10.02.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 86 / Zusatzpunkt 6

Sven Schulze - Härtefallhilfen gegen hohe Energiepreise

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Bundestages! Herr Bundesminister! Ich finde es richtig und auch gut, dass die Sicht der Länder in dieser Debatte nicht zu kurz kommt und stellvertretend von mir entsprechend dargestellt werden kann. Ich möchte erst mal sagen, dass es gut ist, dass Deutschland überhaupt in der Lage ist, Hilfen zur Verfügung zu stellen. Viele europäische Länder können das in der Größenordnung nicht, und deswegen danke ich allen Fraktionen hier im Bundestag, dass man sich im letzten Jahr geeinigt hat, Dinge auf den Weg zu bringen.

Aber – das muss ich ebenfalls sagen – wir müssen uns als Bundesländer an dem, was vereinbart ist, auch orientieren können.

(Zuruf des Abg. Otto Fricke [FDP])

Ich sage ganz klar: Es ist richtig, Haushaltsgesetzgeber ist der Bundestag. Aber alle – wir Länder und die Bürger im Land – verlassen sich darauf, was der Bundeskanzler sagt.

(Otto Fricke [FDP]: Was?)

Und wenn der Bundeskanzler mit den Ministerpräsidenten eine Vereinbarung trifft, dann erwarten die Menschen auch, dass das umgesetzt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie sind doch regierungstragende Fraktionen, und deshalb ist es falsch, hier zu sagen, weil Sie der Haushaltsgesetzgeber seien, ändere man es noch mal in einzelnen Teilen.

(Otto Fricke [FDP]: Hä? Was? – Maik Außendorf [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gewaltenteilung!)

Zur Wahrheit gehört dazu: Zwischen den zwei Sitzungen des Haushaltsausschusses gab es einen Brief der Wirtschaftsminister aller Parteien. Als nämlich das Bundeswirtschaftsministerium uns über diesen Beschluss des Haushaltsausschusses informiert hat, waren alle Wirtschaftsminister, egal ob von der FDP, den Grünen, der SPD, der CDU, auf der Zinne. Und wir haben wenige Stunden gebraucht, um gemeinsam einen Brief an Sie zu schreiben und zu sagen: Bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen hier in Berlin, erinnert euch daran, was vereinbart ist! Erinnert euch daran, dass wir das, was wir wochenlang mit dem Bundeswirtschaftsministerium vereinbart und auf den Weg gebracht haben, auch umsetzen können!

Herr Minister.

Ja.

Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Abgeordneten Fricke?

Ja, gestatte ich. Ich möchte bloß noch den Satz zu Ende bringen, wenn ich darf. – Und zwar ist es so, dass die Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Ministerium und den Bundesländern bisher nicht getroffen werden konnte, weil es dieses Hin und Her mit dem Haushaltsausschuss hier in Berlin gab. Erst jetzt haben wir Klarheit, und erst jetzt kann das auf den Weg gebracht werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Jetzt darf der Kollege gern die Frage stellen.

Kollege Fricke, Sie haben das Wort.

Ich wollte auch warten, bis Sie, Frau Präsidentin, mir das Wort erteilen, und nicht der Herr Minister.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ogottogott! Lass stecken! Unerträglich!)

Genau.

Herr Minister Schulze, habe ich Sie gerade richtig verstanden, dass eine Vereinbarung, die die Exekutive trifft – mit wem auch immer –, über dem Gesetz steht? Oder sind Sie nicht mit mir der Meinung, dass in unserer Demokratie Gesetze – –

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh Gott!)

– Ich weiß, dass es für euch schwer zu akzeptieren ist, dass das Parlament hier den Vorrang hat.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Nee, es wird einfach peinlich! Furchtbar! – Zuruf des Abg. Dr. Günter Krings [CDU/CSU])

Aber ihr könntet bitte auch einfach mal zuhören, weil ich ja dem Minister die Möglichkeit geben will, das klarzustellen.

Ist es nicht vielmehr so, dass es in Deutschland, einem Rechtsstaat mit Gewaltenteilung, immer noch so ist, dass Gesetze gelten und dass, wenn Regierungen der Meinung sind, dass sie geändert werden sollen, sie dann Gesetzentwürfe in die Parlamente einbringen, womit dann diese Gesetze geändert werden? Das würde ich von Ihnen doch gerne noch mal klargestellt haben. Denn ich bin nicht bereit, mich als Parlamentarier bei einer Veranstaltung, bei der Regierungen untereinander etwas verhandeln, zu sehen als einen Appendix, der das mal eben ausführt, sondern ich mache dann, wenn es vernünftig ist, die Gesetze so, wie es sich in einem Rechtsstaat gehört.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jens Spahn [CDU/CSU]: Redet der Kanzler nicht mit der FDP? – Zuruf der Abg. Dorothee Bär [CDU/CSU])

Sie haben absolut recht: Das letzte Wort hat der Haushaltsgesetzgeber. Aber

(Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nix „aber“! Ohne „aber“!)

der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland wurde hier gewählt. Vielleicht liegt es daran, dass die FDP nicht allzu viele Direktmandate hat:

(Otto Fricke [FDP]: Gibt es Abgeordnete zweiter Klasse, oder was? – Markus Hümpfer [SPD]: Das ist doch lächerlich! – Gegenruf der Abg. Dorothee Bär [CDU/CSU])

Wenn Sie mal vor Ort sind und mit den Menschen reden, dann merken Sie, dass sie sich darauf verlassen, was der Kanzler ihnen sagt. Das waren – das gehört auch zur Wahrheit – viele Abgeordnete der regierungstragenden Fraktionen, die im Dezember letzten Jahres auch über die sozialen Medien und in den Medien gesagt haben: „Es ist gut, dass es hier eine Vereinbarung gibt: 1 Milliarde Euro für KMU“ und: „Nichtleitungsgebundene und leitungsgebundene Energieträger werden gleichbehandelt.“ – Das ist das, worauf wir uns verlassen haben, und das haben Sie hier nicht umgesetzt, auch bis heute nicht. Das gehört entsprechend zur Wahrheit dazu.

(Beifall bei der CDU/CSU – Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also, Sie sollten sich mal Gesetze anschauen! Es geht um den Unterschied zwischen Legislative und Exekutive! Eijeijei! – Otto Fricke [FDP]: Sie haben dem Gesetz doch zugestimmt! – Zurufe der Abg. Dr. Nina Scheer [SPD] und Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

So, jetzt hat aber trotzdem der Minister Schulze das Wort.

So ist es. – Ich habe ja erwartet, dass es hier Gegenwind gibt; aber ich hätte dem einen oder anderen, der jetzt hier dazwischengerufen hat, gern erlaubt – Herr Bundeswirtschaftsminister, vielleicht sollten wir das wirklich mal machen –, dann bei einer solchen Wirtschaftsministerkonferenz dabei zu sein.

(Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist Ihnen der Unterschied zwischen Legislative und Exekutive bekannt? Anscheinend nicht!)

Da waren es auch, lieber Kollege von den Grünen, Ihre Ministerien, die sehr verwundert und verärgert waren über das Vorgehen, darüber, was hier passiert ist.

Jetzt ist es ja so: Wir haben eine Änderung; aber wir sind trotzdem nicht bei dem Punkt, auf den wir uns verlassen haben.

(Dr. Nina Scheer [SPD]: Das ist genau das, was gerade bearbeitet wird!)

Herr Bundeswirtschaftsminister, wir haben über 1 Milliarde Euro gesprochen. Und uns wird gesagt: Na ja, es wird ja dann nachgesteuert. – Ich sage Ihnen mal, was das für mein Bundesland Sachsen-Anhalt – ein kleines Bundesland,

(Dr. Marcus Faber [FDP]: So klein ist es nicht!)

aber sehr ländlich geprägt – bedeutet: Viele haben am Ende des Tages genau die nichtleitungsgebundenen Energieträger. Ich erwarte circa 6 000 Anträge; davon, wenn wir relativ restriktiv handeln, sind es circa 3 000 Unternehmen, die dann berechtigt sind, Geld zu kriegen. Ich kriege laut Königsteiner Schlüssel jetzt mit dem Beschluss, den Sie getroffen haben, etwa 12 Millionen Euro; auf 3 000 Unternehmen heruntergerechnet, sind das 4 000 Euro pro Unternehmen. Da sind Unternehmen dabei, die im letzten Jahr Kostensteigerungen von fast 100 000 Euro pro Monat hatten. Das heißt, es ist am Ende des Tages ein Tropfen auf den heißen Stein, besser als nichts. Aber jetzt zu sagen:

(Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie doch mal Vorschläge!)

