Peter HeidtFDP - Internationaler Tag gegen die Christenverfolgung
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Religionsfreiheit ist ein fundamentales Menschenrecht, es ist ein dauerhaftes Bekenntnis zur Menschlichkeit. Dieses fundamentale Menschenrecht wird leider zunehmend eingeschränkt und völlig infrage gestellt. Die Entwicklungen in der Welt sehen in dieser Hinsicht nicht gut aus. Auch Christen werden in vielen Ländern dieser Welt verfolgt, diskriminiert, vertrieben und auch ermordet. Die Schuldigen sind bei der AfD schnell ausgemacht, wie übrigens auch bei den letzten Anträgen der AfD zum Thema Christenverfolgung. In dem heute vorliegenden Antrag zur Einführung eines Internationalen Tages gegen die Christenverfolgung heißt es diesmal:
Christenverfolgung findet hauptsächlich unter der kulturellen Hoheit des radikalen Islam statt.
Auch die Auswahl der Länder, die hier genannt werden – Ägypten, Nigeria, Irak usw. –, zeigt, dass Sie die Verfolgung der Christen einseitig als ein Problem islamischer Staaten und Denkweisen ansehen. Die am weitesten verbreitete Religion der Welt ist das Christentum. Dementsprechend werden Christen häufig verfolgt.
Es werden aber alle Religionen auf der Welt verfolgt. Zum Beispiel geht China massiv gegen die Religionen vor. Menschen sollen der sozialistischen Gesellschaft angepasst werden. Besonders den tibetischen Buddhismus, den Islam, das Christentum, aber auch Falun Gong sieht die kommunistische Führung als Bedrohung für die eigene Machtbasis. Es werden Gotteshäuser geschlossen, Kreuze aus Kirchen entfernt, religiöse Führer verhört und inhaftiert. 2018 hat die KP China einen Fünfjahresplan vorgelegt, um die Religionen zu sinisieren. Die muslimische Volksgruppe der Uiguren wird äußerst massiv von dem chinesischen Staat verfolgt. Von 11 Millionen Uiguren sind circa 1,8 Millionen in sogenannten Umerziehungslagern; genau genommen sind es Konzentrationslager. Es handelt sich also um eine staatlich organisierte religiöse Verfolgung in einer schrecklichen Dimension, die auf dieser Welt einzigartig ist und die sich allein gegen Moslems richtet.
Nordkoreas Regime wirft Christen ins Gefängnis und foltert sie. In Indien gehen radikale Hindus verstärkt gegen Moslems, aber mittlerweile auch gegen Christen vor. Im erzkatholischen Mexiko sind Christen ein bevorzugtes Ziel von Drogengangs, weil Priester oft die Einzigen sind, die sich gegen die Gangs wehren. Opfer des „Islamischen Staates“ sind vor allem die Jesiden gewesen. In Myanmar ist das Militär brutal gegen die Rohingya vorgegangen; das sind Sunniten.
Ich bin mit der prekären Situation der Ahmadiyya in Ländern wie Algerien, Pakistan, Malaysia vertraut. In vielen islamischen Staaten werden Ahmadiyya bis heute als Ungläubige betrachtet. Juden werden praktisch weltweilt verfolgt; auch hier in Deutschland gibt es Judenhass. Das zeigt: Die Opfer kommen aus allen Religionen – Christen, Juden, Muslime, Buddhisten –; aber die Verfolger kommen eben auch aus allen Religionen. Das ist genau der Unterschied. Das haben Sie nicht verstanden.
Die Gründe dafür sind vielfältig und komplex. Auch diesem Umstand werden Sie nicht gerecht. In Nigeria zum Beispiel ist es eigentlich eher ein Konflikt zwischen Hirten und Bauern als zwischen Religionen. Es ist eben gerade nicht so, dass der radikale Islamismus diese Lage verantwortet, wie Sie uns immer wieder glauben machen möchten.
Eines will ich Ihnen auch sagen: Sie spalten mit Ihren unüberlegten Worten die Gemeinschaft. Sie spalten die Menschheit, Sie spalten damit auch die Religionsgesellschaften. Mit Ihren Hasstiraden richten Sie großen Schaden an. Tatsache ist doch, dass die Religionsfreiheit weltweit unter Druck geraten ist. Religionen werden gegeneinander ausgespielt, und Religionen werden auch missbraucht, Stichwort „Europa“, Beispiel Wladimir Putin, der mit Kyrill, dem Patriarchen der orthodoxen Kirche in Russland, zeigt: Die russisch-orthodoxe Kirche steht fest zu dem Krieg. Das verstärkt in der Ukraine die seit Jahren andauernde Abgrenzung der dortigen Kirchen von Moskau. Ergebnis: gleicher Glaube, andere Haltung. Denn auch wenn die Glaubensgrundlage in den Kirchen gleich ist, die Haltung zum Krieg ist es nicht. Putin versucht, sein autoritäres System zu stärken. Er instrumentalisiert ähnlich wie Sie und wünscht – ich zitiere – die „‚Entsatanisierungʼ der Ukraine“.
Wir sehen also: Die Verfolger von Christen und anderen Religionen haben viele Gesichter; es geht oft um Macht. Die Bundesregierung hat sehr zutreffend auf die zunehmende Christenverfolgung reagiert. Sie hat 2018 das Amt des Beauftragten für weltweite Religionsfreiheit eingeführt. Das ist gut und richtig so. Die Ampel hat mit dem Kollegen Frank Schwabe, der leider heute nicht da sein kann, weil er beim Europarat ist, dieses Amt auch wieder besetzt, und das ist gut so. Gerade als Menschenrechtsverteidiger müssen wir uns für die Religionsfreiheit aller Menschen einsetzen, unabhängig davon, welcher Religionsgemeinschaft sie angehören.
Die Einführung eines Internationalen Tages gegen die Christenverfolgung wird der Gleichwertigkeit von Religionsgemeinschaften nicht gerecht. Sie spielt im Gegenteil diese noch gegeneinander aus und verstärkt die ohnehin vorhandenen Gräben. Was wir brauchen, ist ein interreligiöser Dialog. Wir brauchen die Stärkung der Zivilgesellschaft, nicht die Schwächung und die Spaltung. Wir brauchen also eine Investition in die Bildung und nicht eine Spaltung. Dieses Thema zu nutzen, um sich auf Kosten der Muslime als einsamer Retter verfolgter Christen aufzuspielen, ist abstoßend. Gerade dem Christentum tun Sie damit keinen Gefallen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Herr Kollege Heidt. – Das Wort hat nunmehr die Kollegin Nadja Sthamer, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7550589 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 83 |
Tagesordnungspunkt | Internationaler Tag gegen die Christenverfolgung |