Jürgen HardtCDU/CSU - Perspektive für den MINUSMA-Einsatz - Strategie für die Sahel-Zone
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Dr. Diaby, jetzt bin ich am Ende dieser Debatte doch etwas verwirrt.
(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Ach!)
Ich habe gerade eben den Kollegen Semet, FDP, von der Regierungskoalition so verstanden, dass auch er für einen früheren Abzug der Truppen vor Mai nächsten Jahres eintritt, und es hat viele Kolleginnen und Kollegen der SPD gegeben, die dann zum Schluss auch geklatscht haben. Ich hoffe doch, das war nicht nur ein Instinkt, dass man bei Koalitionsrednern klatscht,
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
sondern das war auch dieser Aussage geschuldet.
(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Solidarität unter Kollegen! Das ist bei der Union vielleicht anders!)
Wir haben in der Mali- und in der Sahelpolitik spätestens seit dem Putsch im Sommer 2021 in Mali eine Orientierungslosigkeit, die daher kommt, dass im Außenministerium keine klare Vision, keine Strategie entwickelt wurde, weder unter dem SPD-Außenminister noch jetzt, wie unser Engagement im Sahel für diese total wichtige Region und für die Menschen in dieser Region – wir machen das für die Menschen in dieser Region – fortgesetzt wird.
(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Total wichtig“, aber schnell raus! Herr Hardt, das macht überhaupt keinen Sinn!)
Wir als Unionsfraktion haben mehr als einmal im Deutschen Bundestag, bei der Mandatsverlängerung, aber auch mit unserem Antrag vom November, den Sie abgelehnt haben,
(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie würden es niemals so machen, wenn Sie selber regieren würden, Herr Hardt! Und das wissen Sie ganz genau!)
und jetzt mit unserem aktuellen Antrag den Versuch unternommen, klarzumachen, dass die Frage und Entscheidung, wie das Mali-Mandat der Bundeswehr aussieht, ja nicht der Entscheidung vorausgehen kann, welche Strategie wir für die Region haben. Unsere Forderung, dass die Truppen so schnell wie möglich, vermutlich – wir halten das für realistisch – bis Ende dieses Jahres, abziehen, fußt darauf, dass die Bundesregierung uns nicht sagen kann, was der aktuelle Sinn dieses Einsatzes ist,
(Gerold Otten [AfD]: Das hatte noch nie einen Sinn!)
was die Soldaten konkret tun, wie sie angeblich stattfindende Wahlen im Mai 2024 schützen sollen, wenn sie weder über Luftaufklärung noch über autarke Logistik verfügen.
Wir erwarten, dass die Bundesregierung ein solches Konzept vorlegt, und sind bereit, dann mit der Bundesregierung, mit Ihnen gemeinsam zu diskutieren und vielleicht auch gemeinsam zu verabschieden, wie unser Engagement aussieht.
(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber jetzt erst mal fordern, dass wir dann und dann raus sind!)
Die Entscheidung, diese singuläre Entscheidung, die Truppen im Mai nächsten Jahres dort abzuziehen, ist nichts anderes als ein fauler Kompromiss zwischen der Position des Auswärtigen Amtes und der Position des Verteidigungsministeriums, die nämlich in dieser Frage keine Übereinstimmung hatten.
(Beifall bei der CDU/CSU – Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie würden das niemals so machen, wenn Sie selber regieren würden, Herr Hardt! Niemals! Das wissen Sie ganz genau!)
Das ist in diesem Beschluss zum Ausdruck gekommen.
Die Leidtragenden sind die Soldatinnen und Soldaten und ihre Familien, die in einer Tätigkeit, bei der sie sich von morgens bis abends fragen: „Was macht das hier für einen Sinn?“, für weitere fünf Quartale gebunden sind. Das finden wir einfach eine Zumutung.
(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ganz gefährliches Framing, Herr Hardt!)
Erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Brugger von den Grünen?
Ja, liebe Kollegin Brugger.
