Detlef MüllerSPD - Änderung des Bundeswahlgesetzes - Wahlrechtsreform
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Heute diskutieren wir hier im Deutschen Bundestag über keine Kleinigkeit. Es geht um eine der zentralen Fragen in unserer Demokratie: Wie wandeln wir Wählerstimmen, also den politischen Willen der Bürgerinnen und Bürger, in unserem Land ganz konkret in politische Mandate um?
Im Bundestagswahlkampf 2021 haben die Chemnitzerinnen und Chemnitzer in meinem Wahlkreis vier große Forderungen an mich herangetragen: Setzt bitte den Mindestlohn auf 12 Euro! Kümmert euch um die Rente! Baut unser Gesundheitssystem ordentlich aus!
(Beatrix von Storch [AfD]: Lasst nicht zu viele Illegale ins Land!)
Und: Verkleinert bitte den Deutschen Bundestag! Er ist zu groß geworden.
Die Bürgerinnen und Bürger haben recht: Der Bundestag ist zu groß geworden. Bei einer eigentlichen Regelgröße von 598 Abgeordneten zogen 2013 631 Abgeordnete ins Hohe Haus ein, 2017 waren es dann schon 709, und nach der letzten Wahl im Jahr 2021 haben die Überhang- und Ausgleichsmandate zu einer Größe von 736 Abgeordneten geführt. Eine weitere Vergrößerung ist – natürlich abhängig vom nächsten Wahlergebnis – bei der nächsten Bundestagswahl durchaus möglich.
Folgen? Ganz abgesehen von den finanziellen Aspekten leidet die Arbeitsfähigkeit unseres Hohen Hauses: Raumprobleme, Redezeitbeschränkungen in Ausschüssen und bei Anhörungen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Ampelkoalition wirken wir dem konsequent entgegen. Wir begrenzen die Größe des Deutschen Bundestages zuverlässig.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Und zwar tun wir das, ohne Wahlkreise abzuschaffen und damit die verbleibenden Wahlkreise noch mehr zu vergrößern. Und wir erhalten den verfassungsmäßigen Grundsatz unseres Wahlsystems, dass das bundesweite Wahlergebnis direkt und auch nachvollziehbar in Mandate umgerechnet werden muss.
(Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es! Da hat er recht!)
Wenn bundesweit 25,7 Prozent der Bürgerinnen und Bürger die Partei XY gewählt haben, erhält XY dann auch eine dementsprechende Anzahl von Mandaten bzw. Sitzen hier im Parlament. Klingt gerecht? Ist es auch!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
In den letzten Legislaturperioden wurde bereits viel über Wahlrechtsänderungen diskutiert und wurden auch einige Anpassungen und Neuregelungen vorgenommen. Allein, am Grundproblem des immer weiter wachsenden Bundestages hat das nur wenig ändern können. Die Kritik aus der Gesellschaft, der Wissenschaft und von den politischen Kommentatoren blieb durchgehend bestehen: Das Parlament besäße nicht die Kraft und den Willen, eine ordentliche und richtige Reform durchzuführen. Die Parteien würden sich wohl kaum die eigenen Mandate reduzieren, ganz nach dem berühmten Zitat: „Wer den Sumpf trockenlegen will, darf die Frösche nicht fragen.“ Doch! Wir haben den Willen und den Mut und auch die Kraft aus der Notwendigkeit heraus, und wir machen das mit der vorliegenden Wahlrechtsreform.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und ja, das bedeutet allerdings auch, dass einige Abgeordnete in Ost, West, Nord und Süd ihre Mandate zur nächsten Bundestagswahl verlieren werden.
Herr Amthor, es ist ja nett und auch durchschaubar, dass Sie sich als Listenabgeordneter so sehr um SPD-Direktwahlkreise kümmern.
(Beifall des Abg. Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Philipp Amthor [CDU/CSU]: Das erwartet man vielleicht auch von eurem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden! – Konstantin Kuhle [FDP]: Der Amthor ist nicht direkt gewählt? Was?)
Aber eine Verkleinerung von aktuell 736 auf eine Regelgröße von 598 Abgeordnete hat eben genau diese Konsequenz. Und es betrifft aufgrund des neuen Wahlrechts eben alle Parteien im Verhältnis gleich. Klingt gerecht? Ist es auch!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Philipp Amthor [CDU/CSU]: Es trifft nicht alle gleich! Das stimmt nicht! Es trifft die Parteien nicht gleich!)
Der vorliegende Entwurf ändert nichts an der grundsätzlichen Mandatszahl, die jedem Bundesland zusteht. Er schränkt die regionale Repräsentation der Bundesländer also nicht ein, nicht die der Bayern und auch nicht die von Ostdeutschland. Es wird aber verhindert, dass einzelne Bundesländer und Regionen durch Überhang- und Ausgleichsmandate deutlich stärker repräsentiert sind als andere. Durch die neue Hauptstimme wird der Grundsatz der gleichen Bedeutung jeder Stimme gestärkt. Klingt gerecht? Ist es auch!
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, zum Schluss der Dank an die Kolleginnen und Kollegen der anderen Ampelfraktionen Bündnis 90/Die Grünen und FDP sowie an meine Fraktion, auch an die vielen Sachverständigen, die an dem Gesetzentwurf gemeinsam mitgearbeitet haben. Es ist gut und es ist höchste Zeit, dass wir jetzt das parlamentarische Verfahren starten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Nächster Redner ist Michael Frieser für CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7550554 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 83 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Bundeswahlgesetzes - Wahlrechtsreform |