Kevin KühnertSPD - Aktuelle Stunde: Krise auf dem Wohnungsmarkt - Jetzt entschlossen gegensteuern
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist ja eigentlich sehr erfrischend, dass in solchen Debatten auch mal eine zuständige Ministerin ans Pult geht, die das Ganze mit einer ehrlichen und offenen Zwischenbilanz eröffnet. Das hatten wir hier im Deutschen Bundestag ja viele Jahre lang nicht. Viele in Deutschland wissen das gar nicht: Der vorherige Bauminister – der Name ist heute etwas verschämt gefallen – ist Herr Seehofer gewesen. Das hat er neben seinen vielfältigen anderen Aufgaben sozusagen noch als Nebenjob mit erledigt,
(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: So wie Frau Faeser sozusagen!)
oder zumindest stand an seiner Tür irgendwo so etwas mit dran.
Herr Seehofer hatte kein wirkliches Interesse an dem ganzen Thema und hat am Ende sogar heldenhaft Baugenehmigungen in seine große Wohnungsbilanz miteinberechnet. Ich weiß nicht, ob in Bayern Leute in eine Baugenehmigung einziehen. Zumindest bei uns in Berlin funktioniert das meistens nicht. Da ist es doch deutlich besser, dass sich jemand hinstellt und den Leuten selbst in einem schwierigen Umfeld, in dem man durchaus Gefahr läuft, politisch schwierige Zahlen präsentieren zu müssen, reinen Wein einschenkt und sagt, welche Kennziffern wir brauchen, und sich auch nicht davon verabschiedet. Frau Ministerin, wir sind Ihnen dankbar dafür, dass Sie der deutschen Öffentlichkeit diese Zahlen jedes Mal wieder deutlich mitteilen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wir wissen in dieser Koalition sehr genau, was im Bereich der Baupolitik unser Job ist. Deswegen haben wir im ersten Jahr mit dem Wohnungsbündnis die entsprechende Instanz dafür auf den Weg gebracht, haben ein riesiges Bündel an Maßnahmen vereinbart. Es gibt eine Geschäftsstelle im Ministerium, die die Umsetzung permanent nachhält. Und da steht alles drin, was unsere ureigenste Aufgabe in der Bundespolitik ist: Aufgaben entschlacken, zusammen mit den Ländern die Bauordnungen angleichen, die sich übrigens mit Unterschrift dazu verpflichtet haben, serielles Bauen fördern, Typengenehmigungen im großen Umfang ermöglichen, Bauland mobilisieren, ein sicheres Förderumfeld schaffen – ja, da ist im letzten Jahr Vertrauen verloren gegangen; das bestreitet hier niemand –, die Wohngemeinnützigkeit mit einer anständigen finanziellen Ausstattung auf den Weg bringen und, ja, auch das Mietrecht zu einem besseren Mietrecht in Deutschland machen. Das alles sind unsere Aufgaben. Das ist unser Anteil.
