26.01.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 82 / Tagesordnungspunkt 6

Verena HubertzSPD - Regierungserklärung zum Jahreswirtschaftsbericht 2023, Jahresgutachten des Sachverständigenrates

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir in Vorbereitung auf diese Rede heute den Wirtschaftsbericht vom letzten Jahr angeschaut. Ich habe mal mit Strg + F, also der Suchfunktion, nach ein paar Schlagwörtern geguckt. Stichwort „Erdgas“: Es war letztes Mal 3‑mal drin, dieses Mal 21‑mal. Viel einschneidender ist aber natürlich das Wort „Krieg“: 2021: 0‑mal, jetzt: 52‑mal. Das zeigt doch, dass das Jahr 2022 ein Jahr mit einem Einschnitt ist, ein Jahr wie noch kein anderes und ein Jahr, in dem vor allen Dingen besonnenes Handeln nötig ist.

Herr Spahn, es ist ja schön und gut, wenn man die Dinge in Talkshows fordert und mal hier und mal da seine Meinung äußert. Diese Regierung aber, angeführt von einem Bundeskanzler Olaf Scholz, regelt die Dinge zusammen mit unseren Partnern und fordert eben nicht mal hier und da, das Gas abzudrehen, oder dies oder das. Wir handeln mit Verantwortung in dieser Zeit für die Menschen in der Ukraine, aber auch für die Menschen in diesem Land.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Da bin ich sehr dankbar angesichts dieser Fraktion, aber auch angesichts dieses Handelns der Regierung.

(Zuruf von der AfD: Handeln ist ja auch deren Job!)

Ja, das Jahr war anstrengend für die Wirtschaft. Wir haben keinen Einbruch erlebt – der Minister ist eben darauf eingegangen –, sondern sogar noch ein leichtes Wirtschaftswachstum von 1,9 Prozent. Da muss man sich ja auch die Frage stellen, warum wir einigermaßen gut durch diese Krise gekommen sind: eben weil wir eine Regierung haben, die handelt. Auf der einen Seite hat sie für Versorgungssicherheit gesorgt, indem wir die Gasspeicher vollgemacht haben. Auf der anderen Seite hat sie aber auch Hilfspakete geschnürt, und ganz zum Schluss hat sie für einen Abwehrschirm gesorgt mit Gaspreisbremsen, mit Strompreisbremsen, die den großen Unternehmen, den kleinen Unternehmen, aber auch den Menschen in diesem Land helfen, dass wir weiterhin gut durch diese Krise kommen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Aber natürlich stehen wir nicht still, sondern wir blicken nach vorn. Dieser Wirtschaftsbericht gibt uns dort auch Hausaufgaben mit. Wir sind ein Land ohne Ressourcen wie Öl oder Gas. Unsere Ressourcen sind die Talente, die Köpfe, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir sind ein Land der Dichter und Denker und der Ingenieure. Wir brauchen aber gerade jede Menge Fachkräfte. Wir brauchen jede Menge Kräfte in diesem Arbeitsmarkt: Pro Jahr fehlen uns 400 000, die wir auch durch Zuwanderung hierhinbekommen wollen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie Sie vielleicht mitbekommen haben, haben wir letzte Woche hier die Fachkräftestrategie der Bundesregierung diskutiert. Diese Regierung sorgt nicht nur dafür, dass wir hier gute Gesetze machen, sondern auch dafür, dass es praxisnah gelingt, dass Menschen hier im Land einen Arbeitsplatz finden.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Und: Ja, Sie mögen auf das Bürgergeld schimpfen. Aber, Herr Spahn, wenn Sie sagen, wir seien in der alten Zeit stehen geblieben, möchte ich doch mal hervorheben: Die alte Zeit hat nicht funktioniert, in der wir sanktioniert und „Jetzt mach mal hier oder da“ gesagt haben.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das neue Bürgergeld ist eine Weiterbildungsoffensive für die Wirtschaft, indem wir die Menschen an die Hand nehmen, indem wir für Aufstieg sorgen. Das ist doch genau das, was wir tun müssen: Alle in Arbeit bringen, die wollen und können.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sie können sich die Welt auch schönreden!)

