Fabian JacobiAfD - Digitale Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „ Alle Menschen sind ungleich“, sagt ein Bonmot, das uns daran erinnert, dass der Mensch seiner Natur nach Individuum ist; jeder ein Einzelstück. Zugleich aber sind die menschlichen Individuen in einer Vielzahl von Gemeinsamkeiten und Übereinstimmungen verbunden. Und weil der Mensch nicht nur Einzelwesen ist, sondern auch auf das Zusammenwirken mit seinen Mitmenschen angelegt, so liegt es ebenfalls in seiner Natur, dass er sich mit anderen Individuen, mit denen er gemeinsame Interessen oder Vorlieben hat, zusammentut. Und wenn er das tut, so heißt man das Ergebnis einen Verein.
Das Vereinswesen ist in Deutschland traditionell ausgeprägt. Das kommt zum Ausdruck in dem spöttisch liebevollen Spruch: Wo drei Deutsche zusammenstehen, da gründen sie einen Verein. – Und so vielgestaltig wie die Menschen, die sie bilden, sind denn auch die unzähligen Vereine in Deutschland: vom dreiköpfigen Skatklub bis zum Millionen Mitglieder umfassenden Autoverein.
Das Vereinswesen dient aber nicht nur der Verwirklichung der jeweiligen ganz unterschiedlichen Vereinszwecke, es hat auch in seiner Gesamtheit eine wichtige staatspolitische Funktion. Es ist gleichsam eine allgemeine Schule der Demokratie. Menschen tun sich zusammen, um einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen. Um dazu einen gemeinsamen Willen zu bilden, legen sie Regeln fest, nach denen diese Willensbildung stattfindet; quasi eine Verfassung, beim Verein Satzung geheißen. Sie geben sich eine Führung; quasi eine Regierung, beim Verein Vorstand geheißen. Sie halten regelmäßig Versammlungen ab, in denen die Vereinsmitglieder nach den festgelegten Regeln Beschlüsse fassen und über ihren Vorstand urteilen, ob sie mit dessen Tätigkeit einverstanden sind oder ihn austauschen wollen. So werden demokratische Werte und Verfahren eingeübt: die Mitbestimmung des Einzelnen in den Angelegenheiten des Gemeinwesens, die gemeinsame Willensbildung nach festgelegten Regeln und die Verantwortlichkeit und Auswechselbarkeit der Führung. Das sind Werte, auf die auch der demokratische Staat für sein Funktionieren angewiesen ist.
(Beifall bei der AfD)
Von zentraler Bedeutung für diese demokratischen Prozesse in einem Verein ist die Mitgliederversammlung. Sie ist oftmals die einzige Gelegenheit, bei der die Mitglieder tatsächlich zusammenkommen und sich über die Angelegenheiten ihres Vereins auch untereinander austauschen können. Das Gesetz lässt den Vereinen dabei weitgehende Freiheit, in ihren Satzungen die Art und den Ablauf ihrer Mitgliederversammlungen nach ihren jeweiligen Bedürfnissen und nach den Wünschen der Vereinsmitglieder zu gestalten. Unter anderem haben die Vereine bereits jetzt die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, ob sie ihre Mitgliederversammlungen in der hergebrachten Form durchführen, dass sich die Mitglieder an einem Ort versammeln, oder ob dazu auch eine bloße Konferenzschaltung im Internet genügen soll.
Für das einzelne Mitglied macht das natürlich einen fundamentalen Unterschied. Ob man sich mit den Vereinsgenossen tatsächlich versammelt und dabei auch untereinander sich besprechen, Informationen austauschen, sich eine Meinung bilden kann oder ob man alleine zu Hause vor dem Bildschirm sitzt, von dort aus lediglich die offiziellen Redebeiträge aus der Ferne verfolgt und am Ende vielleicht einmal per Mausklick mit abstimmen darf, das ist für die vereinsinterne Demokratie schon wesentlich.
