09.02.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 85 / Tagesordnungspunkt 9

Derya Türk-NachbaurSPD - Friedensplan mit Sicherheitsgarantien für die Ukraine und Russland

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen und andere!

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Zeig mir deine Freunde, und ich sage dir, wer du bist! In Ihrem Fall hier wissen wir, wer Sie sind, auch ohne dass Sie uns Ihren Freund im Kreml zeigen müssen. Für mich sind Sie der verlängerte Arm des Kremls im Deutschen Bundestag.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Sie sind diejenigen, die versuchen, diesen brutalen Angriffskrieg mit absurden Sätzen und absurden Forderungen, mit Täter-Opfer-Umkehr zu relativieren, zu legitimieren; ich weiß nicht, was Sie da versuchen. Kein Wort davon, dass dieser Angriffskrieg der Ukraine das Existenzrecht abspricht, dass Russland der Aggressor ist. Kein Wort davon, dass russische Soldaten Tausende Frauen vergewaltigt, Tausende Kinder kaltblütig ermordet oder verschleppt haben. Kein Wort davon, dass in der Ukraine russische Truppen unschuldige Männer quälen, Menschen zwangsumsiedeln, Millionen Häuser plündern, Kirchen, Krankenhäuser, Theater, Schulen und Kindergärten bombardieren – kein einziges Wort! Sie sprechen von den beiden Konfliktparteien, als ginge es hier um einen Nachbarschaftsstreit um einen Maschendrahtzaun.

Putin will die Ukraine vernichten. Putin will die ukrainische Identität auslöschen.

(Enrico Komning [AfD]: Das ist doch Blödsinn!)

Putin schert sich nicht um Menschenrechte, und Putin schert sich auch nicht um geltendes Völkerrecht. Und Sie hier rechts außen scheinen ihn dafür zu feiern. Schämen sollten Sie sich dafür!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Ihr populistischer Zynismus ist wirklich ganz schwer auszuhalten. Auch wenn Sie sich hier im Kostüm der angeblich Frieden suchenden, besorgten Bürger darzustellen versuchen: Meilenweit gegen den Wind riecht man, wessen Interessen Sie hier eigentlich vertreten wollen.

Bevor nach der Debatte die orchestrierte, künstliche Empörung für Ihre Youtube- und Telegram-Kanäle losgeht, möchte ich Sie mit einigen Fakten und Zitaten aus Ihren eigenen Reihen konfrontieren. Mehrere Abgeordnete – Kollege Stegner hat es bereits gesagt – sind 2018 auf Einladung der russischen Regierung zur Präsidentschaftswahl nach Moskau geflogen, um dann festzustellen, dass es keinerlei Unregelmäßigkeiten bei der Wahl gegeben hat. Hahaha! Glückwunsch zu solcher Auffassungsgabe, sage ich da nur. Finanziert wurde diese Reise übrigens von der Russischen Zivilkammer. Sie werden instrumentalisiert und merken es noch nicht einmal. Ich weiß nicht, was Sie überhaupt noch merken.

Ihr Kollege Gunnar Lindemann, der bei der vorhin erwähnten Reise auch als Gast Moskaus dabei war, hat es mit seinen Besuchen in den besetzten Gebieten der Ostukraine als Propagandist des Kremls auf die Webseiten der Russischen Föderation geschafft. Auch dazu herzlichen Glückwunsch! Zumindest dort hat er es geschafft, mal positiv in irgendeiner Weise erwähnt zu werden.

Zwei Tage vor dem Überfall auf die Ukraine hat Ihr Landtagsabgeordneter aus Thüringen, Rudy, behauptet – ich zitiere –: „Die Bevölkerung“ in der Ukraine leide „extrem unter den Neonazis.“ Nach dem Überfall sagte er – ich zitiere –, die „Handlungen beider Seiten“ seien „aus ihrer Perspektive nachvollziehbar“.