Natürlich haben wir Rohstoffe, über die wir mit anderen Ländern verhandeln wollen. Wir haben letztes Jahr einen Haken hinter CETA gemacht. Wir diskutieren nachher Mercosur. Wir brauchen natürlich mehr Handel in Zeiten, wo sich die Welt weiterdreht, wo wir diversifizieren und uns breiter aufstellen müssen und wollen.

Frau Kollegin Hubertz, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung aus der CDU/CSU-Fraktion?

Gerne.

Herr Kollege.

Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben gesagt, die Maßnahmen haben nicht funktioniert. Wir hatten 2005 eine Arbeitslosenquote von 12,5 Prozent. Wir hatten 2019 eine Arbeitslosenquote von unter 5 Prozent; wir hatten Vollbeschäftigung. Das ist nämlich die Definition von Vollbeschäftigung. Da würde mich interessieren, warum Sie sagen, dass die Maßnahmen nicht funktioniert haben. Es hat noch nie eine so hohe Beschäftigung in Deutschland gegeben. Ich würde sogar sagen: Es hat hervorragend funktioniert.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Danke für Ihre Frage. – Aber wir müssen natürlich hinter den Zahlen auch die Menschen sehen.

(Lachen bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Carsten Träger [SPD], an die CDU/CSU gewandt: Was gibt es denn da zu lachen? – Felix Banaszak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an die CDU/CSU gewandt: Für die Menschen interessieren Sie sich nicht so sehr, was? Wie kann man so zynisch sein?)

Es gibt viele Langzeitarbeitslose in diesem Land. Es geht darum, diese Langzeitarbeitslosen, die – oftmals ohne Schulabschluss, ohne Berufsausbildung – schon sehr lange in diesen Statistiken sind, zu befähigen und zu fragen: „Was ist denn dein Talent? Was möchtest du denn?“,

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau Klöckner lacht auch immer noch! Keine Ahnung von der Lebenswirklichkeit!)

und nicht nur schnell zu vermitteln.

Natürlich sind die Zahlen so: Wir haben jetzt einen krassen Arbeitsmangel, und wir brauchen alle hier in diesem Land – gerade auch Frauen, die in der Teilzeitfalle festhängen, weil die Kinderbetreuung noch nicht gut genug ist, und Menschen, deren Leben nicht immer nur eins oder null oder schön oder einfach ist, sondern bei denen verschiedene Probleme zusammenkommen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ach so!)

Vielleicht haben Sie sich mal mit Menschen auseinandergesetzt, die Bürgergeld – vor Kurzem war es noch ALG II – beziehen. Es gibt sehr viele Menschen, die Grundsicherungsleistungen schon lange beziehen. Das betrifft auch ihre Kinder, die wir jetzt aber mit Ausbildungs- und Zuverdienstmöglichkeiten incentivieren, sodass sich Leistung lohnt. Daher gibt es ein Bildungsgeld, ein Qualifizierungsgeld. Ja, da packen wir an. Deswegen ist das Bürgergeld eine Trendwende.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich möchte abschließen mit dem Titel des Jahreswirtschaftsberichts, der da heißt: „Wohlstand erneuern“. Wohlstand ist nicht nur BIP und Industrie. Transformation ist nicht nur Digitales und Energie. Es geht doch darum, dass wir in diesem Land den Wohlstand erneuern, Aufstieg ermöglichen. Das sage ich hier auch als Gründerin, die durch ein gegründetes Unternehmen selbst gezeigt hat, dass in diesem Land jede Menge Innovation steckt. Da packen wir an – für die Wirtschaft, aber auch für die Menschen in diesem Land. Ich lade Sie gerne zur konstruktiven Mitarbeit ein.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Leif-Erik Holm.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7550332
Wahlperiode 20
Sitzung 82
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung zum Jahreswirtschaftsbericht 2023, Jahresgutachten des Sachverständigenrates
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