Sebastian RoloffSPD - US-Gesetz zur Inflationsbekämpfung - Standort Europa, transatlantische Partnerschaft
Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ja immer ganz gespannt, wenn ein CDU-Wirtschaftsantrag angekündigt ist, und auch dieses Mal wurde ich nicht enttäuscht. Sie liefern wieder einen Antrag, der gar nicht zu dem passt, was Sie sonst immer erzählen. Ich finde es ganz bemerkenswert, dass Sie jetzt auf einmal für massive Investitionen sind. Da, wo wir jahrelang den – ich möchte fast sagen – Fetisch der schwarzen Null und eine absolute Abneigung gegen jede Form von Steuererhöhungen – im Gegenteil! – erlebt haben, sind jetzt auf einmal massive Investitionen erforderlich. Außerdem fordern Sie eine kluge Infrastrukturpolitik. Das finde ich gut. Ich habe insbesondere als bayerischer Abgeordneter ehrlicherweise noch ein bisschen schmerzende Erinnerungen an die Performance von CSU-Verkehrsministern.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber schön, dass Sie da auf dem richtigen Weg sind.
Es ist ein bisschen schade, dass der Kollege Frei nicht da ist; der hat zu dem Thema diese Woche sehr schöne Pressemitteilungen veröffentlicht. Ich sage dazu natürlich nichts in seiner Abwesenheit; aber es ist bedauerlich, dass wir das nicht thematisieren können. Aber genug dazu.
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Was hat er gesagt?)
Selbstverständlich ist unbestreitbar, dass wir eine europäische Antwort auf den Inflation Reduction Act brauchen, der einen absoluten industriepolitischen Paradigmenwechsel darstellt. Um international wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen wir gucken, dass wir die Vorzeichen sehen und die Wirtschafts-, Handels- und Industriepolitik als Grundlage für eine starke und attraktive EU neu ausrichten.
Wir haben gestern zum Jahreswirtschaftsbericht diskutiert, und schon da habe ich gesagt: Wir brauchen einen „Whatever it takes“-Ansatz, und zwar mit klar definierten Kriterien, so wie sie auch die USA ein Stück weit haben – nicht unbedingt dieselben, aber so in der Richtung. Da kann der amerikanische Weg Vorbild sein.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Was meine ich damit? Die staatliche Unterstützung wird dabei zum Beispiel daran geknüpft, dass die Maßnahmen zur aktiven Emissionseinsparung beitragen, dass die Beschäftigten angemessen bezahlt werden und dass die Unternehmen tariflich organisiert sind. Wer in diesem Zusammenhang immer darüber redet, dass die Demokraten in den USA bestenfalls sehr konservative Sozialdemokraten sind, der sollte sich das noch mal sehr konkret angucken; denn da würde ein großer Teil dieses Hauses Schnappatmung kriegen, wenn wir das vereinbaren würden.
(Heiterkeit des Abg. Markus Töns [SPD] – Zuruf des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE])
Man kann es sich aber auf jeden Fall mal vornehmen.
Wir sollten in Europa auf jeden Fall zum Beispiel Steuergutschriften und Direktförderungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien und alles, was sich unmittelbar auf die Dekarbonisierung auswirkt, einführen, parallel die Infrastruktur ausbauen und spezielle Industrieprogramme schaffen, und zwar schnell und unbürokratisch; das ist ja eine der großen Herausforderungen.
Klar ist, dass wir keinen Protektionismus in Europa brauchen. Ich glaube, auch außereuropäische Unternehmen dürfen, wenn sie die Regeln entsprechend einhalten, mit konkreten Auflagen selbstverständlich in der Europäischen Union tätig werden.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Sandra Detzer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Markus Töns [SPD]: Genau so ist das! Richtig!)
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ulrich?
Gerne.
Herr Roloff, erst mal vielen Dank, dass Sie auch das Thema der guten Arbeit und der tariflich abgesicherten Jobs angesprochen haben. Sie haben eben gesagt, das würde bei einigen hier Schnappatmung auslösen, wenn sie sich das mal genau anschauen würden. – Ich behaupte jetzt mal als Linker, der schon ein paar Jahre hier im Haus ist: Die Schnappatmung ginge bis in die SPD-Fraktion hinein.
(Zuruf des Abg. Esra Limbacher [SPD])
Aber es freut mich, wenn Sie da eine Kehrtwende machen.
Das Gute ist: Sie sind jetzt von allen Rednern der erste, der das Thema der guten Arbeit damit in Zusammenhang gebracht hat. Wir haben ja schon viele IPCEI-Projekte in Deutschland, bei denen es diese Verknüpfung mit Tarifbindung oder Mitbestimmung nicht gibt. Meine Frage an Sie: Wird sich die SPD-Fraktion ab jetzt beim Wirtschaftsminister dafür einsetzen, dass solche Projekte in Deutschland mit guter Arbeit verbunden werden?
Ich danke Ihnen sehr für die Frage. – Ich bin ja froh, dass Sie den ersten Teil der Frage als Feststellung formuliert haben; das heißt, ich muss dazu nichts sagen. Aber es könnte sein, dass es vielleicht in Einzelfällen noch Diskussionsbedarf gibt – aber nur in Einzelfällen.
(Beifall des Abg. Pascal Meiser [DIE LINKE])
– Herr Meiser, Sie müssen mir jetzt nicht auch noch in den Rücken fallen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Wir müssen uns nicht beim Bundeswirtschaftsminister für irgendwas einsetzen, sondern wir diskutieren das sehr grundsätzlich und auch sehr umfassend in der Ampel. Selbstverständlich werden wir uns als SPD-Fraktion auch in dieser Frage starkmachen. Ich bin mir sehr sicher, dass wir, wie so oft, auch wenn das Ergebnis Sie dann wahrscheinlich wieder nicht zufriedenstellen wird, zu einem guten Ergebnis kommen werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])
Aktive Industriepolitik, die wir machen müssen, bedeutet über die genannten Themen hinaus natürlich auch eine Offensive im Breitbandausbau und in der Wasserstoffinfrastruktur. Und wir müssen – auch das können wir nicht oft genug sagen – beim Industriestrompreis schnell belastbare Fortschritte erzielen.
Selbstverständlich werden diese Maßnahmen Geld kosten; das bleibt ja nicht aus. Und weil man mit Schecks auf die Zukunft natürlich vorsichtig sein sollte, muss man sich überlegen, wie wir in dieser schlimmen Krise die Vermögendsten und Besserverdienenden, die in den letzten Jahren ihren Reichtum oft noch steigern konnten, besser an der Finanzierung des Gemeinwohls beteiligen können. Eine europäische Antwort auf den IRA braucht natürlich auch eine europäische Antwort bei der Finanzierung.
Abschließend darf ich sagen, dass all diese Maßnahmen, selbst wenn wir politische Mehrheiten dafür haben, nicht funktionieren werden, wenn wir nicht die Fachkräfte und die gut qualifizierten Beschäftigten haben,
(Johannes Schraps [SPD]: Sehr richtig!)
die sie dann umsetzen. Ich bin mir sehr sicher, dass wir mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz ebenso wie mit der Steigerung der Frauenerwerbsbeteiligung und der Qualifizierungsoffensive breite Fortschritte machen werden. Wenn wir dann auch noch eine Ausbildungsgarantie hinkriegen, die diesen Namen verdient, bin ich vollends zufrieden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])
Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Tilman Kuban, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7550577 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 83 |
Tagesordnungspunkt | US-Gesetz zur Inflationsbekämpfung - Standort Europa, transatlantische Partnerschaft |