellung von Landwirtschaft, wie sie vor 50, vor 60 Jahren mal erfolgte. Ich sage Ihnen eines: Sie werden so keine Perspektive bieten, um die 82 Millionen Menschen in Deutschland auf diese Art und Weise zu ernähren, und erst recht nicht die 8 Milliarden Menschen auf diesem Planeten.
(Zuruf des Abg. Stephan Protschka [AfD])
Da ist nicht gefordert, die Technologien von vor 50, 60 Jahren wieder aufs Tapet zu zaubern. Dafür, meine Damen und Herren, brauchen wir etwas anderes: Dafür brauchen wir innovative Züchtungsmethoden, dafür brauchen wir Vertical Farming, dafür brauchen wir künstliche Intelligenz. Ich sage es Ihnen ganz ausdrücklich: Nach intensiver Lektüre Ihres Antrages würde ich mir wünschen, dass in Ihren Anträgen künftig mal ein bisschen mehr natürliche Intelligenz zum Ausdruck kommen würde.
Vielen Dank fürs Zuhören.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bernd Schattner [AfD]: Bei Ihnen reicht noch nicht einmal künstliche Intelligenz!)
Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Dr. Oliver Vogt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7550317 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 81 |
Tagesordnungspunkt | Bäuerliche Familienbetriebe in Deutschland |