Lena WernerSPD - Regierungserklärung zum außerordentlichen EU-Rat
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit der russischen Invasion der Ukraine vor fast einem Jahr befinden wir uns in Europa und der Welt in einer Ausnahmesituation. Diese Zeitenwende hat uns alle vor Herausforderungen gestellt. In dieser Zeit war und ist es unerlässlich, dass wir zusammen mit unseren europäischen Partnern handeln, uns den Herausforderungen gemeinsam stellen und die Transformation der Wirtschaft gemeinsam weiter vorantreiben.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Der russische Angriffskrieg hat tiefgreifende Auswirkungen auf unser Wirtschaftssystem und die Energiesicherheit Europas und der Welt. Man kann sich unsere Wirtschaft wie ein Haus vorstellen. Dieses Haus steht auf einem soliden Fundament; aber wir haben es in den letzten Jahren immer weiter mit günstigem russischem Gas als Bausubstanz nach oben ausgebaut. Diese Bausubstanz ist jetzt marode geworden und muss erneuert werden.
(Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])
Deswegen waren die EU, die Bundesregierung und wir als Parlament gefragt, zu sanieren und eine neue Bausubstanz zu schaffen, um unser Haus, also die deutsche und europäische Wirtschaft, zu stabilisieren.
Die neue Substanz besteht zu einem großen Teil aus den Entlastungen, die die Bundesregierung für Privatpersonen, KMUs und die Industrie geschaffen hat, nämlich über die Mittel aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds, die Energiepreisbremsen, Härtefallfonds und Einmalzahlungen. Auch die EU wird mit der europäischen Industriestrategie zur Stabilisierung dieser Substanz beitragen. Daher begrüßen wir, dass die nicht abgerufenen Gelder aus dem „Next Generation EU“-Fonds umgewidmet und zur Förderung einer wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Industrie investiert werden. Gleichzeitig brauchen wir aber auch ein Update des europäischen Beihilferechts, Bürokratieabbau und schnellere Genehmigungsverfahren.
Die Krisen unserer Zeit zeigen deutlich, dass wir nur gemeinsam stark sind. Daher sind Handels- und Rohstoffpartnerschaften auf Augenhöhe heute wichtiger denn je. Wir müssen uns im Handel unabhängiger von Autokratien machen, aber gleichzeitig auf einen freien und fairen Handel setzen. Wie der Bundeskanzler vorhin schon richtig gesagt hat, brauchen wir keinen Subventionswettlauf oder nationale Alleingänge. Wir brauchen eine enge Zusammenarbeit der Volkswirtschaften, um gegen die größte Bedrohung der Menschheit zu kämpfen: die sich immer weiter verschärfende Klimakatastrophe.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Andreas Audretsch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir brauchen ein geeintes globales Handeln. Deswegen begrüßen wir grundsätzlich, dass die USA mit dem Inflation Reduction Act nun endlich den Weg zur Klimaneutralität und zur Verringerung des CO2-Ausstoßes eingeschlagen haben. Allerdings müssen wir beim Inflation Reduction Act genau hinschauen – das haben wir heute schon öfter gehört – und dafür sorgen, dass europäische Unternehmen durch diesen nicht benachteiligt werden.
Gleichzeitig dürfen wir an dieser Stelle aber nicht vergessen, dass die Europäische Union bereits jetzt ein Wegweiser hin zu einer nachhaltigen Transformation der Industrie ist. Wir haben eine Vorreiterrolle und investieren bereits seit einigen Jahren in diese Transformation. Wir waren und sind trotz hoher Energiepreise weiterhin konkurrenzfähig. Und vor allem: Unsere Gesellschaft ist in großen Teilen darauf eingestellt und hat ein Bewusstsein für die nachhaltige Entwicklung unseres Landes und der EU. All diese Maßnahmen in Summe bilden ein starkes Fundament und das Gerüst für das Haus unserer Wirtschaft, das mit dem Handeln der EU und der Bundesregierung jetzt saniert und modernisiert werden muss.
Blicken wir nun vor diesem Hintergrund auf die USA, so wirkt der Inflation Reduction Act wie ein Gebäude auf einem sandigen Boden. Denn der IRA ist im Vergleich zur EU der erste wirkliche Ansatz für eine nachhaltige Transformation der US-amerikanischen Wirtschaft. Der Wandel kann nicht übers Knie gebrochen werden. Wir haben unsere Transformation auf ein starkes Fundament gestellt, wie bei einem professionellen Hausbau üblich; denn das Fundament ist essenziell. Die USA hingegen fangen direkt mit dem mittleren Stockwerk an.
Klar ist: Wir sind eine starke Volkswirtschaft und müssen uns nicht durch den Inflation Reduction Act ängstigen lassen oder vor ihm verstecken. Was wir uns allerdings von den USA abgucken können, ist deren Pragmatismus. Und dass wir diesen in uns haben, haben wir in den Krisen eindeutig gezeigt. Jetzt müssen wir uns nur noch trauen, ihn regelmäßig weiter einzusetzen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächster hat das Wort der Kollege Robin Wagener, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7550674 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 84 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zum außerordentlichen EU-Rat |