Im April antwortete Herr Chrupalla auf die Frage, wie sich Kiew denn ohne Waffen verteidigen solle, das sei nicht sein Problem, das sei die Aufgabe der Ukrainer; er vertrete deutsche Interessen.

(Zurufe von der AfD)

Den triefenden Nationalismus lasse ich mal komplett beiseite. Aber ich glaube überhaupt nicht, dass Sie deutsche Interessen vertreten, Herr Chrupalla. Wenn dem so wäre, würden Sie unsere Sicherheitsbehörden und den Verfassungsschutz nicht so dermaßen auf Trab halten und für solch eine Arbeitsbelastung sorgen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Auch jetzt wieder müssen sich unsere Sicherheitsbehörden mit Ihren Verbindungen zu Moskau herumschlagen.

(Tino Chrupalla [AfD]: Das ist doch absurd!)

Ich spreche von dem auch aus Ihren Reihen gegründeten prorussischen Verein VADAR und dessen fragwürdiger Finanzierung.

(Matthias Moosdorf [AfD]: Kommt jetzt noch Substanz, oder war es das?)

Einer der Gründer, der auch hier in Ihren Reihen sitzt, beschwert sich in der Telegram-Gruppe des Vereins, dass man das russische Zeichen „Z“ als Symbol

(Matthias Moosdorf [AfD]: Das ist Zwickau! Das ist mein Wahlkreis!)

der Russen für den Angriffskrieg gegen die Ukraine in Deutschland nicht nutzen darf. Und genau dieser Mann beschwert sich dann im russischen Radiosender darüber, dass es in Deutschland keine Demokratie gäbe und es körperliche Übergriffe auf Andersdenkende gebe. Er streitet auch ab, dass Deutschland ein Rechtsstaat sei.

Da sitzt also ein Abgeordneter im Herzen unserer Demokratie, nachdem er von unserem demokratischen Wahlrecht Gebrauch gemacht hat, darf seine Meinung kundtun und auch noch Unwahrheiten verbreiten – auch wenn es schwer erträglich ist –, und dann beschwert er sich, dass er in einer Nichtdemokratie leben müsse. Ich frage mich, ob dieses Austeilen ebenso unproblematisch wäre, wenn es gegen die Regierung in Moskau ginge. Sagen Sie mal, merken Sie überhaupt noch was?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich wiederhole es noch mal, weil ich es entsetzlich finde: Was in aller Welt hat denn Ihren Kollegen geritten, vor wenigen Tagen im russischen Propagandafernsehen aufzutreten? In genau dem Fernsehen, in dem offen die Vernichtung Deutschlands sowie ein atomarer Präventivschlag gegen den Westen befürwortet oder sogar angedroht wird, in dem zum Mord gegen unsere Außenministerin aufgerufen wird, in dem Sender, wo gestern noch gesagt wurde, dass die Welt ohne Scholz, Baerbock und Pistorius eine bessere wäre, wo unsere Minister und der Kanzler gestern als – ich zitiere – „Nazi-Bastarde“ bezeichnet worden sind. Was reitet Sie, dort aufzutreten?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Sie wollen verhandeln? Gut, dann nutzen Sie bitte Ihre guten Kontakte in den Kreml und richten aus, dass der Aggressor seine Truppen schnellstmöglich abziehen soll! Wenn Putins Waffen schweigen, endet der Krieg. Wenn die Waffen der Ukraine jetzt schweigen, endet die Existenz der Ukraine. Das werden wir als internationale Gemeinschaft nicht zulassen. Und auch unsere östlichen Partner werden das nicht zulassen. Die Ukraine gehört zu Europa, in unsere Mitte, und dafür stehen wir ein. Wir lassen die Ukraine nicht im Stich.

Slawa Ukrajini!

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der letzte Redner in der Debatte ist für die Unionsfraktion der Kollege Thomas Erndl.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7550866
Wahlperiode 20
Sitzung 85
Tagesordnungspunkt Friedensplan mit Sicherheitsgarantien für die Ukraine und Russland
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