„Na ja, wir gucken mal“ und: „Wir passen mal auf, und wenn dann was übrig ist …“ – Wie soll das denn funktionieren? Wann kriege ich denn die Zusage, dass das restliche Geld auch kommt? Die Frage müssen Sie auch beantworten.

Deswegen glaube ich, dass es gut gewesen wäre, wenn wir hier Planungssicherheit gehabt hätten, wenn das, was die Damen und Herren Ministerpräsidenten mit dem Herrn Bundeskanzler vereinbart haben,

(Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Noch mal: Es macht einen Unterschied, Legislative und Exekutive!)

auch entsprechend umgesetzt worden wäre.

Die Diskussion, die Sie hier führen, so wie Sie sie führen, die wird so draußen nicht geführt. Sprechen Sie mal mit Unternehmerinnen und Unternehmern! Sie haben sich auf das Wort des Bundeskanzlers verlassen, liebe Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das ist ein Fehler gewesen! – Felix Banaszak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich glaube nicht, dass Sie uns jetzt hier noch Belehrungen geben müssen, mit wem wir mal zu sprechen hätten! Finde ich ein bisschen unverschämt!)

Jetzt zu dem Punkt. Nun haben wir eine Grundlage; die ist da.

(Dr. Nina Scheer [SPD]: Eben! Das sollten Sie mal endlich anerkennen! Den Rest hätten Sie sich sparen können!)

Aber was ich hier ganz klar sagen will – ich glaube, das würden definitiv auch Wirtschaftsminister anderer Parteien hier am Rednerpult, auch solche, die heute in Regierungsverantwortung sind, so sagen –: Wir, die es in den Ländern umsetzen müssen, wir, die jetzt an der Umsetzung arbeiten, haben nur eine Bitte: Wir möchten uns auf das, was die Regierung hier beschließt, bzw. das, was unsere Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung, durch den Bundeskanzler vertreten, beschließen, auch verlassen können.

(Christoph Meyer [FDP]: Och! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Wirtschaftsministerkonferenz hat Kriterien aufgestellt! Gelten die nicht mehr?)

Es kann nicht sein, dass wir wochen- und monatelang arbeiten und es dann wieder anders gemacht wird, dass wir es dann unseren Unternehmen erklären müssen – Sie machen es nämlich in Teilen nicht; wir müssen das dann machen –

(Otto Fricke [FDP]: Das ist doch gar nicht der Fall! – Dr. Nina Scheer [SPD]: Von welchen Monaten reden Sie denn?)

und dass dann am Ende die Unternehmen und die Bürger in vielen Bereichen alleingelassen werden.

(Christoph Meyer [FDP]: Sie tun dem Bundesrat gerade nicht gut!)

Das gehört zur Wahrheit dazu. Die ist manchmal hart; das müssen Sie sich anhören. Das ist so, wenn man in der Regierung ist. Es ist aber nicht wegzudiskutieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Der Kanzler hat kein Vertrauen mehr in diese Mehrheit! – Felix Banaszak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich finde, Sie sind ganz schön forsch dafür, dass es Gelder des Bundes sind, die Sie ausgeben! Ganz schön forsch! – Gegenruf des Ministers Sven Schulze: Definitiv, ja! – Dr. Nina Scheer [SPD]: Welche Monate meinen Sie zwischen Dezember und Februar? – Olaf in der Beek [FDP]: Setzen, sechs!)

Das Wort hat für die SPD-Fraktion Andreas Mehltretter.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7551037
Wahlperiode 20
Sitzung 86
Tagesordnungspunkt Härtefallhilfen gegen hohe Energiepreise
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