Sebastian RoloffSPD - Regierungserklärung zum Jahreswirtschaftsbericht 2023, Jahresgutachten des Sachverständigenrates
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Es ist ja schön, zu hören, dass es auch noch Vorredner gibt, über deren Niveau ich vielleicht noch ein bisschen rüberkomme. Das gibt mir Hoffnung.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
– Jetzt warten wir die vier Minuten mal ab. Aber ich versuche es zumindest.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir diskutieren über den zweiten Jahreswirtschaftsbericht in dieser Legislaturperiode. Wer hätte vor einem Jahr, als wir logischerweise den ersten in der Regierungszeit dieser Bundesregierung diskutiert haben, gedacht, dass wir nach diesen außerordentlich turbulenten Zeiten heute so dastehen, wie wir dastehen? Wir sind auf der einen Seite unabhängig von russischer Energie. Es hat in Rekordzeit funktioniert, auch Fehler und falsche Einschätzungen der Vergangenheit zu korrigieren. Ich sage nicht, welche „hilfreichen“ Hinweise der Union uns da nicht geholfen hätten. Auf der anderen Seite haben wir es geschafft, das Land zusammenzuhalten. Wo war der heiße Herbst, der teilweise von parteipolitisch interessierter Seite herbeigeredet wurde?
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Von den Grünen habe ich das gehört! Von der Außenministerin!)
Offensichtlich hat es den nicht gegeben. Und wir haben 2022 ein moderates Wirtschaftswachstum erzeugt, und es sieht so aus, dass wir 2023 eine Rezession vermeiden können. Das ist außerordentlich erfreulich. Diese Bilanz kann sich gerade vor dem Hintergrund der Weltlage sehen lassen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben es geschafft, weil der Staat aktiv geworden ist. Mit den Entlastungspaketen haben wir Privathaushalte und Unternehmen massiv unterstützt. Und man kann es nicht oft genug sagen: Alleine die Energiepreisbremsen haben die Inflation ungefähr um 1,5 Prozent gesenkt – spürbar, jetzt schon. Deswegen begrüße ich es ganz ausdrücklich, dass der Jahreswirtschaftsbericht deutlich macht, dass wir weiter in die Zukunftsfähigkeit Deutschlands investieren müssen und die Handlungsfähigkeit des Staates sichergestellt und bewiesen werden muss. Diese Rolle ist richtig und nötig. Und Institutionen, die jetzt nicht unmittelbar verdächtig sind, sofort den Sozialismus einführen zu wollen, wie zum Beispiel IWF, Weltbank und OECD, sagen alle, dass es ein ganz gravierender Faktor in diesen Zeiten ist, dass der Staat eine aktive Rolle spielt. Sie loben sogar den Mindestlohn und setzen sich für globale Mindeststeuern ein.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dementsprechend kann man sich daran orientieren.
In einer Welt, in der China schon länger mit Fünfjahresplänen agiert und auch die USA mit dem viel bemühten und morgen noch mal diskutierten Inflation Reduction Act massiv in den Markt eingreifen, müssen wir uns über die Strategie der nächsten Jahre und den aktiven Staat wirklich Gedanken machen. Wer von einem Nachtwächterstaat philosophiert, kann sofort die weiße Fahne über dem Industriestandort Europa hissen.
Klar ist eben auch, dass Arbeitsplätze und Wohlstand nur mit einer wirklich aktiven Industriepolitik zu sichern sind und bei der sozial-ökologischen Transformation zu bewahren sind. „ Whatever it takes“ muss die Antwort sein. Das gilt zum Beispiel für den Industriestrompreis, den wir sehr zeitnah für grünen Strom einführen müssen. Es gilt selbstverständlich auch, dass wir den sozialen Zusammenhalt und die materielle Teilhabe immer mitdenken müssen, weil das den Populisten die Grundlage entzieht und zur Wohlstands- und Lebensqualität aller beiträgt. Und wem das nicht reicht, der muss sich wenigstens vor Augen führen, dass es vor allem die Binnennachfrage ist, die das Bruttoinlandsprodukt bestimmt. Alleine das sollte doch Motivation sein, hier die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen.
Klar ist auch, dass das finanziert werden muss, und da kommen wir an Fragen der Verteilungsgerechtigkeit und nach der Einnahmeseite mittelfristig nicht vorbei. Da finde ich es zum Beispiel sehr bemerkenswert, dass die Wirtschaftsweisen Ende 2022 – auch die stehen ja nicht im Verdacht, den Sozialismus einführen zu wollen – angeregt haben, den Spitzensteuersatz für Spitzenverdienende anzuheben. Auch da freue ich mich weiterhin auf freundschaftlichen Austausch in der Koalition.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP)
Herr Minister, ich kann Sie jetzt aus Zeitgründen nicht so würdigen, wie ich es gerne gemacht hätte. Es stimmt wirklich; ich kann Ihnen das Manuskript schicken.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich bedanke mich bei Ihnen und dem ganzen Team des Hauses für den Job, den Sie gemacht haben und der im letzten Jahr wirklich ein Höllenjob war, und freue mich insbesondere, dass der Jahreswirtschaftsbericht Wohlstand nicht nur am BIP misst, sondern umfassend.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Ich sehe, der Minister wartet freudig auf diesen Redebeitrag – per Post oder E‑Mail.
(Heiterkeit und Beifall des Abg. Reinhard Houben [FDP])
Nächste Rednerin: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Katharina Beck.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7550346 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 82 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zum Jahreswirtschaftsbericht 2023, Jahresgutachten des Sachverständigenrates |