26.01.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 82 / Tagesordnungspunkt 18

Sebastian RoloffSPD - Handelsabkommen EU-Lateinamerika (Mercosur)

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Rouenhoff, ich würde mir den Antrag ja gerne zu Herzen nehmen; das Problem ist: Es ist wie immer der klassische CDU/CSU-Oppositionsantrag, in dem halt steht: Die Ampel ist viel zu langsam. Es muss alles schneller gehen, und man muss es zur Not mit Gewalt ins Ziel bringen.

(Reinhard Houben [FDP]: Zu spät! Zu wenig!)

Das wird der Komplexität des Abkommens in keinster Weise gerecht.

(Peter Beyer [CDU/CSU]: Zwei Jahrzehnte verhandelt!)

– Ja, genau. – Alleine, dass die Verhandlungen 20 Jahre gedauert haben, bis man sich 2019 auf den Handelsteil geeinigt hat, zeigt doch, dass es hier nicht um einige Monate geht.

(Peter Beyer [CDU/CSU]: Das ist jetzt auch schon wieder drei Jahre her!)

Ich gönne Ihnen, dass Sie sagen, dass Sie das alles viel besser können usw. Bei uns kommt es eher auf das Ergebnis an und nicht auf den schnellen Abschluss.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das sollten Sie auch nicht als Schludern abtun; denn wir haben bei der Diskussion um CETA gesehen, dass der Rückhalt in der Bevölkerung und die kritische Würdigung dieser Abkommen auch Herausforderungen sind. Da gibt es Vorbehalte – die gibt es bei Mercosur auch, im Übrigen noch viel deutlicher als bei CETA –, und die muss man ernst nehmen.

Grundsätzlich haben wir im Übrigen überhaupt keinen Dissens. Dass wir uns natürlich überlegen müssen, gerade vor dem Hintergrund der neuen internationalen Situation seit letztem Jahr, mit wem wir verstärkt und vereinfacht Handel treiben wollen, wie wir unsere Lieferketten diversifizieren und wie wir unsere Wirtschaft stärken, da sind wir im Ziel beieinander. Aber das muss man richtig machen, und man muss es auch gemeinsam mit der Bevölkerung machen.

240 000 Jobs in Deutschland hängen schon jetzt an Exporten an die Mercosur-Staaten, und fast 13 000 Firmen aus Deutschland exportieren schon jetzt dorthin, im Übrigen 72 Prozent KMUs. All die würden von gemeinsamen Standards, Compliance-Verfahren, der Teilnahmemöglichkeit an öffentlichen Ausschreibungen und expliziten KMU-Klauseln zur Unterstützung profitieren. Es sind positive Effekte, die aber in der öffentlichen Diskussion teilweise ein bisschen unterrepräsentiert sind.

Die Frage der geschützten Begriffe ist auch nicht zu unterschätzen. Ich als Münchner Abgeordneter finde zum Beispiel, dass man Münchner Bier vielleicht als Begriff schützen sollte.

(Peter Beyer [CDU/CSU]: Dann machen wir mal ein Biertasting!)

Das wird ein Punkt sein, auf den ich besonders achte, aber vielleicht nicht der wichtigste.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Kölsch müsste auch geschützt werden!)

– Das wäre eine richtig kontroverse Debatte. Das machen wir bei Gelegenheit.

Wir haben die große Herausforderung, die Bevölkerung mitzunehmen. Deswegen wäre es schön, wenn wir uns hier nicht gegenseitig unterstellen, es gehe zu langsam und es werde geschludert. 46,3 Prozent der befragten Wirtschaftsführer aus acht EU-Mitgliedstaaten sind besorgt, dass Mercosur kommt. Sie befürchten negative Effekte. Wenn man sich dann aber ansieht, dass nur 22,4 Prozent den Inhalt überhaupt kennen, dann ist bemerkenswert, dass diese Vorbehalte so vorhanden sind.

Das Marktforschungsunternehmen Kantar hat 2020 eine Umfrage zum Mercosur-Abkommen durchgeführt und festgestellt, dass 80 Prozent der Befragten davon noch gar nichts gehört haben. Das deckt sich ganz offensichtlich nicht mit den Vorbehalten, die es gibt. Dementsprechend bringt es im Übrigen auch nichts, die Ratifizierung zu splitten. Wir müssen erklären, wir müssen fertigverhandeln und wir müssen entsprechend kommunizieren, und das geht selbstverständlich nur unter Beteiligung der nationalen Parlamente.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

– Danke schön.

Teil dieser Aufgabe, zu informieren, ist es auch, die Vorteile aufzuzeigen, die mit Mercosur einhergehen können; aber selbstverständlich – ich sage es noch einmal – immer unter Ernstnehmen der Bedenken.

Wir haben zum Beispiel mit dem Wahlsieg von Lula noch einmal eine gute Chance, den Schutz des Regenwaldes viel stärker zu priorisieren, als wir es ohnehin vorhatten. Wir haben eine ganze Reihe von nachhaltigkeitsbezogenen, aber auch verbindlichen, auf Gegenseitigkeit beruhenden Begleitmaßnahmen für das Abkommen erarbeitet und mit den Partnern ausgetauscht. Das sind Schritte in die richtige Richtung. Man kann sagen, dass es zu langsam geht; aber wenn es in die richtige Richtung geht, ist es grundsätzlich erst einmal zu begrüßen, auch wenn wir natürlich mitnehmen, dass man die Kommunikation vielleicht ausweiten sollte.

Völlig klar ist, dass wir das Pariser Klimaschutzabkommen einhalten und auch ehrlich einhalten müssen und das nicht nur in Sonntagsreden fordern. Klar ist, dass wir eine Stärkung und eine effektive Durchsetzung der Menschenrechtsklausel brauchen, zum Beispiel durch Monitoring und Beschwerdeinstanzen für alle Stakeholder, die dann aber auch wirkungsvolle Sanktionsmaßnahmen mit sich bringen müssen.

Wir brauchen die ILO-Kernarbeitsnormen, die verankert werden müssen. Dass auch die ILO-Kernarbeitsnormen zwar begrüßenswert sind, aber noch weit davon entfernt sind, das zu sein, was wir gute Arbeit nennen, ist klar, ist aber ein wesentlicher Punkt, und wir müssen selbstverständlich die Betroffenen vor Landnahme und Vertreibungen schützen. Natürlich muss auch das EU-Vorsorgeprinzip ebenso gelten wie die verbindliche und sanktionierbare Einhaltung der Standards für Tierhaltung und Umweltschutz.

Das braucht seine Zeit, und wir unterstützen die EU-Kommission gerne in der entsprechenden Debatte. Wir haben auch bei CETA schon gesehen – dieses Beispiel bemühen Sie ja immer sehr gerne –, dass unsere Intervention als Deutschland und als Ampel auch nach einer länglichen Diskussion das Abkommen verbessert hat. Dementsprechend hoffe ich, dass wir die gleichen Erfolge bei Mercosur erzielen. Ich wäre froh, wenn es nicht nur Oppositionsgebell gäbe, sondern konstruktive Vorschläge und gemeinsame Versuche zur Kommunikation.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Dr. Malte Kaufmann ist der nächste Redner für die AfD.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7550354
Wahlperiode 20
Sitzung 82
Tagesordnungspunkt Handelsabkommen EU-Lateinamerika (Mercosur)
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta