Carolin WagnerSPD - Aktuelle Stunde: Drohender Kollaps des System Kita
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Bartsch, ich möchte an dieser Stelle noch ergänzen: 200 Milliarden Euro für die Energiepreisbremsen und 95 Milliarden Euro für die Entlastungspakete, das ist auch ganz schön viel Geld, das hier in die Hand genommen wurde.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vor Kurzem war ich in meinem Wahlkreis Regensburg im Waldkindergarten in Pielenhofen. Dieser Kindergarten steht gerade in der Endrunde für den Deutschen Kita-Preis. Ich drücke an dieser Stelle noch mal ganz fest die Daumen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Es war ein toller Besuch. Die Kinder hatten mir zur Begrüßung einen Schneemann gebaut, den sie „Olaf“ getauft hatten. Für diese nette Geste ist der Waldkindergarten natürlich nicht nominiert worden, sondern für die herausragende Bündnisarbeit im Bereich „Bildung für nachhaltige Entwicklung“. Die Motivation und Begeisterung, liebe Kolleginnen und Kollegen, die die Erzieher/-innen ausgestrahlt haben, konnte man förmlich spüren. Die Rückmeldung von ihnen, dass sie durch die Preisnominierung endlich eine Würdigung für ihre langjährige Arbeit vor Ort erhielten, hat mich aber auch sehr bedrückt. Denn sie hat mir gezeigt: Es geht zu sehr unter, was tagtäglich in den Kitas in diesem Land geleistet wird.
Die SPD weiß um die Relevanz der frühkindlichen Bildung und wie positiv sich die Kita auf die Entwicklung eines Kindes auswirkt. Deshalb verfolgen wir seit Jahren das Ziel, den Anteil der Kinder, die eine Kita besuchen, zu erhöhen, die Anzahl der Betreuungsplätze auszubauen und das Ganztagskonzept einzuführen.
(Beifall bei der SPD)
Jetzt stehen wir mit Blick auf den Fachkräftemangel in den Erziehungsberufen vor einer riesengroßen Herausforderung. Deswegen finde ich es auch gut, werte Kolleginnen und Kollegen von der Linken, dass wir dies heute auch hier in einer Aktuellen Stunde debattieren. Denn ausreichend Kitaplätze – und natürlich, dass die Kitas auch geöffnet sind – sind die Ausgangsbasis nicht nur für Bildungsgerechtigkeit, sondern auch für Gleichstellung in diesem Land, für eine höhere Erwerbsquote von Frauen und damit auch für ihre späteren Rentenansprüche. Wie schnell wir bei der Verteilung der Kindersorgearbeit wieder in längst überwunden geglaubte Rollenbilder zurückfallen, hat uns die Coronapandemie schmerzlichst vor Augen geführt.
Deshalb ist diese Debatte auch zu wichtig, um sie allein mit einem Verweis auf die Zuständigkeit der Länder einfach wegzuwischen.
(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: So ist es!)
Vielmehr weiß der Bund um seine Verantwortung. Und ich möchte sagen: Gerade wenn die SPD an der Regierung ist, werden hier auch ganz zentrale Weichen gestellt.
(Zuruf der Abg. Daniela Ludwig [CDU/CSU])
Ich erinnere an das Tagesbetreuungsausbaugesetz aus dem Jahr 2004, das die damalige SPD-Bundesfamilienministerin Renate Schmidt vehement gegen angekündigte Blockaden der unionsgeführten Länder durchgesetzt hat.
(Beifall bei der SPD)
230 000 zusätzliche Kitaplätze bis 2010 hatte sie als Zielmarke ausgegeben und dafür etwa auch die Kindertagespflege deutlich gestärkt, die heute eine ganz wichtige Säule in der Betreuung der unter Dreijährigen darstellt.
Diese Unterstützung des Bundes wurde fortgeführt. Mit dem Kinderförderungsgesetz folgte 2008 eine weitere Offensive des Bundes zum Ausbau von Kitaplätzen. In den ersten drei Investitionsprogrammen hat sich der Bund mit insgesamt 3,28 Milliarden Euro am Ausbau von Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren beteiligt, und es wurden mehr als 560 000 zusätzliche Betreuungsplätze in Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege gefördert.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Mit den Mitteln des vierten und fünften Investitionsprogramms sollen jetzt noch weitere 190 000 Plätze geschaffen werden. Diese Maßnahmen zeigen auch Erfolge; denn die Betreuungsquote hat sich im Bundesdurchschnitt seit 2008 von 17,6 Prozent auf 35 Prozent in 2020 fast verdoppelt.
Das ist gut. Aber wir sehen eben auch: Der Ausbau der Plätze kann nur weitergehen, wenn das notwendige Personal da ist. Und das fehlt jetzt in allen Branchen. Da stimme ich Ihnen, sehr geehrter Herr Bartsch, auch zu: Diese Herausforderung wird uns definitiv, auf jeden Fall die nächsten zehn Jahre, beschäftigen. Gerade mit Blick auf die Bildungseinrichtungen – auf Kitas, Kindergärten, Schulen – müssen wir, Bund und Länder, das Thema jetzt gemeinsam anpacken. Denn die Bildungsinstitutionen sind zentral für den Zukunftsstandort Deutschland und für die Bildungsgerechtigkeit in diesem Land.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wir müssen jetzt die Zahl der Studienplätze erhöhen, für das Lehramt ebenso wie für die Kindererzieher/-innen. Hier sind vorrangig die Länder gefragt; aber ich denke schon, dass der Bund hier ebenfalls einen Anteil beisteuern muss, wenn dies gelingen soll. Die Ansätze, die gewählt wurden, um die Erzieher/-innenausbildung zu verkürzen, waren richtig, müssen aber durch weitere Maßnahmen flankiert werden, etwa durch bessere Betreuungsschlüssel. Auch notwendig ist, dass wir jetzt ein modernes Zuwanderungsrecht schaffen. Noch in diesem Jahr werden die nötigen Gesetze beschlossen. Auch hier nimmt die SPD-geführte Regierung eine ganz zentrale Weichenstellung vor.
Ich möchte aber auch noch ganz klar sagen: Das alles kostet verdammt viel Geld. Deswegen, werter Herr Finanzminister Christian Lindner, überzeugen Sie sich und Ihre Partei von einem finanzpolitischen Kurswechsel! Ich unterstütze aus tiefster Überzeugung die Vorschläge unserer Parteivorsitzenden Saskia Esken zu einem Sondervermögen für Bildung.
(Beifall bei der SPD – Nina Warken [CDU/CSU]: Davon haben wir schon lange nichts mehr gehört!)
Wir müssen die Vermögensteuer wieder erheben und brauchen eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes und der Kapitalertragsteuer; denn nur eine gerechte Steuerpolitik wird uns die nächsten Jahre weitertragen.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Christoph Meyer [FDP]: Gucken Sie mal in den Koalitionsvertrag! – Nina Warken [CDU/CSU]: Hat Frau Esken noch was zu sagen?)
Für die Unionsfraktion hat die Kollegin Silvia Breher das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7550878 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 85 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Drohender Kollaps des System Kita |