26.01.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 82 / Zusatzpunkt 9

Dietmar NietanSPD - Aktuelle Stunde - Bundesverfassungsgerichtsurteil zur Parteienfnanzierung

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Würden wir uns in Fragen der Parteienfinanzierung ein Vorbild an der AfD nehmen, dann hätten wir das erlebt, was die AfD erlebt hat, nämlich dass die Bundeszentrale sozusagen in einer Hausdurchsuchung untersucht werden muss,

(Stephan Brandner [AfD]: Welche Bundeszentrale?)

weil Sie das Parteiengesetz gebrochen haben. Das Vorbild nehmen wir uns natürlich nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN – Stephan Brandner [AfD]: Im Rechtsstaat gibt es keine Vorverurteilungen, oder?)

Um es hier ganz klar zu sagen: Wenn man einen Fehler gemacht hat, muss man dazu stehen. Deshalb sage ich an dieser Stelle: Die Art und Weise, wie wir ohne Konsultationen mit den Fraktionen von Grünen, FDP und Linken innerhalb kürzester Zeit die Veränderung der absoluten Obergrenze durchs Parlament gejagt haben, war falsch.

(Stephan Brandner [AfD]: Aha!)

Das Bundesverfassungsgericht hat uns dafür die Rote Karte gezeigt, und dann muss man auch deutlich sagen: Daraus muss man jetzt auch die richtigen Schlussfolgerungen ziehen.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Also zahlen Sie alles zurück?)

Man kann bei Fehlern, die man gemacht hat, nicht mehr die Zeit zurückdrehen. Aber man kann daraus lernen, liebe Kolleginnen und Kollegen, und diese Ehrlichkeit muss man auch haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Hätten Sie mal auf uns gehört! Dann wäre das nie passiert! Wir haben das von Anfang an gesagt!)

Das Ganze hat nicht nur der Parteiendemokratie einen Bärendienst erwiesen, sondern es hat natürlich den Verächtern einer pluralistischen Parteiendemokratie eine Steilvorlage geliefert; das haben wir ja gerade gehört.

(Stephan Brandner [AfD]: Die Verächter waren Sie doch! Sie haben doch verfassungswidrig gehandelt und kein anderer! Wir doch nicht!)

– Können Sie mich mal ausreden lassen?

(Stephan Brandner [AfD]: Ja, machen Sie weiter! – Norbert Kleinwächter [AfD]: Wenn Sie uns beleidigen, dann müssen wir auch reden dürfen!)

Herr Präsident, könnten Sie diesen Störenfrieden mal bitte sagen,

(Stephan Brandner [AfD]: Sie haben verfassungswidrig gehandelt, nicht wir!)

dass die mich ausreden lassen?

(Stephan Brandner [AfD]: Ich lasse Sie ja ausreden!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD, Sie kennen ja vielleicht noch den Spruch: Wer mit dem Finger auf andere zeigt, auf den zeigen drei andere Finger zurück. Fangen wir mal mit diesen Fingern an:

Erster Finger. Das hat dankenswerterweise schon der Präsident gesagt: Der Rechtsstaat funktioniert; das haben wir hier gesehen. Die Opposition hat Klage eingereicht, der wurde stattgegeben, und Ihr Gerede, dass es in Deutschland nicht vernünftig läuft, das ist ad absurdum geführt worden.

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zweiter Finger. Ich habe es schon angedeutet: Am Mittwochmorgen des 28. September hat die Staatsanwaltschaft Berlin die AfD-Bundesgeschäftsstelle durchsucht sowie in mehreren Orten in Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen Durchsuchungen angeordnet.

(Stephan Brandner [AfD]: Das ist jetzt aber der Stinkefinger, nicht der zweite Finger!)

Dazu sagte die Parteienrechtlerin Sophie Schönberger, die ja auch die Bevollmächtigte der klagenden Fraktionen war, sie erwarte ganz empfindliche Strafen für die AfD; der Verdacht sei so konkret, dass es für einen Durchsuchungsbeschluss ausgereicht habe. Zitat von Frau Schönberger: „Hier drohen der AfD als Partei weitere Strafzahlungen.“ Sie hat „weitere Strafzahlungen“ gesagt. Denn wir wissen ja – wir denken an die unzulässige Spende, die Frau Weidel angenommen hat –, dass die AfD schon Strafzahlungen – –

(Stephan Brandner [AfD]: Sie haben 100 Millionen Euro rechtswidrig geklaut!)

– Sagen Sie mal, haben Sie überhaupt kein Benehmen mehr?

(Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso „mehr“? – Stephan Brandner [AfD]: Seien Sie einfach mal ganz still mit Ihren Vorwürfen!)

