26.01.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 82 / Zusatzpunkt 9

Konstantin KuhleFDP - Aktuelle Stunde - Bundesverfassungsgerichtsurteil zur Parteienfnanzierung

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn hier im Parlament über das Parteienrecht oder über Parteienfinanzierung gesprochen und entschieden wird, dann ist das eine besonders sensible Angelegenheit. Hier entscheiden Abgeordnete, Mitglieder des Deutschen Bundestages, die typischerweise selber Mitglieder politischer Parteien sind, über die Zuwendung öffentlicher Mittel an ebendiese politischen Parteien. Deswegen gibt es einen Interessenkonflikt.

Wir haben auf der einen Seite als Abgeordnete die Funktion und die Aufgabe, die Steuergelder zusammenzuhalten. Wir haben aber auf der anderen Seite als Vertreter politischer Parteien natürlich auch ein Interesse daran, dass diese politischen Parteien auskömmlich finanziert sind. Weil es diesen Interessenkonflikt gibt, gibt es eine erhöhte Begründungsanforderung, warum politische Parteien mehr Geld aus der staatlichen Teilfinanzierung bekommen sollen. Diese Begründung ist nicht eingehalten worden. Es ist gut, dass das Bundesverfassungsgericht das festgehalten, das festgestellt hat, und es ist auch gut, dass die letzte Opposition sich dagegen zur Wehr gesetzt hat, meine Damen und Herren. Deswegen ist es gut, dass wir jetzt in diese Debatte eintreten.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer aber diese Debatte jetzt nutzt, um den Vorwurf der Selbstbedienung zu erheben,

(Stephan Brandner [AfD]: Das steht im Urteil drin! Das steht wörtlich im Urteil!)

der macht im Kern nichts anderes, als antidemokratische Reflexe zu nähren. Denn im Grundgesetz, in Artikel 21, steht ganz ausdrücklich, dass die Parteien nicht nur private Vereinigungen sind, sondern dass die Parteien eine öffentliche Funktion haben. Die politischen Parteien in Deutschland wirken an der politischen Willensbildung mit. Dafür sind sie da, das ist ihre Aufgabe und das ist im Kern auch die Begründung dafür, warum es einer staatlichen Teilfinanzierung bedarf. Wer daraus den Vorwurf der Selbstbedienung ableitet, der hat die Funktion unserer Demokratie und auch die Rolle politischer Parteien gar nicht verstanden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es ist so, dass man hier den Vorwurf der Selbstbedienung erheben kann, und das wird teilweise noch viel weiter getrieben. Es wird ein Zungenschlag in die Debatte eingeführt, dass es sich doch im Kern bei den Vertreterinnen und Vertretern politischer Parteien insgesamt im Land um nichts anderes handelt als um hochbezahlte Funktionäre. Und das ist fahrlässig;

(Stephan Brandner [AfD]: Die AfD nehme ich dabei aus!)

das ist gefährlich, weil 90 Prozent, 95 Prozent, 99 Prozent der Menschen, die sich in Deutschland für politische Parteien engagieren, das ehrenamtlich machen. Die machen das neben ihrem Job als Lehrerin, als Krankenpfleger, machen das neben ihrer familiären Verpflichtung, machen das neben der Pflege der Angehörigen. Da sitzen sie noch im Stadtrat, da sitzen sie noch im Kreisvorstand einer demokratischen Partei, da engagieren sie sich noch in anderen Vereinen.

Es ist Ausdruck unserer Demokratie, dass die Parteien verankert sind in der Mitte der Gesellschaft. Das ist übrigens im internationalen, im europäischen Vergleich etwas, was unsere deutsche Demokratie positiv abhebt von ganz vielen anderen Systemen, weil sich viele Mitglieder in politischen Parteien engagieren,

(Stephan Brandner [AfD]: Am deutschen Wesen soll …! Was?)

weil politische Parteien in der Form, wie sie in Deutschland funktionieren, einen Zugang für öffentliche Ämter eröffnen, der weit über eine kleine Clique, die das hauptberuflich macht, hinausgeht.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist eine gute Sache, dass politische Parteien in Deutschland so organisiert sind und dass sie so funktionieren.

Parteien haben diesen Doppelcharakter, den privaten – das Prä – und die Vorgabe, dass man sich zunächst aus eigenen Mitteln finanzieren muss. Das ist dann die relative Obergrenze, über die die staatliche Teilfinanzierung nicht hinausgehen darf. Es gibt aber auch eine staatliche Teilfinanzierung, die eingesetzt werden darf, um der öffentlichen Funktion von Parteien gerecht zu werden. An der Stelle sind Fehler gemacht worden. Darauf hat die letzte Opposition hingewiesen. Jetzt müssen diese Fehler ausgebügelt werden in einem neuen Gesetzgebungsverfahren, in einer neuen Diskussion.

Ich will auch darauf hinweisen, dass einer der wesentlichen Gründe, warum das Bundesverfassungsgericht sagt, dass es eine Veränderung der Grundlage der Parteienfinanzierung gibt, die Einbindung vieler Mitglieder ist. Es gibt gerade viele Mitglieder in politischen Parteien, die heute mehr Einbindung fordern, als das in den letzten Jahren und Jahrzehnten der Fall war. Diese Zunahme an Partizipationsmöglichkeiten ist eine Begründung für eine mögliche Veränderung der Parteienfinanzierung.

Ein weiterer Punkt – es ist schon genannt worden – sind die Möglichkeiten der Digitalisierung. Hier – das muss man ganz klar sagen – hat der Gesetzgeber es versäumt, aufzuzeigen, dass die Digitalisierung nicht immer nur mehr kosten muss, sondern auch mal weniger kosten kann. Wir sind sehr dafür, dass man durch die Digitalisierung Effizienzen hebt, dass man aber auch offen und transparent macht, wo sie vielleicht mehr Kosten verursacht.

Insgesamt ist die Debatte über dieses Urteil ein guter Startpunkt für eine neue Diskussion über das Thema Parteienfinanzierung. Vergessen wir aber nicht, dass politische Parteien in Deutschland eine Funktion haben, die im Grundgesetz geregelt ist, und dass wir im internationalen Vergleich wirklich glücklich und froh sein können, dass sich in Deutschland so viele Bürger ehrenamtlich in politischen Parteien engagieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jan Korte [DIE LINKE])

Das Wort hat Dr. Volker Ullrich für die CDU/CSU- Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7550429
Wahlperiode 20
Sitzung 82
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Bundesverfassungsgerichtsurteil zur Parteienfnanzierung
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