Aber die Bundesbauministerin – auch wenn sie so heißt – baut am Ende gar nicht selber, so wie Herr Seehofer die 300 000 Wohnungen, die in manchen seiner Amtsjahre gebaut wurden, auch nicht selber gebaut hat. Sein Anteil daran ist ja herzlich gering gewesen. Wenn Sie nicht glauben, dass die Aufgabe eigentlich bei ganz anderen zu suchen ist, dann möchte Ihnen gern ein Zitat Ihres ehemaligen baupolitischen Sprechers aus der vergangenen Wahlperiode von vor etwa zwei Jahren vorlesen. Herr Wegner – manche werden den Namen in den letzten Wochen hier draußen an Straßenlaternen mal gelesen haben – hat vor zwei Jahren an diesem Pult Folgendes gesagt: „Der Bundesminister“, damals noch Herr Seehofer, „ist nicht dafür zuständig, Wohnungen zu bauen, und die Koalition auch nicht – die Länder müssen endlich hier vorangehen und den Missstand abbauen.“ Dann nehmen Sie doch Ihren so hochgelobten Herrn Seehofer mal beim Wort! Fangen Sie vielleicht bei ihm zu Hause im Freistaat Bayern damit an, bei Herrn Söder mal nachzufragen, warum die von ihm als großer Wahlkampfshowakt eingerichtete BayernHeimGmbH, die er vor der letzten Landtagswahl in Bayern eröffnet hat, heute nicht mal 5 Prozent ihrer Wohnungsbau- und Ankaufsziele erfüllt hat! Herr Lange, selbst wenn die bis Ende nächsten Jahres alles schaffen, was sie sich vorgenommen haben, sind sie bei 7 Prozent. Da lachen ja die Hühner! Wenn das alle so machen würden wie Bayern, dann stünden wir in Deutschland noch viel schlechter da.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Kein Appell von Ihrer Seite heute an irgendeines dieser Länder! Und Sie wissen auch ganz genau, warum Sie nicht appelliert haben.
Stattdessen hier lauter Bewerbungsreden für die Pressesprecherstelle bei Vonovia; das haben wir letztes Jahr auch schon erlebt. Kaum stellt sich Herr Buch irgendwohin und sagt: „Ah, die Inflation ist so hoch, jetzt müssen auch die Mieten jedes Mal in den nächsten Jahren entsprechend steigen“, stehen Leute hier und sagen: „Alarm!“ Jetzt sagt Herr Buch – mein Kollege Daldrup hat es eben widerlegt –: „Wir können gar keine Wohnungen mehr bauen“, und schon schreien sofort alle Zeter und Mordio. Wo ist eigentlich an einem Tag wie diesem mal irgendwo in dieser Debatte der Appell gewesen, dass Unternehmen, die mit dem Gemeinwohlgut des Daches über dem Kopf von anderen Menschen wirtschaften und jahrelang gute Erträge damit erzielt haben – das ist in den Bilanzen alles nachzulesen; manche sitzen hier, die selber in Form von Dividendenausschüttungen gut davon profitiert haben –,
(Widerspruch bei der CDU/CSU)
sich nicht sofort in die Büsche schlagen, wenn das Bauzinsumfeld mal nicht bei unter 1 Prozent liegt, sondern höher? Nein, Sie stehen dann auf der Seite dieser Unternehmen, von denen Sie auch fürstlich – siehe beispielsweise Herr Gröner mit seiner Spende von 800 000 Euro an die Berliner CDU im letzten Wahlkampf – profitiert haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wes Brot ich ess – wer meine Plakate bezahlt –, des Lied ich sing. So läuft es auch heute hier wieder in dieser Debatte.
Nein, meine Damen und Herren, bitte fallen Sie nicht darauf rein! Wir brauchen beides: den bezahlbaren Neubau in großem Umfang und den Mieterinnen- und Mieterschutz. Fallen Sie nicht auf diejenigen rein, die mit Klagen in Karlsruhe und mit ihrem politischen Gewicht in diesem Parlament alles verhindert haben und die jetzt das Verbot von Indexmieten und ganz viele andere Sachen, Schlichtungsstellen und anderes, aufrufen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Verfassungswidrige Gesetze sind verfassungswidrige Gesetze!)
Zu denjenigen in der Berliner CDU, die hier am Sonntag gerne für Mieterschutz und bezahlbares Wohnen gewählt werden wollen, kann man wirklich nur sagen: Nepper, Schlepper, Bauernfänger! Diesmal warnt nicht die Kriminalpolizei, aber sehr wohl der gesunde Menschenverstand von Mieterinnen und Mietern, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Da liegen die Nerven blank! – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Sie scheinen in großer Sorge zu sein! Da ist mir anscheinend ziemlich viel Nervosität bei der SPD!)
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7550745 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 84 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Krise auf dem Wohnungsmarkt - Jetzt entschlossen gegensteuern |