Esra LimbacherSPD - US-Gesetz zur Inflationsbekämpfung - Standort Europa, transatlantische Partnerschaft
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es stimmt, die USA setzen mit dem Inflation Reduction Act neue Maßstäbe in der Industriepolitik. Gleichzeitig verfolgt auch China schon seit Langem eine großangelegte industriepolitische Strategie. Um zwischen diesen beiden Volkswirtschaften nicht den Anschluss zu verlieren, muss Europa bei Investitionen und deren Umsetzung größer, schneller und besser werden. Deswegen ist es entscheidend, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir endlich damit aufhören, diesen Inflation Reduction Act wahlweise als Gefahr oder, was die Linkspartei gesagt hat, als Vorbild für Deutschland zu sehen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Linkspartei gibt es seit 16 Jahren nicht mehr!)
Im Gegenteil bietet er jetzt die Gelegenheit, europäische Industriepolitik neu zu denken und in Europa ein besseres und ein attraktiveres Investitionsumfeld zu schaffen.
Ja, es ist überaus alarmierend und besorgniserregend, wenn Unternehmen, die aufgrund hoher Energiepreise ohnehin schon unter Druck stehen, öffentlich darüber nachdenken, in die USA abwandern zu müssen oder zu können, um dort von Steuersubventionen zu profitieren. Aber es kann doch nicht unser Ansatz, unsere Reaktion sein, den Kopf jetzt in den Sand zu stecken und unsere Lage nur zu beklagen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es muss vielmehr ein Anreiz für uns alle sein, dem innereuropäischen Handel und dem Wohlstand mit einer neuen Investitionspolitik einen kräftigen Schub zu geben, und zwar jetzt und nicht morgen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Dieser Schub besteht nicht aus Abschottung, er besteht nicht aus Protektionismus und auch nicht aus Entkopplung. Wir sind aufgrund unseres offenen Marktes hier in Deutschland wirtschaftlich erfolgreich, und das muss auch weiterhin unser Weg sein, den wir selbstbewusst einschlagen.
Um es auf den Punkt zu bringen: Wir brauchen kein „Europe first“, sondern ein „Europe fast“, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Andreas Audretsch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Dafür brauchen wir eine klare industriepolitische Zielsetzung für Europa, und ich will beispielhaft fünf Punkte auf dem Weg dorthin besonders hervorheben.
Erstens. Wir brauchen starke, auf gemeinsamen Werten basierende neue Rohstoffpartnerschaften und Handelsabkommen, insbesondere um auch einseitige Abhängigkeiten zu beenden.
Zweitens. Wir brauchen eine europäische Industrie- und Investitionsoffensive mit besonderem Fokus auf Zukunftstechnologien.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Andreas Audretsch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Philipp Hartewig [FDP])
Drittens. Wir müssen wettbewerbsfähige Energiepreise in unserem Land schaffen. Es wurde heute schon oft angesprochen: Wir brauchen auch in Deutschland einen Industriestrompreis, liebe Kolleginnen und Kollegen,
(Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)
der im besten Fall europäisch entwickelt und auch umgesetzt wird.
Viertens. Wir müssen mehr Investitionsanreize schaffen. Ich glaube, darüber besteht hier im Haus auch Konsens; das hoffe ich zumindest. Der Inflation Reduction Act zeigt deutlich, wie mit Steuergutschriften Investitionsanreize gesetzt werden können. Im Vergleich dazu gibt es in Deutschland für weite Teile der Industrie derzeit nur wenige Gründe, nachhaltig zu investieren, und das, obwohl für die Transformation hin zur Klimaneutralität massive Investitionen dringend notwendig wären. Deswegen sind Investitionsanreize auch hier in Deutschland so wichtig und so notwendig, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Fünftens und abschließend brauchen wir schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren. Da sind die Ampelkoalition und die Bundesregierung dran. Es freut mich insbesondere, dass momentan genau darüber verhandelt wird.
Es ist noch mehr zu tun, ganz sicher. Aber eines ist entscheidend, liebe Kolleginnen und Kollegen: Einer schleichenden Deindustrialisierung müssen wir entschieden entgegentreten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ich persönlich komme aus dem Saarland. Wenn man ehrlich ist, ist die Geschichte des Saarlandes immer eine Geschichte der Transformation und des Strukturwandels gewesen. Diesen Weg sind wir erfolgreich gegangen, weil wir uns nicht vor Herausforderungen versteckt haben. Vielmehr haben wir als Saarländerinnen und Saarländer den Blick nach vorne gerichtet –
Kommen Sie bitte zum Schluss.
– und uns den Herausforderungen gestellt. Das brauchen wir jetzt auch in ganz Deutschland.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das hat Oskar immer gut gemacht!)
Vielen Dank, Herr Kollege Limbacher. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Bernd Schattner, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7550572 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 83 |
Tagesordnungspunkt | US-Gesetz zur Inflationsbekämpfung - Standort Europa, transatlantische Partnerschaft |