Und weil es dabei eben um die wesentlichen Regeln für die Willensbildung im Verein geht, ist es absolut sinnvoll und angebracht, dass Änderungen an diesen Regeln durch eine Änderung der Vereinssatzung erfolgen. Die Änderung der Satzung erfordert im Regelfall eine erhöhte Mehrheit, und auch das ist sinnvoll und gut. Denn wenn man die Regeln ändern möchte, nach denen gespielt wird, dann sollte das weitgehend einvernehmlich erfolgen. Wer also die Spielregeln ändern will, der muss dazu eine offene Diskussion mit allen Vereinsmitgliedern führen und um deren Zustimmung werben. Und wenn diese erforderliche weitgehende Einigkeit über eine Änderung der Spielregeln, wenn die qualifizierte Mehrheit für eine Änderung der Satzung nicht zustande kommt, dann ist es im Sinne der Demokratie gut und richtig, dass die Spielregeln dann eben nicht geändert werden.
(Beifall bei der AfD)
Und nun kommen wir endlich zu dem Gesetzentwurf, den wir heute hier beraten. Was will dieser Gesetzentwurf? Er kommt daher, als wolle er den Vereinen neue zusätzliche Möglichkeiten zur Gestaltung ihrer Mitgliederversammlungen eröffnen, die sie bisher nicht hatten. Das ist aber falsch, und das steht sogar in der Antragsbegründung ausdrücklich vermerkt – ich zitiere –: „Vereine können bereits nach geltendem Recht aufgrund von Satzungsregelungen vorsehen, dass die Mitglieder ohne Anwesenheit am Versammlungsort nur im Wege der elektronischen Kommunikation an der Mitgliederversammlung teilnehmen … können“.
Worum es in diesem Gesetzentwurf geht, ist also nicht, den Vereinen neue Möglichkeiten zur Durchführung ihrer Mitgliederversammlungen zu eröffnen, die sie bislang nicht hatten. Wenn es darum ginge, würden wir dem Gesetz wahrscheinlich zustimmen. Denn dagegen wäre ja gar nichts einzuwenden – wenn es darum ginge, dass die Vereine selbst entscheiden können, welche Art der Durchführung von Mitgliederversammlungen sie selbst für sich praktizieren wollen.
Die unzähligen Vereine sind untereinander so unterschiedlich wie die Menschen, die sie bilden. Und was für den einen Verein funktioniert, muss für den nächsten Verein noch lange nicht das Richtige sein. In manchen Konstellationen mag es für die Vereinsdemokratie nützlich sein, sich im Internet zu versammeln, weil so auch Mitglieder teilnehmen können, die das sonst zum Beispiel wegen weiter Anreise nicht täten. Natürlich müssen und sollen die Vereine selbst entscheiden, wie sie ihre Versammlungen durchführen wollen. Das können sie aber, wie gesagt, schon heute – wenn denn die Vereinsmitglieder das wollen und die nötige Einigkeit über eine Änderung der Spielregeln besteht.
Was dieser Gesetzentwurf bezweckt, ist nicht die Schaffung neuer Möglichkeiten für Vereine, sondern er bezweckt allein die Möglichkeit, in den Vereinen die Spielregeln zu ändern, ohne dafür um die Zustimmung der Mitglieder zu einer Satzungsänderung zu werben und die Mitglieder davon zu überzeugen. Er soll in den Vereinen einfach das Durchregieren derjenigen ermöglichen, die es vorziehen, wenn man sich bei Mitgliederversammlungen nicht in Person trifft, sondern schön vereinzelt zu Hause auf dem Sofa sitzt. Ein solches Vorgehen des Gesetzgebers, die vereinsinterne Demokratie und die von den Vereinsmitgliedern in ihrer Satzung autonom gesetzten Regeln zu untergraben, lehnen wir ab.
Ich habe vorhin gesagt, das Vereinsleben sei eine Schule der Demokratie und deshalb auch für den demokratischen Staat wichtig. Diese wichtige Eigenschaft sollten wir als Gesetzgeber nicht beschädigen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der AfD)
Das Wort erhält Dr. Till Steffen für Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7550826 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 85 |
Tagesordnungspunkt | Digitale Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht |