09.02.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 85 / Tagesordnungspunkt 23

Timon GremmelsSPD - Energieversorgung im Winter 2023/2024

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Union hat eine Chance verpasst, sich heute sachlich mit ihrem eigenen Antrag auseinanderzusetzen.

(Heiterkeit des Abg. Michael Kruse [FDP])

Denn da stehen ja – zumindest auf der dritten Seite die ersten sieben Punkte – durchaus Dinge, über die wir ins Gespräch kommen können. Sie haben auch hinzugelernt – das gestehen wir Ihnen zu –, dass Photovoltaik zum Beispiel einen wichtigen Beitrag für eine dezentrale Energiewende leisten kann. Warum hat weder Herr Lenz noch Herr Spahn über diese Punkte hier die Diskussion gesucht?

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Habe ich doch!)

– Na ja!

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Zuhören! Nicht gleichzeitig schreien, sondern zuhören!)

Das, was uns allen von Ihrer Rede in Erinnerung bleibt, ist insbesondere, dass Sie gefordert haben, die Laufzeit der Atomkraftwerke in Deutschland zu verlängern, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Beifall des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD] – Stephan Brandner [AfD]: Sehr gut!)

Das ist übrig geblieben.

Ehrlich gesagt: Ich kann ja noch verstehen, dass Herr Spahn nicht auf mich hört; das muss auch gar nicht sein. Aber dann hören Sie doch wenigstens auf ihre Freunde aus der Energieindustrie. So hat der Chef des Energiekonzerns RWE, Markus Krebber,

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ja, der verdient mit Kohle auch viel Geld!)

heute gesagt, dass die drei letzten laufenden deutschen Atomkraftwerke verzichtbar sind.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wenn Sie die Kohlekraftwerke länger laufen lassen, verdient er auch viel Geld!)

– Hören Sie zu, Herr Spahn! – „In der gesamten europäischen Energieversorgung machen die gut vier Gigawatt Leistung

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Weil die Kohle läuft!)

der drei letzten deutschen Kernkraftwerke keinen Unterschied“, sagt Markus Krebber von RWE,

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Weil die Kohle läuft! Die Braunkohle läuft und läuft und läuft! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jens Spahn [CDU/CSU]: Lieber Kernkraft statt Kohle!)

Das zeigt doch: Auch die Energiekonzerne haben sich in Deutschland von der Atomenergie verabschiedet.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Weil die Kohle läuft! Lieber Atomkraft statt Kohle!)

Und das ist auch gut so, meine sehr verehrten Damen und Herren. Herr Spahn, nehmen Sie das zur Kenntnis.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Sie haben so viel Kohle ans Netz gebracht wie keiner vor Ihnen! – Gegenruf des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist hoch falsch! Das ist so was von falsch!)

Ehrlich gesagt: Wenn Sie sich dann hierhinstellen und sagen, dass die Atomkraft die Zukunftsenergie ist, dann ist das doch falsch.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die grüne Kohle!)

Sie sehen doch an Frankreich, dass das genau der falsche Weg ist. Die Franzosen mussten im letzten Jahr die Hälfte ihrer Atomkraftwerke abschalten, weil der Sommer so heiß war und sie zu wenig Wasser in den Flüssen hatten, um die Atomkraftwerke zu kühlen.

(Stephan Brandner [AfD]: Das ist doch Quatsch! – Karsten Hilse [AfD]: Lüge! Fake!)

Und wer hat Frankreich unterstützt, solidarisch, brüderlich? Das war Deutschland. Wir haben Gas verstromt, damit in Frankreich die Lichter nicht ausgehen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist doch der beste Beweis dafür, dass Atomkraft nicht die Zukunftstechnologie sein kann.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Deswegen ist Herr Müller so dankbar!)

– Ach, Herr Spahn, im Unterschied zu Ihnen war ich bei der Beiratssitzung. Ich halte es, ehrlich gesagt, für ein Unding, aus internen Sitzungen auch noch falsch zu zitieren. Herr Müller kann sich hier auch nicht wehren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Dass Sie das nötig haben, meine sehr verehrten Damen und Herren, zeigt doch, wie wenig Substanz Ihre Energiepolitik hat.

(Zuruf des Abg. Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU])

Weil man ja immer einen Grund braucht, warum man Dinge ablehnt, hat Herr Merz jetzt auf einmal einen neuen Grund angeführt. Ich habe mit großem Interesse seine Grundsatzrede bei der Konrad-Adenauer-Stiftung am 26. Januar nachverfolgt. Da hat er gesagt, die Ausbauziele der jetzigen Bundesregierung seien völlig unrealistisch. Zitat: „Wir haben schlicht und ergreifend nicht das Personal für einen exponentiellen Ausbau der Wind- und der Solarenergie.“ Ja, warum haben wir denn Personalmangel? Weil Sie in den letzten Jahrzehnten alles getan haben gegen Einwanderung, gegen ein Chancen-Aufenthaltsrecht, um Fachpersonal hierherzuholen,

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wegen des Chancen-Aufenthaltsrechts haben wir zu wenig Personal? Kruder wird’s heut nicht!)

damit wir qualifizierte Mitarbeiter hier haben, die auch in diesem Bereich arbeiten können.

(Zuruf des Abg. Jens Spahn [CDU/CSU])

Das müssen wir jetzt nachholen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen Einwanderung, wir müssen Leute anlernen, damit wir hier auch die erneuerbaren Energien ausbauen können. Das Argument, wir hätten kein Fachpersonal, zieht am allerwenigsten, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Lassen Sie mich in Richtung Bundeswirtschaftsministerium sagen: Ja, wir haben vernommen, dass Herr Habeck gesagt hat, es gäbe die Solarpakete I und II. Wir warten sehr geduldig darauf, weil wir da auch in die Puschen kommen müssen.

Wir müssen im Bereich Mieterstrom – und ich sage das hier in der Stadt Berlin, die eine Mieterstadt ist – die Mieterinnen und Mieter beteiligen. Auch sie sollen vom preiswerten Photovoltaikstrom profitieren, damit ihre Energiekosten sinken. Deswegen müssen wir beim Mieterstrom noch eine Schippe drauflegen.

(Beifall bei der SPD – Michael Kruse [FDP]: Dann muss man denen doch erst mal Wohnungen bauen in Berlin!)

Wir müssen es genauso beim Thema Eigenverbrauch und Energy Sharing machen. Auch hier müssen wir die Möglichkeiten nutzen, die uns die Europäische Union gibt. Wir müssen im Bereich der Eigenversorgung und des Eigenverbrauchs vorangehen. Wir brauchen eine deutliche Erleichterung von Energy Sharing. Auch da gehe ich davon aus, dass wir das genau so, wie wir es im Entschließungsantrag zum Erneuerbare-Energien-Gesetz 2023 beschlossen haben, auch umsetzen, meine sehr verehrten Damen und Herren – zeitnah, genau wie die Solarpflicht.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Andreas Lenz [CDU/CSU])

Herr Spahn, ich habe den Antrag sehr genau gelesen. Sie schreiben zum Beispiel, dass man Erleichterungen bei der Balkon-Photovoltaik braucht. Da sind wir ja auch dabei. Aber das eine ist, hier zu reden und Sachen zu fordern, und das andere ist, konkret zu handeln. Der Berliner Senat hat beschlossen,

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Der ist gut!)

dass es ab morgen für die Mieterinnen und Mieter 500 Euro Zuschuss pro neuer Photovoltaikanlage auf dem Balkon gibt. Das ist konkrete Energiepolitik. Das hilft Mieterinnen und Mietern, solche Anlagen zu installieren. Sie haben doch gute Kontakte zur Immobilienwirtschaft. Sorgen Sie dafür, dass die Mieterinnen und Mieter die Balkon-PV an ihren Balkonen installieren können, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU)

Dann würden Sie etwas Sinnvolles machen. Nutzen Sie Ihre guten Kontakte dafür. Der Berliner Senat – es war ein unabhängiger Senator, den die SPD vorgeschlagen hat – hat hier ein tolles, beispielhaftes Projekt auf den Weg gebracht. Genau so geht Energiepolitik: dezentral, erneuerbar.

Kollege.

Deswegen ist es eine gute Chance, auch hier weiterzumachen, nicht nur in Berlin, sondern in ganz Deutschland.

Glück auf!

(Beifall bei der SPD – Jens Spahn [CDU/CSU]: Das Niveau sinkt jedes Mal weiter!)

Das Wort hat Harald Ebner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7550915
Wahlperiode 20
Sitzung 85
Tagesordnungspunkt Energieversorgung im Winter 2023/2024
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