Emmi ZeulnerCDU/CSU - Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Patientenberatung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, lieber Herr Minister Lauterbach, es ist schon irgendwie putzig, wie Sie sich hierhinstellen und verkünden, dass die Entbudgetierung der Kinderärzte jetzt tatsächlich kommt. Man kann auch ein bisschen dankbar sein, dass in der Regel nur 50 Prozent Ihrer Ankündigungen tatsächlich in die Umsetzung gehen. Das letzte Mal hatten Sie versprochen, dass Kinderkrankenpfleger, die über die Zeitarbeit auf den Kinderstationen arbeiten, vollumfänglich aus dem Pflegebudget refinanziert werden sollen. Das bedeutet also, dass ein Intensivpfleger, der beispielsweise 70 000 Euro in der Festanstellung kostet, zukünftig auch dann vollumfänglich über Zeitarbeit refinanziert werden soll, wenn er 140 000 Euro kostet. Da gehen wir als Union nicht mit. Wir lehnen diesen Vorschlag ab. Aber dankenswerterweise haben Sie ja nur 50 Prozent von dem umgesetzt, was Sie versprochen haben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir diskutieren auch eine Reduzierung der Größe des Deutschen Bundestages, um diesen nicht weiter aufzublähen. Dieses Ziel ist sehr richtig. Gleichzeitig aber schafft diese Bundesregierung 10 000 neue Stellen und bläht die Verwaltung damit immer weiter auf,
(Beifall der Abg. Dr. Ingeborg Gräßle [CDU/CSU])
anstatt erst zu digitalisieren und Synergien zu nutzen.
Dieser Eindruck bleibt leider auch beim Durchlesen des Gesetzentwurfs zur Unabhängigen Patientenberatung, den wir heute debattieren, hängen. Denn anstatt die Chance zu nutzen, Doppelstrukturen aufzulösen und eine ernstgemeinte integrierte Gesundheitsversorgung, also eine ganzheitliche Versorgung für die Menschen in unserem Land, zu organisieren, wozu eben auch die Beratung zählt, schaffen Sie solitäre Lösungen. Ihre selbstgesteckten Ziele aus dem Koalitionsvertrag können nicht erfüllt werden.
(Zuruf der Abg. Martina Stamm-Fibich [SPD])
Um es noch mal klarzustellen, damit man mich nicht bewusst falsch versteht: Die stärkere Einbindung von Selbsthilfegruppen und Patientenorganisationen in Entscheidungsstrukturen ist immer richtig und bleibt weiterhin ein erstrebenswertes Ziel von Politik. Nun haben wir aber den demografischen Wandel vor der Brust. Die Sozialabgaben steigen weiter und machen Arbeit teurer, und im persönlichen Empfinden vieler Menschen in unserem Land wird die medizinische Versorgung leider schlechter. Die Antwort der Bundesregierung bis hierhin sind eine angekündigte Krankenhausreform – Umsetzung unklar –, ein hinausgezögertes Personalbemessungsinstrument,
(Heike Baehrens [SPD]: Was ist das für eine Lüge?)
1 000 Gesundheitskioske und jetzt eben eine Reform der Unabhängigen Patientenberatung. Die großen Worte im Koalitionsvertrag von einer „staatsfernen und unabhängigen Struktur unter Beteiligung der maßgeblichen Patientenorganisationen“ verpuffen mit dem vorliegenden Entwurf einfach im Nichts.
15 Millionen Euro für eine Struktur, die weiterhin viel zu wenig Menschen in unserem Land kennen, sind zugleich zu viel und zu wenig. 15 Millionen Euro wirken im Vergleich zu den Gesamtausgaben von rund 300 Milliarden Euro im Krankenkassensystem – man muss sich immer wieder bewusst machen: 1 Milliarde sind 1 000 Millionen – wie ein Feigenblatt, und das legen Sie heute vor.
(Beifall bei der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich!)
Denn die Strukturen im Gemeinsamen Bundesausschuss, die angedachten 1 000 Gesundheitskioske, die Pflegestützpunkte in den Ländern, die Beratung durch den Medizinischen Dienst, die verpflichtende Pflegeberatung durch die Krankenkassen, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, das Nationale Gesundheitsportal, die Verbraucherzentralen – das sind nur einige Beispiele für Einrichtungen, an die sich Patienten wenden können –, sie alle werden in diesem Gesetzentwurf nicht mitgedacht; das wird also nicht ganzheitlich betrachtet. Wer soll sich da überhaupt noch auskennen?
(Beifall bei der CDU/CSU – Heike Baehrens [SPD]: Man muss das Ganze auch mal lesen, bevor man kommentiert!)
Aber ja, auch darauf geben Sie im Koalitionsvertrag eine Antwort. Sie wollen neue Patientenlotsen einführen; die sollen es dann richten. Die Ausgestaltung der UPD als Stiftung bürgerlichen Rechts soll die angestrebte Staatsferne und damit auch die Unabhängigkeit sichern. Gleichzeitig soll die Stiftung aber durch die gesetzlichen und privaten Krankenkassen finanziert werden. Dass wir die gesamtgesellschaftliche Aufgabe, den Menschen eine unabhängige und niedrigschwellige Beratung zu bieten, über eine pauschale Zwangsabgabe, über Beitragsgelder finanzieren lassen, erinnert sehr an das Vorgehen bei der Finanzierung der BZgA, die das Bundessozialgericht zu Recht wieder kassiert hat. Wir haben ja eigentlich etwas gelernt, nämlich dass Gelder aus der gesetzlichen Krankenversicherung nicht für versicherungsfremde Leistungen eingesetzt werden dürfen,
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Heike Baehrens [SPD]: Das sind doch keine versicherungsfremden Leistungen!)
sondern sich allein auf die Finanzierung im Binnensystem der Sozialversicherung beschränken. Kostenwahrheit und Kostenklarheit sind auch hier essenziell. Die Beitragsgelder stehen eben nicht dem allgemeinen Finanzbedarf unseres Bundesfinanzministers zur Verfügung.
(Zuruf der Abg. Linda Heitmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich gehe davon aus, dass neben Herrn Professor Dr. Thüsing weitere Verfassungsrechtler diesen Weg zu Recht als verfassungswidrig bezeichnen werden. Auch aus diesem Grunde lehnen wir den eingebrachten Gesetzentwurf ab.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Reden passen nicht mehr zusammen!)
Tessa Ganserer hat jetzt das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7550381 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 82 |
Tagesordnungspunkt | Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Patientenberatung |