09.02.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 85 / Tagesordnungspunkt 6

Michael DonthCDU/CSU - Änderung des Regionalisierungsgesetzes

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es mag Sie jetzt überraschen, was ich sage, aber grundsätzlich, Herr Minister, begrüße ich ein bundesweit einheitliches ÖPNV-Ticket,

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

weil es kundenfreundlich ist und die Fahrgäste den Nahverkehr verbundübergreifend nutzen können. Auf Basis dieser Idee haben Sie uns eine weitere Änderung des Regionalisierungsgesetzes vorgelegt, die ich jetzt noch einmal genauer anschauen und benoten möchte.

Das 49‑Euro-Ticket sollte eigentlich zum 1. Januar 2023 eingeführt werden. Jetzt kommt es zum 1. Mai 2023, also immerhin ein halber Pluspunkt.

(Carina Konrad [FDP]: Da hätte die Union vielleicht auch mal ein bisschen besser mitarbeiten können! Dann wäre es schneller gegangen!)

Das Ticket ermöglicht über die Verbundgrenzen hinweg die bundesweite Nutzung des ÖPNV, ein ganzer Pluspunkt.

Die Finanzierung ist bis zum Ende des Jahres gesichert, danach sind mögliche Mehrkosten unklar, mit Wohlwollen ein weiterer halber Pluspunkt. Damit sind wir bei zwei.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Jetzt reicht es aber!)

Nicht im Gesetz enthalten, aber ich berücksichtige es dennoch: Bund und Länder haben sich auf einheitliche Regelungen für ein Jobticket geeinigt, sodass Arbeitnehmer das Ticket für mindestens 30 Prozent weniger erhalten können. Das ist noch einmal ein Pluspunkt. Ich komme damit auf drei.

Auf der anderen Seite – das muss ich jetzt eben auch erwähnen – muss ich feststellen: Der Einführungspreis liegt zwar bei 49 Euro pro Ticket. Aus Länderkreisen heißt es aber bereits sehr deutlich, man rechne sehr schnell mit einer Preissteigerung. Warum machen wir uns nicht gleich ehrlich?

(Dorothee Martin [SPD]: Ich habe keine Klagen gehört!)

Das ist aus meiner Sicht ein klarer Minuspunkt.

Die Digitalisierung des Nahverkehrs begrüßen wir grundsätzlich. Aber wir haben es ja gerade gehört: Wider besseres Wissen derer, die es umsetzen müssen, beharrt der Minister auf einer Chipkarten- oder einer Handylösung. Bis Ende 2023 soll es übergangsweise eine Papierlösung mit QR-Code geben – immerhin! –, aber nur für Verbünde, „die zumindest grundsätzlich technisch in der Lage sind, auch Chipkarten auszugeben“. Und was ist mit den Verbünden, die noch keine digitale Möglichkeit haben? Wo sollen denn die 10 000 Lesegeräte für die Chipkarten herkommen?

(Dorothee Martin [SPD]: Hier: Handy und App! Das funktioniert!)

Die Busunternehmer sagen uns, dass sie dafür Lesegeräte brauchen und das eben nicht mit dem Handy machen können.

(Dorothee Martin [SPD]: Doch!)

Darauf haben Sie keine Antwort. Also braucht man doch das Smartphone. Ich kann das gut machen. Aber was ist, wenn jemand keins hat oder es nicht nutzen möchte? Das ist ein weiterer Minuspunkt. Wir wollen, dass alle dieses Ticket nutzen können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Einnahmeverteilung unter den Unternehmen ist immer noch unklar. Große Verbünde wie hier in Berlin werden natürlich viel mehr Tickets verkaufen als ein Busunternehmer auf der Schwäbischen Alb oder auf Rügen. Das bedeutet notwendige Liquidität, die die einen haben und die den anderen fehlt, ein weiterer Minuspunkt, der dritte.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und dann wird eine Gruppe von Ihnen wieder mal vergessen, nämlich die Studenten. Was passiert mit den Semestertickets? Ersetzen die 49‑Euro-Tickets die Semestertickets? Werden diese angerechnet? Alle diese Fragen sind völlig offen. Das ist eine ganz wichtige Klientel im ÖPNV; denn die Studenten haben in der Regel eben keine Möglichkeit, auf Autos oder etwas anderes auszuweichen, ein klarer weiterer Minuspunkt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Timon Gremmels [SPD])

Vergessen werden auch die eigenwirtschaftlichen Verkehre, weil der Bund es ablehnt, die Tarifgenehmigung formell auszusprechen. Es ist eindeutig: Das Herzensprojekt von Minister Wissing ist auf das Wohlwollen der Zuständigen vor Ort angewiesen. Die Unternehmen, die darauf angewiesen sind, hängen in der Luft, ein fünfter Minuspunkt.

Dann noch zum Thema Regionalzüge. Die der Bahn können mit dem 49‑Euro-Ticket genutzt werden; Fernbusse, die die gleichen Strecken fahren, können nicht genutzt werden. Das ist eine eindeutige Benachteiligung der Busse und auch des ländlichen Raums und der Menschen auf dem Land, der sechste Minuspunkt.

Ich fasse also zusammen: prinzipiell eine gute Idee, aber schlechte Umsetzung und viel mehr Minuspunkte als Pluspunkte. In der Schule – ich bin kein Lehrer – gäbe es wahrscheinlich die Note

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sechs!)

Vier minus, Versetzung ins nächste Jahr gefährdet.

Sie müssen jetzt im weiteren Verfahren liefern, sonst wird dieses 49‑Euro-Ticket scheitern, Schaden verursachen und für so manches Unternehmen das Aus bedeuten.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels [SPD])

Bessern Sie nach!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Dorothee Martin.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7550780
Wahlperiode 20
Sitzung 85
Tagesordnungspunkt Änderung des Regionalisierungsgesetzes
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