Otto FrickeFDP - Queere Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung
Geschätzter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Punkte sind gemacht, aber ich möchte uns in dieser Debatte bei der ersten Beratung noch einmal auf einen grundlegenden Gedanken führen. Warum geschah dieses Unrecht? Warum geschah einerseits dieses unglaubliche Unrecht, warum geschah andererseits die Fortsetzung des Unrechts? Warum trifft uns das so? Und warum sehen wir alle, was da ist? Weil es um etwas geht, was wir als Deutsche so ungerne besprechen, weil es eigentlich um Liebe geht. Denn wenn wir uns in dieser Zeit des größten Unglücks fragen: „Was ist das größte Glück?“, dann erkennen wir, dass es erwiderte Liebe von anderen, aber auch erwiderte Liebe von uns selbst ist. Bei der Frage der Liebe geht es darum, wen wir lieben, wie wir lieben und auch wie wir uns selbst lieben. Dieser Punkt ist autoritären Regimen suspekt, weil dann auf einmal eine andere Macht danebensteht, an die man sich vielleicht immer mehr klammert. Heinemann: „Ich liebe nicht den Staat, ich liebe meine Frau“ – um mal darüber nachzudenken.
(Beifall bei der FDP, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Das ist das, was wir erkennen müssen, und das ist das, was diese Demokratie immer wieder zeigen muss: dass wir erkannt haben, dass Liebe etwas ist, was wir schützen müssen, weil es uns Menschen in unserer Imperfektion am Ende doch ein bisschen perfekter macht. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade das sollten wir an dem Tag, wo wir des größten von Menschen gemachten Unglücks gedenken, immer in Erinnerung haben.
Punkt zwei. Ja – und Herr Brandner, das ist wahrscheinlich der Unterschied zwischen Ihnen und den meisten hier in diesem Plenum –, wir Menschen sind imperfekt. Wir werden immer wieder Fehler machen, egal welcher Mensch wir sind – Sie auch, ich auch. Für mich ist immer die größte Frage: Machen wir mit dem, was wir tun oder nicht tun, wieder neue Fehler, deretwegen unsere Nachfolger in der Demokratie dann sagen müssen: „Das war nicht richtig“? Deswegen, glaube ich, ist es verdammt wichtig – und ich sage das bewusst: verdammt wichtig –, dass wir erkennen, dass, wenn von diesem Hause – sei es in Bonn, sei es in Ostberlin – Unrecht ausgegangen ist, wir dann etwas dagegen tun müssen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Daher sage ich deutlich in Richtung Linke: Herzlichen Dank für dieses Thema! Das, glaube ich, sollten wir als Parlamentarier, als Demokraten sagen. Die Frage, wie wir über den Antrag dann am Ende entscheiden, was wir im Rechtsausschuss federführend damit machen, ist die zweite Frage, ob wir sagen: „Wir entschuldigen uns“ – ich glaube, „Entschuldigung“ sagt man in Deutschland inzwischen zu leicht –, oder ob wir das machen, was Sie wahrscheinlich auch machen wollen: dass wir um Verzeihung bitten. Denn wir können nur bitten: entweder diejenigen, die es noch betroffen hat, oder ihre Angehörigen, die dadurch selber Verletzungen erfahren haben. Das wissen wir nicht. Eines jedenfalls – und ich bleibe dann am Ende bei Shakespeare – ist wichtig: „Fest beharren im Unrechttun vermindert Unrecht nicht, nein, macht es schwerer.“ Und das sollten wir verhindern.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Vielen Dank, Kollege Fricke. – Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin Anke Hennig, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7550493 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 82 |
Tagesordnungspunkt | Queere Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung |