Marianne SchiederSPD - Queere Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung
Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist gut und es ist längst überfällig, dass wir uns morgen anlässlich unseres alljährlichen Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus ganz besonders den Menschen widmen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung und ihrer geschlechtlichen Identität verfolgt, gequält und ermordet wurden. Und ja, ganz besonders beschämend muss dabei für uns alle sein, dass nach dem Leiden im Nationalsozialismus kein Ende war und viele Opfer weiter gesetzlich diskriminiert, verfolgt und gesellschaftlich ausgegrenzt wurden und leider – Kollege Jan Plobner hat das eindrucksvoll dargestellt – auch heute noch werden.
Auch ich möchte unserer Bundestagspräsidentin Bärbel Bas herzlich für ihre Initiative zu diesem Gedenken danken, aber auch für die Kranzniederlegung am Mahnmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Homosexuellen. Es war das erste Mal, dass dort durch einen Bundestagspräsidenten oder eine Bundestagspräsidentin eine solche Kranzniederlegung stattfand. Selbstverständlich muss für uns alle mit dem Gedenken die Verpflichtung einhergehen, die Verbrechen aufzuarbeiten, die Opfer zu rehabilitieren und im Sinne eines umfassenden Bildungsauftrags dafür Sorge zu tragen, dass in unserem Land niemand mehr wegen der geschlechtlichen Identität oder der sexuellen Orientierung ausgegrenzt und benachteiligt werden kann und darf.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Als Deutscher Bundestag – das, meine ich, darf ich im Namen aller demokratischen Fraktionen sagen – setzen wir uns sehr intensiv mit unserer Erinnerungskultur auseinander, auch wenn es noch viel zu tun gibt. Ich möchte auf einige Beschlüsse hinweisen: Wir versuchen mit konkreten Initiativen, gerade den Opfern gerecht zu werden, die bislang noch zu wenig in den Blick genommen wurden. Bereits in der letzten Legislaturperiode haben wir eine Ausstellung in Auftrag gegeben, die sich mit dem Leben und Leiden der Menschen auseinandersetzt, die von den Nazis als „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ bezeichnet wurden. Davon sind auch viele queere Menschen betroffen gewesen. Ebenfalls in der letzten Legislaturperiode wurde das Programm „Jugend erinnert“ eingerichtet und im aktuellen Haushalt finanziell gestärkt.
(Michelle Müntefering [SPD]: Ja, sehr gut!)
Wir haben uns bereits in einer großen Anhörung mit der Anerkennung der Opfer von Zwangssterilisation und der von den Nazis als „Euthanasie“ bezeichneten Morde beschäftigt und werden daraus parlamentarische Initiativen entwickeln. Für die Opfer der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas werden wir einen Gedenkort errichten, selbstverständlich mit entsprechendem Informationsangebot.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, der vorliegende Antrag der Fraktion Die Linke greift die Thematik unseres Gedenkens, nämlich das Schicksal queerer Menschen, zwar auf, ist aber doch recht undifferenziert und greift viel zu kurz. Dass der Bundestag sich entschuldigt, halte ich für sehr angemessen, und ich gehe auch davon aus, dass die Bundestagspräsidentin dies morgen tun wird, und das ist gut so. Aber wie wir heute von den Vorrednerinnen und Vorrednern gehört haben, gibt es darüber hinaus noch viel zu tun. Lassen Sie uns also intensiv darüber diskutieren und beraten, –
Frau Kollegin.
– was wir aus unserem Gedenken morgen noch lernen und welche weiteren Konsequenzen wir ziehen können.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)
Vielen Dank, Frau Kollegin Schieder. – Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Volker Ullrich, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7550490 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 82 |
Tagesordnungspunkt | Queere Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung |