Hakan DemirSPD - Illegale Einwanderung
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es gehört nicht hierher, die Opfer von Gewalttaten zu instrumentalisieren. Vielmehr gehört es hier ins Hohe Haus, dass wir auf jeden Fall unser Mitgefühl zeigen und in Gedanken bei den Menschen sind, die gerade leiden.
(Zuruf von der AfD: Es betrifft die Gastgeber!)
Das ist, glaube ich, die grundsätzliche Entscheidung, die wir hier fällen müssen. Dementsprechend müssen wir uns äußern, und das machen wir auch.
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Wir müssen handeln!)
Halten wir uns an die Fakten. 103 Millionen Menschen weltweit sind auf der Flucht. Die eine Hälfte der Menschen bleibt als Binnenvertriebene im eigenen Land. Von der anderen Hälfte werden 69 Prozent von Nachbarländern aufgenommen: Libanon, Türkei, Uganda. Nur gut 5 Prozent kamen im letzten Jahr in die EU. Diese Proportionen sollte man sich immer wieder vor Augen führen. Es wird immer wieder gesagt: „Alle kommen hierher“; aber das stimmt einfach nicht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE])
Die AfD will Staaten außerhalb der EU mit Zentren noch mehr belasten. Dieser Kurs ist weltfremd, und wir lehnen ihn ab. Wir stehen dafür ein, dass auch Europa seinen Anteil leistet. Über 5,5 Millionen Menschen flohen letztes Jahr nach Europa, und 5,5 Millionen Menschen zu registrieren, menschenwürdig unterzubringen und ihnen eine neue Heimat zu bieten, ist keine leichte Aufgabe.
Das Gemeinsame Europäische Asylsystem wird diesen Herausforderungen nicht immer gerecht. Ich war letztes Jahr im Dezember in Athen und auf Kos, und ich habe das selber sehen können. Die Einrichtung sieht wie eine Haftanstalt aus. Die Menschen, die dort untergebracht sind, dürfen einige Stunden raus, aber die nächste größere Stadt ist einige Stunden weit weg. In dieser Einrichtung gibt es auch so etwas wie einen Abschiebegewahrsam. Menschen befinden sich innerhalb dieser Einrichtung also auch in einer haftähnlichen Anstalt, obwohl man sie nicht rückführen kann, weil der EU-Türkei-Deal so nicht mehr funktioniert. Das ist auf jeden Fall irrsinnig. Das zeigt, dass wir schon innerhalb Europas unsere Schwierigkeiten mit den Zentren haben. Deshalb ist Ihre Idee von Zentren grundsätzlich schwierig.
(Beifall der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE] – Norbert Kleinwächter [AfD]: Da klatscht keiner!)
Wir brauchen stabile Aufnahmebedingungen in allen EU-Ländern. Dafür braucht Griechenland unsere Unterstützung. Wir brauchen eine faire europäische Verteilung. Natürlich müssen wir auch verhindern, dass sich Menschen ohne Aussicht auf Asyl aus Perspektivlosigkeit und Verzweiflung auf einen Weg machen, der nicht der richtige ist. Wir brauchen dafür legale Migrationswege,
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Nein, wir müssen sie vorher beraten und abfangen!)
auch durch Migrationsabkommen mit Staaten, die ihrerseits solidarisch mit Geflüchteten sind, die auch abgelehnte Staatsangehörige zurücknehmen.
Ich will noch einen Punkt ansprechen – ich glaube, auch die anderen Kollegen werden das tun –: Zu behaupten, dass die Geflüchteten, die in dieses Land kommen, gar kein Recht hätten, hierherzukommen, ist absolut falsch. Eine Zahl nenne ich Ihnen einfach mal: 52 Prozent der Menschen, die nach Deutschland gekommen sind, wurden als Geflüchtete anerkannt. Es ist also falsch, wenn Sie hier behaupten, dass alle illegal sind und hier überhaupt keine Rechte haben;
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Ich habe gesagt: Die Hälfte wurde anerkannt, die Hälfte nicht! Hören Sie zu!)
es ist einfach falsch, und es ist wichtig, dass man das auch ganz offen hier im Hohen Hause sagt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und der Abg. Anke Domscheit-Berg [DIE LINKE] – Zuruf des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])
Ich glaube, Sie werden ganz nervös, weil wir hier mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz und dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht eine progressive Politik voranbringen wollen.
(Zuruf des Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU])
Wir betreiben eine Politik für alle Menschen in diesem Land,
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Nein! Was ist mit den Opfern von Brokstedt? Haben Sie Politik für die betrieben?)
und dabei ist der Name der Menschen egal.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Vielen Dank, Herr Kollege Demir. – Nächster Redner ist der Kollege Detlef Seif, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7550519 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 82 |
Tagesordnungspunkt | Illegale Einwanderung |