– Ich weiß, dass Sie, Sie Nazis, es nicht ertragen können, wenn man Sie kritisiert.

(Stephan Brandner [AfD]: Oh, oh!)

Aber in diesem Parlament rede jetzt ich und nicht Sie.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Herr Kollege Nietan, bei aller Nachvollziehbarkeit Ihrer inneren Erregung: Die Bezeichnung „Nazis“ hat einen Ordnungsruf zur Folge.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Warum?)

Auf den bin ich stolz, Herr Präsident.

Sie bekommen jetzt einen zweiten Ordnungsruf, Herr Nietan, weil Sie Entscheidungen von mir nicht kommentieren sollen.

Ich bitte einfach mal darum – bei aller möglichen Empörung –, dass wir jetzt versuchen, zu einer vernünftigen Debattenkultur zurückzukehren.

(Zurufe von der SPD)

Dann greifen Sie bitte ein, wenn die mich nicht reden lassen!

Ich greife ein, wenn ich es für richtig halte.

Zwischenrufe sind im Parlament erwünscht, Zwischenpöbeleien natürlich nicht; insofern ist die Grenze gerade erreicht, Herr Brandner, wenn auch noch nicht überschritten. Aber ich bitte auch darum, dass Sie sich daran halten.

Also, ich will noch mal betonen: Es wurde eine Strafzahlung in Höhe von 400 000 Euro gegen die AfD verhängt.

Ich will es mal so sagen: Wie Sie hier versuchen, das Urteil für Ihre Propaganda zu missbrauchen, das erinnert mich an einen notorischen Ladendieb, der kritisiert, dass der Gesetzgeber schlechte Regelungen zur Bekämpfung des Ladendiebstahls getroffen hat. So agieren Sie.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Und Sie verschweigen natürlich in Ihren Ausführungen, dass im Leitsatz Nummer 5

(Stephan Thomae [FDP]: Genau!)

auf der ersten Seite des Urteils des Bundesverfassungsgerichts steht – ich zitiere –:

Die Erweiterung der Kommunikationswege und ‑möglichkeiten im Zuge der Digitalisierung sowie der verstärkte Einsatz innerparteilicher Partizipationsinstrumente stellen eine einschneidende Veränderung der Verhältnisse für die Wahrnehmung des den Parteien durch Art. 21 … zugewiesenen Verfassungsauftrags dar.

Das heißt: Das Bundesverfassungsgericht erkennt die sachlichen Gründe dafür, dass man durchaus darüber nachdenken kann, die absolute Obergrenze zu erhöhen, an. Es hat aber das Ganze zurückgepfiffen, weil es schlecht, schlampig begründet war und das aus Sicht des Verfassungsgerichts nicht geht. Das haben Sie natürlich hier verschwiegen.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Weil es bekannt ist, dass Sie schlampig begründen!)

Deshalb sage ich an dieser Stelle sehr deutlich, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es kommt jetzt darauf an, sich dieses Urteil sehr genau anzugucken. Aber es kommt auch darauf an, sicherzustellen, dass wir ein modernes Parteiengesetz haben, das den Parteien auch hilft, mit den Herausforderungen im 21. Jahrhundert zurechtzukommen.

Deshalb – das möchte ich zum Schluss sagen – sehen wir die Urteilsbegründung auch als eine Chance, die handwerklichen Fehler bei der Reform des Parteiengesetzes zu reparieren. Denn inhaltlich hat das Bundesverfassungsgericht die besondere Rolle der Parteien in einer Demokratie hervorgehoben und ebenso anerkannt, dass die Digitalisierung die Parteien finanziell fordert und sich eine Anhebung der Obergrenze durchaus begründen lässt.

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.

In diesem Sinne möchte ich einfach darum bitten, dass sich die Vertreterinnen und Vertreter der fünf demokratischen Fraktionen in diesem Haus miteinander zusammensetzen, ins Gespräch kommen –

(Stephan Brandner [AfD]: Wir sollen nicht mitmachen, oder wie? Wir laden Sie auch dazu ein!)

Herr Kollege, bitte kommen Sie jetzt zum Schluss.

– und dann am Ende auch im Interesse unserer Demokratie

(Stephan Brandner [AfD]: Machen Sie einfach mit!)

das deutsche Parteiengesetz so überarbeiten, dass es den Herausforderungen der heutigen Zeit gerecht werden kann.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Nietan. – Nächster Redner ist der Kollege Ansgar Heveling, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7550420
Wahlperiode 20
Sitzung 82
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Bundesverfassungsgerichtsurteil zur Parteienfnanzierung
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