Danke, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, lieber Kollege Hardt, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Also, mir scheint, Sie haben vielleicht so eine leichte Form von Amnesie. Ich erinnere daran, was passiert ist, als die Wagner-Söldner das erste Mal in Mali entdeckt worden sind. Damals gab es eine Verteidigungsministerin – Sie hatten ja nur den Außenminister erwähnt –, die hieß Annegret Kramp-Karrenbauer. Die hat dann mal so locker aus der Hüfte einen Tweet abgesetzt, in dem sie diesen Einsatz komplett infrage gestellt hat. Sie hat nicht mit den VN, nicht mit der EU, nicht mit ihren Kolleginnen und Kollegen in der Bundesregierung darüber gesprochen. Passiert ist dann unter Ihrer Regierung nichts. Wir haben noch monatelang die Soldaten der malischen Armee ausgebildet.
(Zuruf der Abg. Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ja, und Sie haben einfach so weitergemacht wie bisher.
(Zuruf von der AfD: Wo ist die Frage?)
Ich kriege das nicht zusammen mit Ihrem Antrag. Und dass die Kollegin Dağdelen den super findet, sagt eigentlich schon fast alles dazu.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf der Abg. Sevim Dağdelen [DIE LINKE])
Liebe Frau Kollegin Brugger, ich möchte zum Schluss dieser Debatte schon feststellen, dass wir uns darüber einig sind, dass wir eine deutsche, europäische und international vernetzte Sahelstrategie brauchen,
(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber alleine abziehen!)
die uns hilft, das Problem in der Region in den Griff zu bekommen.
(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Deshalb nicht überstürzt!)
Das Ziel unseres Antrages ist, darauf hinzuweisen, dass wir eine solche Strategie dringend gemeinsam entwickeln müssen und dass wir es die Soldatinnen und Soldaten nicht ausbaden lassen dürfen, dass wir uns in Deutschland und Sie sich innerhalb der Regierung nicht einig darüber sind, wie es im Sahel weitergeht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Insofern brauchen wir eine Antwort auf das Dilemma, dass einerseits der Einsatz so nicht fortgeführt werden kann und wir andererseits verhindern wollen, dass zum Beispiel Russland dort zunehmend an Einfluss und Macht gewinnt. Dieses Dilemma können wir nur durch eine kluge Strategie auflösen, und von dieser Strategie kann ich leider nichts erkennen,
(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Ihren Anträgen auch nicht!)
weder in den Beiträgen der Koalitionsredner noch in dem, was die Bundesregierung – zum Beispiel bei der letzten Mandatsverlängerung – vorgetragen hat. Wir sind sehr gespannt und bieten konstruktive Begleitung an, wenn dieser Prozess einer vernünftigen Strategiediskussion denn tatsächlich endlich einmal beginnt.
(Beifall bei der CDU/CSU – Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie sich aber vor den Karren spannen lassen! – Merle Spellerberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das, was Sie gesagt haben, passt leider nicht zum Antrag!)
Wir glauben, dass der Einsatz zum Ende dieses Jahres vernünftig beendet werden kann. Ich hielte es im Übrigen für ein großes Problem, wenn wir Bundeswehreinsätze nicht innerhalb von wenigen Monaten zu Ende führen könnten, wenn wir das als Deutscher Bundestag so beschließen.
(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein technisches Problem, Herr Hardt!)
Denn dann würde zum Beispiel eine zwölfmonatige Mandatserteilung durch den Deutschen Bundestag mit jederzeitigem Rückkehrrecht gar keinen Sinn machen, wenn wir tatsächlich am Ende hören müssten, dass das gar nicht funktioniert. Insofern, glaube ich, ist das auch eine politische Finte gewesen, um diesen faulen Kompromiss zu rechtfertigen.
(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Rede ist ein Widerspruch in sich, Herr Hardt!)
Deswegen sagen wir: Lasst uns das gemeinsam bis Ende des Jahres hinkriegen! Die FDP macht mit; so habe ich Herrn Kollegen Semet verstanden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7551074 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 86 |
Tagesordnungspunkt | Perspektive für den MINUSMA-Einsatz - Strategie für die Sahel-Zone |