27.01.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 83 / Zusatzpunkt 7

Patricia LipsCDU/CSU - US-Gesetz zur Inflationsbekämpfung - Standort Europa, transatlantische Partnerschaft

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Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Im August letzten Jahres unterzeichnete der amerikanische Präsident ein Gesetz zur Inflationsbekämpfung. Es ist unter anderem dennoch auch eine Reaktion auf die großen geopolitischen Veränderungen, die auch wir verspüren. Im Mittelpunkt des Gesetzes stehen demgemäß milliardenschwere Investitionen in Klimaschutz, erneuerbare Energien, saubere Technologien. So weit, so gut. Nichts, was wir nicht auch unterschreiben können. Das Problem beginnt da, wo für finanzielle Unterstützung die Produktion auf heimischem Boden vorgeschrieben wird, wo durch Maßnahmen Protektionismus der Boden bereitet und der für uns elementare Freihandel beeinträchtigt wird. Natürlich ist es auch die Wucht des finanziellen Volumens insgesamt, das dahintersteht.

Inzwischen ist das Gesetz in Kraft. Wettbewerbsverzerrungen drohen, die Zukunft Europas als Investitionsstandort ist gefährdet. Abwanderungen von Unternehmen und mit ihnen natürlich von Arbeitsplätzen, Wertschöpfung und Know-how können die Folge sein. Die Angst vor einem Subventionswettlauf inner- und außerhalb Europas macht die Runde. Darauf braucht es eine Antwort – selbstverständlich.

Also: Was ist die Antwort des wirtschaftlich stärksten Landes in Europa in dieser auch für es selbst essenziellen Frage? Gibt es fast ein halbes Jahr nach Unterzeichnung des Gesetzes eine Gesamtstrategie der Bundesregierung nicht nur in eigener Verantwortung, sondern vor allem auch in Verantwortung für Europa? Ich frage dies im Übrigen auch aus Respekt vor der Arbeit und Zuständigkeit dieses Hauses. Oder schauen wir erst einmal mehr oder weniger einfach nur zu, wie sich die Dinge entwickeln?

Kolleginnen und Kollegen, hier geht es nicht um die befristete Bewältigung einer weiteren Krise, wie wir es ja kennen, sondern am Ende um tiefgreifende, dauerhafte wirtschaftliche Weichenstellungen mit vielen Auswirkungen auch in andere Bereiche hinein – eigentlich ein weiteres Element mit der Überschrift „Zeitenwende“.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die EU-Kommission wird in den kommenden Tagen hierzu Vorschläge machen. Erste Überlegungen sind bekannt. Frankreich hat bereits in diesen Tagen eigene, sehr konkrete Vorstellungen skizziert. Man muss wahrlich nicht mit allen Punkten einverstanden sein; aber es liegt wenigstens was auf dem Tisch. Die deutsche Bundesregierung? Wir hören einmal mehr fast nichts. Deshalb auch unsere Initiative, unser Antrag, unsere Vorschläge in einem europäischen Kontext als eine Reaktion auf das Vorgehen in den USA.

Kolleginnen und Kollegen, dabei sollten wir eine europäische Strategie aber gerade nicht als Konter gegen die USA verstehen. Wir brauchen eine starke transatlantische Partnerschaft; das haben uns doch gerade die letzten Monate einmal mehr gelehrt. Ich will sogar noch weiter gehen: Ganz unabhängig von dem Vorgehen in den USA sollten auch wir selbst zu einer Strategie kommen. Wir alle stehen doch vor derselben Herausforderung. Den Aufbau einer klugen Gesamtstrategie als Antwort auf die weltweiten Herausforderungen unserer Zeit sollten wir deshalb auch als Chance für uns selbst begreifen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dazu gehört natürlich der Dialog mit den USA aus dem aktuellen Anlass, um einen Handelskonflikt und ruinösen Subventionswettlauf zu vermeiden. Dazu gehören aber auch Partnerschaften inner- und außerhalb Europas, gerade bei Energie und Rohstoffen, Handelsabkommen, proaktiv geschlossen. Dazu gehören starke Anreize für Investitionen, ebenfalls in Klimaschutz und saubere Technologien. Ich ergänze jedoch: vorwärtsgewandt, mit offenem Blick für neue Möglichkeiten. Das gilt ebenso für digitalpolitische Regulierungen und Weichenstellungen.

Dazu gehört aber ausdrücklich nicht die Aufnahme neuer EU-Schulden mit immer neuen Fonds und Töpfen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Malte Kaufmann [AfD] – Markus Töns [SPD]: Wie finanzieren Sie es denn?)

Ich möchte auch einfach mal daran erinnern – wir vergessen das allzu oft –: Schulden sind auch Inflationstreiber. Es stehen noch hinreichend Finanzmittel aus der Vergangenheit zur Verfügung.

(Markus Töns [SPD]: Aha!)

Lassen Sie uns diese besser als bisher nutzen!

Kolleginnen und Kollegen, wir müssen insgesamt schneller werden. Reaktionen auf etwas allein sind keine Lösung. Es drängt sich jedoch auch in dieser Frage einmal mehr der Eindruck des Zögerns und Zauderns unseres Landes regelrecht auf. Es wartet aber keiner auf uns oder wahlweise auf zähe Abstimmungsprozesse innerhalb der Regierungskoalition. Deshalb: Legen Sie los! Lassen Sie die Menschen und Unternehmen in diesem Land an Ihren konkreten Vorstellungen teilhaben! Es geht um nicht weniger als um unsere Wettbewerbsfähigkeit, Produktivität und damit die Sicherung unseres Wohlstandes. Die Menschen haben es verdient. Unsere Vorschläge jedenfalls liegen nun auf dem Tisch.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Lips. – Als nächster Redner erhält Markus Töns für die SPD-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7550564
Wahlperiode 20
Sitzung 83
Tagesordnungspunkt US-Gesetz zur Inflationsbekämpfung - Standort Europa, transatlantische Partnerschaft
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