08.02.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 84 / Zusatzpunkt 1

Zanda MartensSPD - Aktuelle Stunde: Krise auf dem Wohnungsmarkt - Jetzt entschlossen gegensteuern

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien! Das Thema dieser Aktuellen Stunde ist die Krise auf dem Wohnungsmarkt, und wir sprechen fast ausschließlich über den Neubau von Wohnungen. Beim Thema Wohnen nur über Bauen, Bauen, Bauen zu sprechen, ist aber eine unberechtigte Verengung der politischen Debatte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Denn Tatsache ist, dass dieses „Hauptsache bauen“ nur ein kleiner Teil der Lösung für die schwierige Situation auf dem Wohnungsmarkt ist. Ich möchte uns als Gesetzgeber gerne dafür sensibilisieren, dass wir mit einem effektiven und sozialen Mietrecht viel zur Lösung des Wohnproblems beitragen können. Unterschätzen wir das Mietrecht nicht, es wirkt unmittelbar auf den Wohnungsmarkt.

Wir haben im Koalitionsvertrag einige wichtige Maßnahmen zur Stärkung des sozialen Mietrechts vereinbart, und ich freue mich schon sehr auf einen umfassenden Gesetzentwurf, mit dem wir sie umsetzen können. Ihre Bilanz, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, besteht hingegen nur aus juristischen Angriffen auf mutige Initiativen wie den Berliner Mietendeckel

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Verfassungswidrige Initiativen! Das spottet ja wirklich Hohn!)

oder auch verbalen Attacken, bei denen Sie jeden mietpreisdämpfenden Vorschlag als Regulierungswut verhöhnen. Vorkaufsrecht: kontraproduktiv und kostspielig. Umwandlungsverbot von Miet- in Eigentumswohnungen: unnötig und bürokratisch. Verschärftes Vorgehen gegen Mietwucher: angebliche Kriminalisierung von Kleinvermietern.

Und dann das Argument, soziales Mietrecht schaffe keine einzige neue Wohnung: Stimmt. Aber unsoziales Mietrecht tut es auch nicht. Natürlich brauchen wir viel mehr, vor allem sozialen Wohnungsbau. Aber wir dürfen nicht abwarten, bis so viele Wohnungen gebaut sind, dass die Mieten nach Marktlogik wieder sinken. Wenn wir sehen, dass die Marktgesetze so viele Mieter/-innen ins Verderben zu stürzen drohen, dann müssen wir mit unseren Gesetzen in diesen Markt eingreifen. Dann müssen wir eben auch bei knappem Angebot den Mietmarkt so regeln, dass jeder Mensch in diesem Land ein Zuhause hat, das er oder sie sich leisten kann.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Ja, das funktioniert aber nicht! Man kann noch so viel regulieren, wenn es zu wenige Wohnungen gibt!)

Nun, man könnte fast schon meinen, wir hätten die Union dabei auf unserer Seite, wenn man ein Positionspapier der Berliner CDU vom letzten Jahr liest, in dem wesentliche Forderungen von SPD, Grünen und sogar der Linken übernommen wurden. Das Positionspapier enthält nämlich ein klares Bekenntnis zum Verbot von Indexmieten.

(Bernhard Daldrup [SPD]: Aha!)

Als aber Die Linke im November letzten Jahres genau das in einem Antrag hier gefordert hat, haben Sie ihn nicht nur abgelehnt, sondern wieder einmal und wenig originell das Gespenst des Sozialismus aus der Mottenkiste geholt.

(Zuruf des Abg. Bernhard Daldrup [SPD])

Bestürzend ist die wahlkampftaktische Offensichtlichkeit, die Sie auch zur Einberufung dieser Aktuellen Stunde getrieben hat. Halten Sie die Millionen Mieterinnen und Mieter in diesem Land für so dumm? Glauben Sie wirklich, die Wählerinnen und Wähler in Berlin durchschauen ein derart billiges Manöver nicht?

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Wie Ihre Enteignungsdebatte!)

Dabei müssen wir in der Tat bei Indexmieten nicht nur dringend, sondern auch kurzfristig handeln; denn eine Miete, die heute erhöht wird, bleibt hoch und wird nicht wieder gesenkt. Mit jedem Tag steigt also die Anzahl der Mieter/-innen, denen die Indexmiete das finanzielle Genick bricht, so wie sie jetzt geregelt ist und mit der Inflation steigt.

Dieser brachiale Ausdruck – Mietsteigerung als „Genickbruch“ – stammt nicht von mir. Ich habe vor Kurzem in Düsseldorf in meinem Wahlkreis einen kleinen, nicht repräsentativen Aufruf gestartet und Betroffene nach ihren Erfahrungen mit Indexmieten befragt. Ich erhielt in kürzester Zeit viele Rückmeldungen. Ganze Wohnkomplexe sind betroffen. Auch der preisgedämpfte, also günstigere Wohnraum ist von Indexmieten betroffen. Betroffen sind viele: von C4-Professoren bis zur alleinerziehenden Verkäuferin. Ein Betroffener war Ruben, der kurz vor Weihnachten eine Mieterhöhung von 15 Prozent geschenkt bekam und jetzt für seine 44-Quadratmeter-Wohnung 600 Euro Miete zahlt. Er war bereit, mit seinem Namen und Gesicht auch in der medialen Öffentlichkeit zu erscheinen, und hat damit gezeigt: Es sind reale Menschen mit ihren realen Schicksalen und keine Hirngespinste.

Der Deutsche Mieterbund hat hier natürlich eine viel seriösere Datenlage zu bieten und hat vor Kurzem auch objektiv belegt, wie stark die Indexmieten durchschnittlich steigen und wie beliebt sie unter Vermieterinnen und Vermietern gerade bei neu abgeschlossenen Mietverträgen sind. Ich hoffe, dass der Bundesjustizminister solch eine akute Problemsituation mit Indexmieten angehen wird, nachdem sein Ministerium doch gerade diese aktuellen Zahlen eingeholt hat.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, insbesondere der Berliner CDU, ich freue mich darüber, dass Sie zumindest auf dem Papier erkannt haben, dass ein verängstigtes Festklammern am Mantra „Bauen, Bauen, Bauen“ nicht ausreichend ist. Wenn Ihnen wirklich das Wohl der Mieter/-innen am Herzen liegt, überzeugen Sie doch auch den Rest Ihrer Fraktion davon, und nutzen Sie diese Einsicht, um mit uns konstruktiv an einer Verbesserung des sozialen Mietrechts zu arbeiten. Bis zum kommenden Wahlsonntag wird es sicherlich nicht klappen, und die vielen Mieter/-innen in Berlin werden schon erkennen, wer wirklich an ihrer Seite steht. Aber lassen Sie sich davon nicht entmutigen, bleiben Sie dran!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Zum Abschluss dieser Debatte erhält Kevin Kühnert das Wort für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7550743
Wahlperiode 20
Sitzung 84
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Krise auf dem Wohnungsmarkt - Jetzt entschlossen gegensteuern
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