Manuel GavaSPD - Handelsabkommen EU-Lateinamerika (Mercosur)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine stehen wir in der Tat in Europa verstärkt vor der Aufgabe, unsere Wirtschaftsbeziehungen neu zu bewerten. Wir brauchen ein gerechtes und stabiles Gleichgewicht zwischen moralischen Ansprüchen und wirtschaftlichen Interessen. Das bedeutet auch, weltweit nach Partnern zu suchen, mit denen wir unsere strategischen Partnerschaften ausbauen können. Gemeinsam werden wir diesen Prozess hin zu einer sozialen, ökologischen und menschenrechtlichen Neuausrichtung der EU-Handelspolitik anstoßen, die den Herausforderungen unserer Zeit gerecht wird. Zudem – das muss man sagen – sind mit den Wahlsiegen von progressiven Kräften in Lateinamerika große Hoffnungen verbunden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion, wir haben ja heute einiges gehört. Sie haben schon 2019 Ihre Lateinamerika-Karibik-Strategie beschlossen, und als Grundlage für Ihre angestrebte Partnerschaft haben Sie unter anderem die historisch gewachsene Verbundenheit genannt. Das stimmt, die gibt es. Meine Familie – ein Teil davon wohnt in Brasilien – ist heute Morgen extra früh aufgestanden, um mir und auch Ihnen heute zuzuhören.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Peter Beyer [CDU/CSU]: Schöne Grüße!)
Aber zur Wahrheit gehört auch: Von dieser Verbundenheit haben häufig wir hier in Europa profitiert.
Auch betonen Sie, dass die internationale regelbasierte Ordnung zu erhalten und zu stärken sei. Aber dass die Wirtschaftsstrukturen vieler Länder Lateinamerikas bis heute von diesen Abhängigkeiten geprägt sind, findet in diesem Papier keinerlei Erwähnung. Ganz im Gegenteil: Sie befeuern mit Ihren Forderungen ein bisschen – verzeihen Sie mir! – in kolonialer Manier ein Wettrennen um Rohstoffe zu unserem Vorteil.
Nicht zuletzt nehmen Sie in Ihrem Antrag von der kritischen Bewertung der Freihandelsabkommen in der Entwicklungspolitik überhaupt keine Notiz. Sie fordern auf, die europäische Handelspolitik – jetzt kommt’s – nicht mit „sachfremden Themen“ zu überfrachten. – Okay.
(Stefan Rouenhoff [CDU/CSU]: Richtig!)
Doch bei Ihnen kommt es mir manchmal ein bisschen so vor, als ob Menschenrechte, Naturschutz, nachhaltige Lieferketten irgendwie lästiges Gedöns seien.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das sind keine sachfremden Themen; das sind entscheidende Themen, auch bei Handelsabkommen. Selbstverständlich ist das so.
(Zuruf des Abg. Stefan Rouenhoff [CDU/CSU])
Das machen wir in der Ampel jetzt selbstverständlich anders. In unserem Koalitionsvertrag haben wir verankert, dass unsere Wertegemeinschaft mit den Demokratien in der Region Lateinamerikas und der Karibik gestärkt werden soll. Die Reisen demnächst zeigen ja auch in die richtige Richtung; das machen wir. Aufbauend auf unserer Lateinamerika-und-Karibik-Initiative werden wir das Engagement ausweiten und den Gesellschaften in Lateinamerika – das ist jetzt auch wieder besonders wichtig – im Kampf gegen Populismus und Autokraten zur Seite stehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ja, wir werden uns für die Ratifizierung des Mercosur-Abkommens einsetzen; das werden wir tun. Dafür brauchen wir überprüfbare rechtliche und verbindliche Verpflichtungen zum Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsschutz mit diesen Partnerländern. Vor allen Dingen der Schutz des Regenwaldes spielt selbstverständlich eine zentrale Rolle; denn wir brauchen nachhaltige Rohstoffpartnerschaften und einen verantwortungsvollen Umgang mit global begrenzten Ressourcen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich durfte zum Zeitpunkt der Wahl von Präsident Lula mit einigen Kollegen aus der SPD-Fraktion in Brasilien sein, und wir haben viele Gespräche mit Akteuren aus Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft ausgetauscht.
(Stephan Brandner [AfD]: Sie fliegen? Mit CO2?)
– Ja, können Sie ohne CO2 fliegen? Das weiß ich gar nicht, Herr Brandner.
(Stephan Brandner [AfD]: Sie reden doch immer davon!)
– Okay, darauf wollte ich gar nicht eingehen. – Die haben uns jedenfalls gesagt: Natürlich wollen wir den Handel mit Europa weiter ausbauen. Sie wollen aber nicht nur der Exporteur von Bodenschätzen und Agrarprodukten sein, sondern sie wollen, dass Wertschöpfung auch in Lateinamerika entsteht. Genau dazu hat vor allen Dingen China in den letzten Jahren nicht unbedingt beigetragen; denn für China ist Lateinamerika vor allem ein Rohstofflieferant und weniger ein strategischer Partner auf Augenhöhe. Wir wollen es anders machen. Für uns sind gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne vor Ort besonders wichtig, gerade für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie haben es eben gesagt: Mit dem Mercosur-Abkommen entsteht eine Handelszone mit über 780 Millionen Konsumenten. Von daher wollen wir daran arbeiten. Wir haben aber auch eine Verantwortung dafür, dass die Menschenrechte garantiert werden, dass Umwelt und Klima geschützt und die guten Arbeitsbedingungen für die Menschen sichergestellt sind. Das hat im Übrigen auch Präsident Lula in seiner allerersten Ansprache gesagt: Er möchte Mercosur, er wird aber kein Mercosur unterzeichnen – das sieht seine Regierung auch so –, in dem das keine Rolle spielt. Die AfD will nix.
(Zuruf von der AfD: Das stimmt nicht, dass wir nichts wollen!)
Und ich möchte, dass Sie zum Ende Ihrer Rede kommen. Ich bin sicher.
Die Linken wollen auch nicht zustimmen. Sie von der CDU/CSU wollen es auf jeden Fall. Wir machen es auf konstruktive Art und Weise.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Deborah Düring hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7550365 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 82 |
Tagesordnungspunkt | Handelsabkommen EU-Lateinamerika (Mercosur) |